Landbote moderiert Kandidaten-Diskussion
Drei Männer bewerben sich bei der Direktwahl am 15. März 2020 um das Amt des Bürgermeisters in der 9800 Menschen zählenden Stadt Niddatal im Wetteraukreis. Es sind Amtsinhaber Bernhard Hertel, der CDU-Stadtrat Michael Hahn und der Assenheimer Ralf Binsack. Zum ersten Mal überhaupt wird der Neue Landbote am Mittwoch, 11. März 2020 ab 19.30 Uhr im Bürgerhaus von Bönstadt eine Kandidatendiskussion veranstalten. Alle Interessierten sind dazu herzlich eingeladen.Wahl: Wer wird Bürgermeister in Niddatal
Für sechs Jahre sollen die mehr als 6000 Wahlberechtigten in den Stadtteilen Assenheim, Kaichen, Ilbenstadt und Bönstadt am Sonntag, 15. März den Verwaltungshef wählen. Die Amtsperiode des neuen Bürgermeisters beginnt am 1. Juli 2020. Amtsinhaber Bernhard Hertel sitzt schon seit 18 Jahren im Chefzimmer des Rathauses. Der promovierte Agrarwissenschaftler lebt seit 1997 in Assenheim. Geboren wurde er vor 64 Jahren in Marnheim in der Pfalz. Nach dem Zivildienst studierte er in Gießen und kam danach durch seinen Job als Sachgebietsleiter für Abfall und Umwelt bei der Stadt Rosbach in die Wetterau. Seit 1996 war er in Niddatal hauptamtlicher Erster Stadtrat. 2002 trat der parteilose Verwaltungsmann dann als direkt gewählter Bürgermeister die Nachfolge von Wilfried Martin (SPD) an. In den Jahren 2008 und 2014 bestätigten die Niddataler Bernhard Hertel mit 60,7 und 54,8 Prozent der Wählerstimmen im Amt.
Obwohl er nun in Pension gehen könnte, will Hertel weitere sechs Jahre arbeiten, um angefangene Projekte vollenden zu können. Eine Machtbasis gibt ihm dabei die knappe Mehrheit von 14 SPD- und zwei Linken-Stadtverordneten. Hertel ist verheiratet und Vater dreier Kinder. In der Freizeit treibt Hertel nach eigener Aussage gerne Sport. Für die SPD sitzt er im Wetterauer Kreistag und für die Stadt Niddatal im Parlament des Regionalverbandes Frankfurt/Rhein-Main.
Michael Hahn ist hier aufgewachsen
Nach 2008 kandidiert der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Michael Hahn nun zum zweiten Mal als Bürgermeister. Über viele Jahre war der 1973 geborene Kaichener wortgewaltiger Oppositionsführer im Stadtparlament von Niddatal. Seitdem er als ehrenamtlicher Stadtrat im Magistrat sitzt, hat er weniger Rede-Recht, aber einen tieferen Einblick in die Situation der Stadt. Der Bauernsohn Michael Hahn begann nach dem Fachabitur eine Lehre zum Steuerfachangestellten bei der LBH, einem Tochterunternehmen des hessischen Bauernverbandes in Friedrichsdorf. Dort arbeitet er bis heute. 2004 gründeten Hahn und sein Vater für Bauernhof der Familie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Inzwischen ist der Betrieb laut Hahn auf dem neuesten Stand der Technik und Betriebsführung. Produziert werden Getreide und Zuckerrüben.
Michael Hahn ist seit September 2000 verheiratet. Seine Frau Julia und er haben zwei Töchter. In der Freizeit betätigt er sich als Chorsänger. Politisch ist der Christdemokrat Vize-Fraktionschef im Kreistag. Seit 2018 gehört er zu den Stellvertretern der Wetterauer CDU-Vorsitzenden Lucia Puttrich.
Auch Ralf Binsack will am 15. März zum Bürgermeister gewählt werden. Der parteilose Biologe wurde 1966 geboren. Er stammt aus Hanau, studierte in Berlin und promovierte in Heidelberg. Nach Forschungsaufenthalten in Israel, Japan, USA, Brasilien und China wurde Binsack 2005 bei einer Firma Sales Manager für Labor-Geräte. Seit 2017 arbeitet er als Area Sales and Distribution Manager bei Abaxis in Griesheim – einem Unternehmen, das Blutanalyse-Ausstattungen verkauft.
Ralf Binsack ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit 2011 lebt er in Assenheim in einem Wohngebiet nahe dem umstrittenen künftigen Neubaugebiet Gollacker. Binsack gehört zu den Sprechern der Bürgerinitiative gegen das Neubaugebiet.
Binsack will Bürger einbinden
Ralf Binsack wirbt auf vielen Plakaten mit seinem Gesicht für sich. Inhaltliches verriet er in den letzten Monaten bei zahlreichen Hausbesuchen. Und auf seiner Homepage www.drbinsack.de. Als Motto wählte er den Slogan „Niddatal kann und verdient mehr“. Wenn er Verwaltungschef wird, will er regelmäßig Bürgerversammlungen organisieren, ein Konzept zur Stadtentwicklung aufstellen, Jugendzentren bauen und für eine angemessene medizinische Grundversorgung sorgen. An seinen Konkurrenten Bernhard Hertel und Michael Hahn bemängelt Binsack, dass sie nichts über den Aufbau internationaler Städtepartnerschaften und eines Solarparks sagten. Wenn er zum Bürgermeister gewählt wird, will Binsack Gespräche mit der Bevölkerung, den Parteien und der städtischen Belegschaft führen. Daraus werde er dann seinen politischen Kurs entwickeln. Wo Neubaugebiete entstehen, müssten auch Ärzte, Kindergärten, Feuerwehr und Freizeitangebote erreichbar sein. Zur Verkehrsberuhigung will Binsack den Einsatz autonomer Elektrobusse prüfen. Binsacks Facebook-Seite hat 19 Abonnenten und 16 „Gefällt mir“-Einträge.
Hahn holte Bouffier als Wahlwerber
Deutlich größer ist die Reichweite des CDU-Kandidaten Michael Hahn. Er hat 150 Abonnenten seiner vielen Facebook-Einträge und nicht weniger als 1099 Facebook-Freunde. Ende Februar warb Ministerpräsident Volker Bouffier persönlich in Assenheim für Michael Hahn. Und sein Wahlkampf wird offiziell von den Grünen und der FDP unterstützt. Wie diese Parteien stellt sich auch Hahn gegen die Ausweisung des Gollackers als Neubaugebiet. Es wäre zwischen der Assenheimer Bahnlinie und Bruchenbrücken zu abgelegen. Besser wäre es, wenn die Stadtteile zusammenwüchsen.
Im Wahlkampf präsentiert sich Hahn als energischer Macher. Sein Slogan lautet „Neuer Schwung für Niddatal“. Die Stadtverwaltung müsse ein Motor sein, doch der Krankenstand sei erschreckend. Wichtig sei ihm die Wertschätzung des Personals. Bei 30 Beschäftigten müsse die Stadt junge Leute ausbilden – auch in den Kindergärten. Die am ehemaligen Kloster in Ilbenstadt geplante Kita soll nach Hahns Vorstellung lieber anderswo im Ort gebaut werden, wo der Zugang leichter würde. Auch die seit Jahren geplante Erneuerung des Bürgerhauses in Ilbenstadt dauert Hahn zu lange. Die Etats der Stadt sind für mehrere zurückliegende Jahre noch nicht genehmigt, bemängelt Hahn. Finanziell habe Bürgermeister Hertel „mit Einmaleffekten kurzfristig Überschüsse erzielt“, mit denen man den Bürgerhn eine straffe Haushaltskonsolidierung nur vorkaukle.
Hertel ist noch nicht fertig
„Ich sorge für solide Finanzen!“ verspricht dagegen Bernhard Hertel den Niddatalern. Was er auf Facebook postet, verfolgen vier Abonnenten und bis zu 561 Freunde. Im Netz bietet er eine 14seitige Programmbroschüre zum Herunterladen an. Darin listet er 13 Erfolge seiner bisher 18 Amtsjahre auf – darunter den Ausbau des schnellen Internets, die Nidda-Renaturierung, die Modernisierung der Kläranlage in Assenheim und des Sportplatzes in Ilbenstadt. Acht Projekte wolle er noch beenden, darunter die Dorferneuerung in Kaichen, den Radweg-Anschluss von Burg-Gräfenrode an Ilbenstadt und die Erweiterung des Feuerwehrgerätehauses in Bönstadt.
Als wichtiges Projekt bezeichnet Hertel den Bau von etwa 90 Häusern auf dem sechs Hektar umfassenden Gollacker am Assenheimer Ortsrand in Richtung Bruchenbrücken. Dort will er mit den Stimmen der Parlamentsmehrheit und der fachlichen Hilfe der Hessischen Landgesellschaft eine Plusenergie-Siedlung verwirklichen, die mehr Wärme und Strom produziert als sie verbraucht. Im Parlament hat Härtels Mehrheit aus SPD und Linkspartei jüngst durchgesetzt, dass auf dem Gollacker mindestens jede dritte Wohnung „bezahlbar“ sein soll. Gemeint ist damit ein Quadratmeter-Mietpreis von höchstens 8.20 Euro im Monat.
Bei der Kandidaten-Diskussion am 11. März 2020 im Bönstädter Bürgerhaus wird Moderator Klaus Nissen umstrittene Themen wie die Gollacker-Bebauung ansprechen, die Sanierung des Bürgerhauses und den Kita-Neubau in Ilbenstadt, den Stand der städtischen Finanzen und Situation im Rathaus. Während der etwa zweistündigen Veranstaltung können auch die Besucher Fragen stellen. Das Team des Neuen Landboten wird die Diskussion in Texten, Fotos und Videos auf der Webseite www.landbote info dokumentieren.
Warum wir aktiv werden
Mit der Kandidatendiskussion in Niddatal füllen die unbezahlten Journalistinnen und Journalisten des Neuen Landboten eine Lücke, die der Rückzug lokaler Zeitungen hinterlassen hat. In früheren Jahren waren stets eine oder mehrere Lokalzeitungen bereit, vor vollen Sälen die Streitgespräche der Bürgermeister-Anwärter zu moderieren, damit sich jeder eine Meinung über die Persönlichkeit und das Programm des jeweiligen Kandidaten machen konnte. Das ist heute aber nicht mehr der Fall, denn die unter sinkenden Abonnentenzahlen leidenden Zeitungen beschäftigen immer weniger Lokaljournalisten. Wir meinen, dass diese Entwicklung am Ende auch das demokratische Gemeinwesen beeinträchtigt. Wenn niemand mehr gründlich verfolgt und berichtet, was in einer Kommune gut oder schief läuft, dann schwindet bei der Bevölkerung die Wissensbasis und damit auch die Möglichkeit, bei Wahlen fundiert die Weichen für wichtige Entscheidungen zu stellen. Wir meinen: Nur eine Gesellschaft, die sich das Geld für eine ausreichende Bezahlung gut ausgebildeter Journalistinnen und Journalisten leistet, kann am Ende demokratisch funktionieren.