Ukraine-Krieg

Schwere Waffen oder wegducken?

Von Dietrich Jörn Weder

„´s ist leider Krieg – und ich begehre nicht schuld daran zu sein,“ dichtete Matthias Claudius 1778 im Hinblick auf die Kriege seiner Zeit. Und er hatte wahrlich keine Schuld an den damaligen militärischen Metzeleien, die er in seinem Gedicht schildert und verdammt. – Heute fordern 28 Unterzeichner eines Briefes an den Bundeskanzler denselben auf, die Ukraine im Krieg mit dem Aggressor Russland allein zu lassen, indem wir den Angegriffenen Waffen von Bedeutung verweigern. So möchten sie Schlimmeres verhüten und zugleich zu Friedensstiftern zu werden. So kommen sie aber selber nicht ohne Schuld aus der Affäre.

Klein beigeben für eine Waffenruhe?

Denn willigen die Ukrainer in einen Waffenstillstand unter den heutigen Umständen ein, so müssen sie es zu den Bedingungen Russlands tun, das heißt dem Angreifer die eroberten Gebiete überlassen, gleichgültig ob sie das nur de facto oder auch de jure tun. Und da Putin sieht, dass der Ukraine niemand ernstlich zu Hilfe kommt, kann und wird er sich bei Gelegenheit auch vom Rest noch das Gewünschte holen.

Die Briefschreiber wollen weiteres Blutvergießen in der Ukraine und über sie hinaus vermeiden. Indem wir und andere Nato-Staaten keine Waffen von Belang liefern, entgehen wir – meinen sie – zugleich möglichen Atomschlägen, die der Kreml für den Fall eines ernstlichen Beistands für die Ukraine angedroht hat. Das heißt doch, dem, der Kernwaffen hat, kann man nicht entgegentreten und er darf sich holen, worauf er aus ist.

Nicht einschüchtern lassen!

Nun hat aber auch der Westen die große Bombe, und in keiner Auseinandersetzung nach dem zweiten Weltkrieg hat sie eine Atommacht eingesetzt, weil sie in einem solchen Fall mit der eigenen Vernichtung rechnen musste. Wenn einer den Verstand verliert, tut er es vielleicht doch. Deshalb muss die ganze Welt um des Überlebens willen unverzüglich auf die totale nukleare Abrüstung hinarbeiten. Wenn wir aber die Bühne bis dahin dem Spieler überlassen, der sein Blatt beständig überreizt, kommen wir niemals dahin.

Die jüngere Geschichte lehrt doch, dass jeder schlecht oder gar unbewaffnete Staat ohne Verbündete jedem starken und oftmals auch verbrecherischen Aggressor hilflos ausgesetzt ist. Wollen die Briefschreiber, dass der Ukrainekrieg dafür einen weiteren Beweis liefert? Indem wir Waffen liefern, riskieren wir auch selber etwas. Indem wir sie verweigern, öffnen wir einem skrupellosen Aggressor auch für die Zukunft Tor und Tür. So oder so ergreifen wir Partei und kommen nicht schuldlos aus der Affäre, die Briefschreiber allemal eingeschlossen.

Jeden Tag wird die Verwüstung größer

Und doch führen auch die 28 Petenten ein beachtenswertes Argument ins Feld. Je länger man mit einem Waffenstillstand wartet, umso weiter schreitet die Verwüstung der Ukraine voran. Mir scheint es sehr gewagt, auf einen großen Sieg der Verteidiger zu setzen, wo doch das große Russland noch viele unausgeschöpfte Reserven hat. Aber was sie hinnehmen wollen oder zu erreichen anstreben, entscheiden nur die Ukrainer selber.

Sollte Putin freilich immer noch willens sein, das ganze Land einzunehmen und politisch zu entmündigen, hat Kiew überhaupt keine andere Wahl, als sich militärisch zu behaupten, solange es geht. – Dass Glück und Vernunft plötzlich ins Spiel kommen, darauf möchten wir gleichwohl hoffen.

Dr. rer. pol. Dietrich Jörn Weder war Jahrzehnte lang leitender Umweltredakteur und Fernsehkommentator des Hessischen Rundfunks. Seit seiner Pensionierung arbeitet er als freier Autor für Print- und Audiomedien. Er betreibt den Blog Wachposten Frankfurt, auf dem er Kommentare zu aktuellen Themen veröffentlicht. wachposten

Titelbild: Flugabwehrkanonenpanzer Gepard (FlakPz Gepard) (Foto: Wikipedia/Hans-Hermann Bühling – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gepard_1a2_overview.jpg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=116810946)

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