Wasserversorgung Rhein-Main

Leitbild ist „historische Chance“

Von Corinna Willführ

13 Kernpunkte hat das jetzt vom Hessischen Umweltministerium vorgestellte Leitbild für ein Integriertes Wasser-Ressourcen Management Rhein-Main (IWRM). Dessen Ziele sind „der vorsorgende Schutz der Wasserressourcen, die langfristige Sicherstellung der Wasserversorgung, die umweltverträgliche Ressourcennutzung und eine effiziente Wassernutzung.“ Alles klar?

Das IWRM umfasst die Regierungsbezirke Darmstadt und Gießen. Die Schutzgemeinschaft Vogelsberg (SGV) „begrüßt“ die Reform. Zugleich fordert der Interessensverbund von den Behörden konkrete Maßnahmen, um die Wassergewinnungsgebiete wie den Vogelsberg, den Burgwald oder das Hessische Ried zu entlasten. Damit diese dazu in die Lage sind, muss aus Sicht der SGV mehr ausgebildetes Personal eingestellt werden.

Nachhaltig und leistungsfähig

Vom Landkreis Marburg-Biedenkopf (Regierungsbezirk Gießen) im Norden, über den Rheingau-Taunus-Kreis  im Westen, dem Kreis Bergstraße im Süden und dem Main-Kinzig-Kreis im Osten (alle Regierungsbezirk Darmstadt) reicht der „Geltungsbereich“ des Leitbildes für ein Integriertes Wasser-Ressourcen-Management  des Hessischen Umweltministeriums. An ihm haben unter anderem seit 2016 Vertreter aus Kommunen, der Industrie- und Handelskammern, von Umwelt- und Naturschutzgruppen und „wichtigen Interessensgruppen“ mitgearbeitet. Ihr  Ziel: „eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wasserressourcen und eine leistungsfähige Wasserversorgung in der Metropolregion zu sichern.“

Fotos: Corinna Willführ

Was so neutral klingt, heißt: sehr unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen. Zum einen: die Sorge um die Grundwasserspiegel in den Regionen aus denen das Wasser kommt. Zum anderen: den Bedarf von immer mehr Menschen im Ballungsgebiet um Frankfurt, die duschen, waschen, kochen wollen. Wobei das dazu benötigte Wasser nur zum geringsten Teil aus den städtischen Brunnen der Metropole fließt. Wären da noch die Wasserversorger, die auch wenn „Wasser nicht eigentumsfähig ist“ wie es in der Präambel des IWRM heißt, mit dem Lebensmittel Nummer eins Geld erwirtschaften.

Aufsichtsbehörden brauchen mehr Personal

Rund fünf Millionen Menschen erhalten in den beiden Regierungsbezirken durch eine  „historisch gewachsenen Versorgungsstruktur“ täglich ihr Wasser. Diese Struktur basiert auf dem Zusammenwirken von örtlicher und regionaler Wasserversorgung. Das Land (und seine nachgeordneten Behörden) hat dabei die Aufgabe, „die allgemeine Gewässerbewirtschaftung sowie die Nutzungsmöglichkeiten der Gewässer für die öffentliche Wasserversorgung zu erhalten oder zu schaffen“. Die Kommunen mit ihren jeweiligen Wasserversorgern wie zum Beispiel der Oberhessischen Versorgungsbetriebe (OVAG) müssen die Wasserversorgung sicherstellen.

Durch den Klimawandel, den demografischen Wandel und den Schutz der Grundwasserressourcen sehen Land, Kreise und Kommunen in den nächsten Jahren große Herausforderungen auf sich zukommen. Die nur gemeinsam bewältigt werden können, denn „die Schnittstellen und wechselseitigen Abhängigkeiten bei der Aufgabenerledigung sind so umfangreich, dass sie zusammengeführt und erklärt werden müssen.“

Eine Steuerungsgruppe, in der Kommunen des Ballungsraums Rhein-Main und des Umlands vertreten sind, soll dabei helfen. Sie erhält Unterstützung von einem kommunalen Beirat mit Vertretern aus Spitzen-, Fach- und Umweltverbänden sowie von Interessensgruppen.  Ein wasserwirtschaftlicher Fachplan des Landes soll dabei als neues  Instrument die Vorgaben des Landes und die konkreten Anliegen der Kommunen und der Region berücksichtigen. Nicht zuletzt, um bei lokalen und regionalen Wasserkonzepten mehr Sicherheit für die Planung zu geben. Die Inhalte des wasserwirtschaftlichen Fachplans soll die Steuerungsgruppe erarbeiten.

„Historische Chance“ mit Einschränkung

„Die anstehende Reform der Wasserversorgung kann außerordentlich viel zur Problemlösung beitragen“, äußert sich Dr. Anne Archinal, Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft „Rettet den Burgwald“, in der Pressemitteilung der SGV zum Leitbild. „Allerdings nur, wenn den heute veröffentlichten Kernaussagen auch konkrete Taten folgen.“ Positiv bewertet die SGV, das nun klar ist, „dass das Rhein-Main-Gebiet sich künftig wesentlich stärker aus eigenen Ressourcen versorgen muss. Dabei ist es auch kein Tabuthema mehr, dass kostbares Trinkwasser zum Beispiel für Toilettenspülungen durch Betriebswasser ersetzt werden soll.“ Heißt es doch in der vierten Kernaussage des Leitbildes: „Vor der Neuerschließung und Nutzung zusätzlicher Grundwasserressourcen (neue eigenständige Gewinnungsbereiche) führt die Kommune eine Alternativenprüfung in einem kommunalen Wasserkonzept durch. Die öffentliche Wasserversorgung genießt Vorrang vor allen anderen Grundwassernutzungen.“

Die Schutzgemeinschaft Vogelsberg setzt sich bereits seit 1989 für eine umwelt- und ressourcenschonende Grundwassergewinnung ein. Der im Vogelsberg erarbeitete Leitfaden zur Umweltschonenden Grundwassergewinnung soll nun auch – unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten vor Ort – in anderen Gebietet des IWRM angewendet werden. Allein: So groß die Hoffnungen an das IWRM sind, „erfolgreich werden die im Leitbild skizzierten Ziele nur sein können, wenn bereits bestehende und künftige Vorschriften in wirksame Maßnahmen umgesetzt werden“, wie Cécile Hahn von der SGV es formuliert.  „Daran mangelt aber schon seit Jahren.“ Vor allem mangelt es auch an qualifiziertem Personal in den Aufsichtsbehörden. Die SGV hat bereits mehrfach mehr Fachkräfte gefordert – und erwartet nun eine konkrete Zusage vom Hessischen Umweltministerium. „Das Ministerium sollte mit gutem Beispiel vorangehen und die Voraussetzungen für das Realisieren seines eigenen Leitbildes schaffen“, so die Vorsitzende der SGV.

Zukunftssichere Wasserwirtschaft

Mit den jetzt veröffentlichen Grundzügen des Leitbildes biete sich „eine historische Chance, in Rhein-Main eine neue zukunftssichere hessische Wasserwirtschaft aufzubauen“, heißt es weiter in der Pressemitteilung der SGV. Doch die Arbeit ist noch nicht getan. In den nächsten Wochen wird weiter an einer „klimafesten Vereinbarung von Wasserversorgung und Naturschutz“ gearbeitet. Noch vor September, so die SGV, sollen die Ergebnisse vorgestellt werden. „Dann wird sich zeigen, ob in Wiesbaden genügend politischer Mut existiert, die Fernwassergewinnungsgebiete im Vogelsberg, im Burgwald und im hessischen Ried durch ein Reduzieren der Entnahmemengen zu schützen.“  Im September – das heißt wenige Wochen vor der Hessischen Landtagswahl am 28. Oktober 2018.

www.sgv-ev.de

www.umwelt.hessen.de

 

 

 

 

 

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