Zeitungsstadt Berlin

Kleist, Lessing, Tucholksky

Von Jörg-Peter Schmidt

„Unter Druck“ heißt ein in der Edition Braus erschienener Bildband, der Berlin als Zeitungsstadt über mehrere Jahrhunderte in Text und historischen Fotografien beschreibt. Die von dem Journalisten Oliver Ohmann herausgegebene Dokumentation „ist eine Hommage an die Vielfalt und Faszination der Presselandschaft“, lobt Landbote-Autor Jörg-Peter Schmidt.

Die Achtung des Herausgebers Ohmann gilt dabei nicht nur den Verlegerinnen und Verlegern sowie Journalistinnen und Journalisten, sondern dem gesamten Team, das schon immer zu einer Zeitung gehört: Drucker,  Schriftsetzer, Korrektoren, Techniker, Fahrer, Auslieferer,  Austräger und die Verkäufer von Presseprodukten. Ohmann (Jahrgang 1969), der in Charlottenburg aufwuchs, hat bereits zahlreiche Bücher zur Berliner Sport- und Filmgeschichte verfasst. Er kennt sich also bestens aus in seiner Heimatstadt, in der er weiterhin lebt.

Verkauf der ersten Ausgabe der Berliner Zeitung am 21. Mai 1945. (Foto: bpk)

1929 etwa 150 Zeitungen in Berlin

Und er hat gründlich recherchiert, wie sich das Berliner Pressewesen im Laufe der Jahrhunderte aus kleinen Anfängen entwickelt hat. Wie man bereits im Einleitungstext erfährt, erschienen im Jahr 1929 in Berlin etwa 150 Zeitungen. Dafür sorgten nicht zuletzt die bedeutenden Verlagshäuser wie Mosse, Scherl und Ullstein.

1617 das erste Blatt

Aber wie begann alles in der Stadt an der Spree? Ab 1617 stellte der kurfürstliche Post- und Botenmeister Christoff Frischmann, der im Austausch mit vielen europäischen Kollegen stand, Nachrichten zu einem Blatt zusammen, das regelmäßig nur in kleiner Auflage erschien, da zahlreiche Menschen damals nicht lesen konnten.

Die „Wende“ ist erreicht:  Blumen und Zeitungen „zur Begrüßung“, Grenzübergang Invalidenstraße, November 1989. (Foto: bpk / Klaus Lehnartz)
Herausragend: die „Weltbühne“

Der Beginn der Berliner Zeitungswelt war also bescheiden. Im Laufe der Jahrhunderte kamen massenhaft weitere Presseerzeugnisse  dazu, darunter die „Weltbühne“ mit so herausragenden Autoren wie Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky. Später folgten noch zahlreiche weitere Zeitungen in Ost und West: in der DDR beispielsweise „Neues Deutschland“ und im Westen  entstanden die Springer-Produkte wie die „Bild“ und als Gegensatz dazu aus dem linken Spektrum beispielsweise die taz. 

Zum Verkehrsstreik lieferte der Zeitungsjunge die B.Z. am Mittag auf Rollschuhen, 1920. (Foto: bpk / Kunstbibliothek, SMB, Photothek Willy Römer) 
Faszinierende historische Fotos

Es ist ein Genuss, sich in aller Ruhe die historischen Fotografien anzuschauen, die man einfach nicht überblättern kann und darf.  Da ist ein Zeitungsjunge, der 1920 die „B. Z.  am Mittag“  zum Straßenverkauf anbietet. Das Besondere: Er fährt mit seinem Zeitungsstapel auf Rollschuhen herum, denn an diesem Tag war Straßenverkehr-Streik. Man sieht die Presse studierende Menschen in den einstigen Lesesälen und man erhält fotografischen Einblick in die Arbeitswelt   der Druckereien.

Auf Fotos festgehalten ist auch die schlimme Zeit, als die Medien für die Verbrechen der Nazis missbraucht wurden. Und da gibt es folgende Aufnahme von einer Ansammlung von Leserinnen und Lesern in Berlin, die nach dem Ende des Weltkriegs in Europa sehnsüchtig die Hände  nach frischgedruckten  Zeitungen ausstrecken: Denn am 31. Mai 1945 wurde die erste Ausgabe der Berliner Zeitung verkauft. Diese  Zeitung, die es auch heute noch gibt, erschien zunächst  in ganz Berlin, später bis zum  Zusammenbruch der Mauer erst mal vorwiegend in Ost-Berlin.  

Am 5. Januar 1919 besetzten Spartakisten Verlagshäuser im Zeitungsviertel und verhinderten die Auslieferung bürgerlicher Zeitungen, Januar 1919. (Foto: bpk)
Lessing und Kleist als Wegbereiter

Ein Kapitel in der Dokumentation widmet sich Publizisten, die eher als Schriftsteller zur Berühmtheit gelangten, aber zu den Wegbereitern der Berliner Presse gehörten. Im November 1748 wurde Gotthold Ephraim Lessing im Alter von 19 Jahren in Berlin Redakteur der „Vossische Zeitung“.  Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist stand Lessing in nichts nach. Er war Herausgeber der Zeitung „Berliner Abendblätter“, die einerseits mit Polizeinachrichten versehen war, andererseits ein Forum für Autoren wie Clemens Brentano und Achim von Arnim bot.

Rosa Luxemburg prägte „Vorwärts“

Der Schriftsteller Theodor Fontane war auch ein bedeutender Theaterkritiker und Rezensent. Er schrieb für die Kreuzzeitung und später für die Vossische Zeitung. 

Zu den herausragenden Persönlichkeiten, die die Berliner Medienlandschaft prägten, zählte auch Rosa Luxemburg. Sie war eine Zeit lang Redakteurin bei der sozialdemokratischen Zeitung „Vorwärts“, von dessen Druckerei historische Fotografien aus den 1920er Jahren abgedruckt sind in diesem Band, der hoch informativ Zeitgeschichte nahe bringt. 

Unter Druck, Die Zeitungsstadt Berlin in historischen Fotografien“, herausgegeben von Oliver Ohmann, € 24,95, Edition Braus, Berlin 2021, www.editionbraus.de

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