Veterinäre berichten Grausiges
Von teils vorsätzlicher Tierquälerei und einer erschreckend ansteigenden Aggressivität mancher Menschen gegen die Kontrolleure vom Staatlichen Veterinäramt ist im Tierschutzbericht für das Jahr 2016 die Rede. In 26 Fällen kam es zur Einleitung von Ordnungswidrigkeitsverfahren mit bis zu tausend Euro Geldbuße. Vier Strafverfahren wurden ebenfalls eingeleitet. Hier einige traurige Tiergeschichten.
Sie lassen Pferde hungern
In der Wetterau kommt rein rechnerisch ein Huhn auf zwei Einwohner. 150 000 Hühner waren 2016 im Kreis registriert. Die rund 1900 landwirtschaftlichen Betriebe hielen etwa 20 000 Schweine, 20 000 Rinder, 7500 Schafe, 4300 Pferde und 920 Ziegen. Die Veterinäre kümmern sich auch um den Tierschutz in allen Tierpensionen, Zoofachgeschäften , Tiertransportunternehmen, Hundezuchten, Hundeschulen und , Tierheimen. Bei den 553 Kontrollen vielen etliche kleine Mängel – aber auch Besorgnis erregende Missstände auf, berichtet Dr. Isabell Tammer. Davon ist hier die Rede.
Auf einem Anwesen im Wetteraukreis fanden die Kontrolleure ein stark abgemagertes Pferd. Rippen, Wirbelsäule, Schulterblätter und Becken traten deutlich hervor. Der Gang war schwankend. Die Zähne waren sehr lang gewachsen. Ein Schneidezahn fehlte vollständig.
Im Verlauf der Kontrolle wurde außerdem ein Hund in einem Schuppen auf dem Grundstück gefunden. Das blinde Tier war vollkommen abgemagert. Im Kopfbereich, an den Beinen, am Bauch und am Rücken hatte er kein Fell mehr. Die Haut war verkrustet und zum Teil blutig. Der Hund war offensichtlich über einen längeren Zeitraum in dem Schuppen ohne jegliche Pflege gehalten worden. Beide Tiere mussten eingeschläfert werden. Ihren Besitzer erwartet ein Strafverfahren.
In einem anderen Fall fügte ein Landwirt einer seiner Mutterkühe erheblicheSchmerzen zu, indem er sie monatelang nicht medizinisch behandeln ließ. Das bei einer Routinekontrolle entdeckte Tier zeigte eine tellergroße Wunde am Kopf. Ursprünglich war das Tier rund ein halbes Jahr zuvor an einer Verletzung des Augenlids erkrankt. Diese Verletzung breitete sich durch Entzündungen derartig aus, dass das Auge nicht mehr erkennbar war. Nahezu die Hälfte des Stirnbereichs und die rechte äußere Seite des Kopfes waren offen und eitrig. Die Kuh musste eingeschläfert werden. Und der Landwirt muss sich vor Gericht verantworten.
Eine andere Tierschutzanzeige schilderte dramatische Verhältnisse einer Hühnerhaltung. Von den in einem Schrebergarten gehaltenen neun Hühnern waren zum Zeitpunkt der Kontrolle nur drei Tiere noch lebendig. Das Grundstück war verwahrlost. Zwei Hühnerställe darauf waren stark verunreinigt. Futter wurde nicht vorgefunden. Am Ende überlebte nur ein Huhn. „Der Tierhalter zeigte sich gegenüber dem Geschehenen gleichgültig“, so Isabell Tammer.
Ein Tierhalteverbot erging gegen die Tochter eines ehemaligen Landwirtes. Der Landwirt wiederum bereits ein Tierhalteverbot und deshalb seinen gesamten Betrieb seiner Tochter überschrieben. Doch bei einer Kontrolle zeigte sich, dass 14 Hunde, zwei Pferde, zehn Schafe, 31 Rinder und 64 Hühner und Hähne umgesiedelt werden mussten.Im neuen Quartier erwiesen sich die Hunde als aggressiv. Sie waren den Umgang mit Menschen nicht gewöhnt.
Kuh-Halter ignorierte eingewachsenes Horn
In einem weiteren Fall hatte ein Rinderhalter seine Mutterkuhherde stark vernachlässigt. Die Futterversorgung der Tiere war völlig unzureichend. Obwohl er über die Wintermonate wiederholt zu einer ausreichenden Fütterung und Versorgung aufgefordert worden war, magerten die Tiere immer weiter ab. Schließlich wurde die gesamte Herde mit Unterstützung der Polizei und eines Viehhändlers weggenommen und anderweitig untergebracht. Gegen den Tierhalter erging ein Halteverbot für Rinder.
Eine Spaziergängerin teilte telefonisch mit, dass bei einer auf einer Weide gehaltenen Kuh die Hörner rechts und links in die Backenmuskulatur eingewachsen wären. Der Tierhalter sagte, die Kuh würde weiter Nahrung aufnehmen. Er habe vor, das Tier in den nächsten zwei bis drei Wochen zu schlachten. Auf Anordnung der Behörde wurden die Hörner der Kuh innerhalb von wenigen Stunden gekürzt und die Wunden versorgt. Durch das Einwachsen der Hörner waren die Haut und die Backenmuskulatur stark entzündet und geschwollen. Eiter trat hervor. Auf der linken Seite war das Auge mit betroffen. Der Vorfall wurde an die Staatsanwaltschaft abgegeben.
Ein Pferdehalter hatte seine beiden Kaltblüter stark vernachlässigt. Der 85-jährige Mann war aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, seine Pferde ausreichend zu versorgen. Die mit der Versorgung beauftragten Damen aus der Nachbarschaft erwiesen sich als unzuverlässig, so dass dass bei einer Kontrolle im Januar 2016 die Tiere abgemagert und mit vernachlässigter Hufpflege auf , unzureichender Einstreu standen. Auch der Auslauf fehlte. Nachdem Besitzer und Betreuerinnen keine Einsicht zeigten, beschlagnahmte das Veterinäramt die Pferde. Sie sind nun woanders untergebracht.
Eine Pferdehalterin hielt ihre Tiere wiederholt auf Weiden ohne Witterungsschutz und ohne Zugang trockener Liegefläche. Zum Zeitpunkt der Kontrolle befanden sich drei Ponys auf einem vollkommen verschlammten Auslauf. Die Tiere sanken bis zu den Gelenken ein und waren stark verschmutzt. Die anschließend angefahrenen Koppeln, auf denen weitere Pferde gehalten wurden, waren ebenfalls komplett verschlammt. Die Grasnarbe war bei keiner Koppel mehr erkennbar. Die Halterin muss ein Bußgeld zahlen.
Eine andere Pferdehalterin hatte ihre drei Tiere ebenfalls stark vernachlässigt. Sie standen auf einem verschlammten Grundstück ohne eine trockene Liegefläche und ausreichende Fütterung. Das älteste Tier war stark abgemagert. Die Halterin sagte aus, dass sie sich gerade in der Scheidung von ihrem Mann befände und finanzielle Probleme habe. Schließlich wurden die Pferde in andere Obhut gegeben.
Eine kleine Schafherde musste im vorigen Jahr ebenfalls leiden. Ihr besitzer hielt die 31 Tiere auf seiner Weide mit zu wenig Wasser und ohne Schur. Etliche Tiere waren das ganze Jahr hindurch nicht geschoren worden, drei von ihnen offenbar noch länger nicht, so dass ihre Wolle bis zu 20 Zentimeter lang war. Einem Schaf hing das Wollfließ in langen Fetzen herunter. Der Halter wurde zur Zahlung einer Geldbuße verpflichtet.
Tierhalter werden aggressiver
Neben dem deutlichen Anstieg an gravierenden Tierschutzfällen ist laut Tammer auch ein Anstieg der Aggressivität gegenüber den Behördenmitarbeitern erkennbar. Das sei ein deutschlandweiter Trend: In Norddedutshc land hatte ein Landwirt den Amtstierarzt mit seiner Schrotflinte erschossen. Und in diesem Jahr wurde in Cuxhafen der Leiter des dortigen Veterinäramtes im Dienst angeschossenen und schwer verletzt. Selbst Bürger, die der Behörde Mitteilungen über tierschutzwidrige Zustände machen, traten laut Isabell Tammer immer öfter aggressiv auf. Immer häufiger mussten die Veterinäre ihre Arbeit unter Polizeischutz machen.
Zur Arbeit gehörte auch die Aufdeckung des nach wie vor florierenden illegalen Hundehandels. Dabei werden „Billigwelpen“ aus dem Ausland nach Deutschland gebracht und hier verkauft. Sie waren nciht geimpft und wurden häufig zu früh von der Mutter getrennt, da sich niedliche, kleine Hunde besser verkaufen lassen. Die Hundewelpen bilden Krankheiten infolge des schlecht ausgeprägten Immunsystems und des hohen Stressfaktors aus. Dann wiederum beschweren sich die neuen Tierbesitzer bei der Behörde, dass ihnen ein kranker Welpe verkauft wurde.
Daher appelliert das Veterinäramt nachdrücklich an alle Bürger, die mit dem Gedanken spielen einem Welpen ein Zuhause zu geben, sich unbedingt die Herkunft des Tieres und den Verkäufer genau anzusehen.