Revolutionsgeschichte
Von Bruno Rieb
Büchner und Weidig wurden am Wochenende hinter dem Butzbacher Rathaus lebendig. Die Büchner-Bühne aus Riedstadt spielte das Stück „Wenn es Rosen sind werden sie blühen“ nach dem Roman von Kasimir Edschmid. Erzählt wurde, wie die revolutionäre Flugschrift „Der Hessische Landbote“ entstand und wie es ihren beiden Verfassern erging.Der Streit um den Landboten
Die Büchner-Bühne spielte das Stück nahe am Publikum. Ein Laufsteg führte quer durch die Stuhlreihen und verband zwei kleine Bühnen. Dimitri Eliseev (Büchner) und Christian Suhr (Weidig) arbeiteten die sehr unterschiedlichen Charaktere der beiden Protagonisten der „Hessischen Verschwörung“ heraus: der so feinsinnig wie kompromisslose auf die Revolution zielende Büchner und der polternde, aber nachgiebig aufs liberale Bürgertum zielende Weidig. Höhepunkt ist der Streit der beiden um die Formulierung des „Landboten“.
Der erste Akt lässt die revolutionäre Stimmung in Mittelhessen und Frankfurt um 1834 aufleben, untermalt mit Freiheitsliedern dieser Zeit die Bastian Hahn an der Gitarre (er spielt auch den Studenten August Becker) und Oliver Kai als Sänger (zugleich Wilhelm Schulz, väterlicher Freund Büchners) vortragen. Höhepunkt des ersten Aktes ist der Streit zwischen Büchner und Weidig um die Formulierung der Flugschrift. Weidig mildert schließlich Büchners radikalen Entwurf ab.
Flucht und Folter
Im zweiten Akt wird das Schicksal von Büchner und Weidig nach dem erfolglosen Verbreiten des Landboten geschildert. Büchner flieht, schreibt Bücher, wird Privatdozent für Medizin in Zürich und stirbt an einer Typhusinfektion. Er wurde nur 23 Jahre alt.
Weidig wird verhaftet, in Darmstadt eingekerkert und von Untersuchungsrichter Hofrat Georgi (Erich Schaffner) gefoltert. Schaffner lässt den brutalen, ständig Wein trinkenden Hofrat mit kernigem Dialekt sprechen, der seinen brutalen Zynismus unterstreicht. Weidig bleibt unter Georgis Folter standhaft, bis er zerbricht. Er wird am 23. Februar 1837 tot in seiner Zelle im Darmstädter Gefängnis aufgefunden.
Weidig wirkte als Pfarrer in Butzbach, die sich nach ihm „Weidig-Stadt“ nennt und in diesem Jahr mit einem „Reallabor Demokratikum“ die Demokratiegeschichte um Weidig und auch aktuelle Fragen der Demokratie aufgreift. Der Auftritt der Büchner-Bühne ist Teil dieses Reallabors.
Bei strahlendem Sonnenschein blieben bei der Aufführung am Samstagnachmittag, 16. 9.2023) trotz freien Eintritts einige Stühle leer und es waren nur sehr wenige junge Leute im Publikum. Schade, denn was die Büchner-Bühne da bot, das war anschaulicher Geschichtsunterricht im besten Sinne. Und der Kampf für Freiheit und Demokratie hat angesichts populär werdender autoritärer Gesinnung nichts an Aktualität verloren.