Wort – Gewalt -Tat
Von Elfriede Maresch
Es wird skandiert, deklamiert, assoziiert, mit Bedeutungen gespielt, aus „Macht euch die Erde untertan!“ wird „Macht euch Untertanen!“ Das freie Ensemble „Theater Prozess“ führt das Stück „Wort – Gewalt – Tat“ im Frankfurter Gallus-Theater auf.
Jandelesk und kafkaesk
„Wort – Gewalt –Tat“ im Frankfurter Gallus-Theater: Die Trennung Bühne-Zuschauerraum ist aufgehoben, ein Teil der Spielfläche liegt zwischen den Sitzreihen, zieht sich zum schwarzen Bühnenhintergrund, den vier große Metallplatten begrenzen, bald gedämpftes Licht spiegelnd, bald mit Scheinwerfern angestrahlt, grell, hart wie eine Demarkationslinie. Ein Akkordeon wird anfangs auf- und zugezogen, ohne Ton, nur hauchend, keuchend, wie Atemzüge. Theater Prozess nennt sich das freie Ensemble, das schon mehrfach mit Inszenierungen ins Gallus-Theater kam. So mit einer eigenwilligen Schwejk-Version, in der weniger der listige Überlebende als die gequälte Kreatur dargestellt wurde, oder mit einer beklemmenden szenischen Collage zum 100. Geburtstag des Autors „Prozess Auschwitz Peter Weiss.“
Eine „Jandleske“ nennt Regisseur Ulrich Meckler die Texte, die er für „Wort-Gewalt-Tat“ verfasst hat. Er hat sich vom Begriff „kafkaesk“ inspirieren lassen, mehr aber noch von Ernst Jandls Konkreter Poesie, vom Zerlegen gewohnter Bedeutungen in Fragmente, mit denen jongliert, assoziiert, verstört, entlarvt wird. Wohl gibt es in dieser Inszenierung Klänge von Cello (Anka Hirsch, von der auch die Komposition stammt) und Akkordeon (Beate Jatzkowski): Dazu Elemente von Pantomime, von Darstellung –die eigentliche Dynamik aber kommt aus der Sprache und Meckler nennt die Darstellerinnen Barbara Englert und Iris Reinhardt Hassenzahl, (im Hintergrund Elisabeht Uloth, Ulrich Meckler, Anka Hirsch) zu Recht Sprach-Akteure.
Sind es nur die bösen Worte?
Ist es nur die „falsche Sprache“, aus der Ablehnung, Diskriminierung, verbale und physische Gewalt erwächst? Sind nur die Worte Obergrenze, Flüchtlingsschwemme, Abschieben „böse?“ Meckler ist realistisch genug, dies genauer zu definieren: „Sprache kanalisiert!“, er verweist auf Jandls „Kritik an der Art, Wörter zu verwenden“, zitiert im Programmheft Viktor Klemperers „Lingua Tertii Imperii“, die Beschreibung pervertierter Sprache im Dienste von Ausgrenzung und Rassismus.
Ein politisch korrektes, sprachwissenschaftliches Seminar? Nichts von alledem. Es wird skandiert, deklamiert, assoziiert, mit Bedeutungen gespielt, aus „Macht euch die Erde untertan!“ wird „Macht euch Untertanen!“, aus „Landnahme“ wird „Land nehmen“, „landlos“, „vogelfrei“. Dann eine wunderbare, wenngleich trauervolle Gegenwelt: der aus Gambia kommende Aziz Kuyateh spielt auf der Stegharfe Kora und spricht vor dem sanften Klangbild Lyrik aus Al Imfelds „Afrika im Gedicht“: „Heute ist mein Land bis aufs letzte Hemd ausgeplündert. Ein Land des Elends. Noch ist der feenhafte Gesang der Quellen nicht versiegt. Deshalb kann ich nicht anderswo sein…“ Das ist weit, weit mehr als eine rationale Erinnerung an Fluchtursachen, auch wenn später der Begriff Weltwirtschaft zu „Wirtschaften – kriegen –Welten“ zerlegt, hinterfragt wird. Die Verse, die Kuyateh vorträgt, sind eine poetische Beschwörung der einen Welt: „Ich klopfe an Deine Tür, suche den Platz an Deinem Feuer. Warum weist du mich ab?“ und „Ich bin nicht gelb, schwarz, rot, weiß – ich bin nichts als ein Mensch.“
Sensibel gegenüber Sprachgewohnheiten
Szenen wecken Assoziationen. Die Sprach-Akteurinnen überqueren ausgelegte Rohre im Raum, die unter ihren Füßen wegrutschen – Fluchtweg ins Ungewisse, „keinen festen Boden unter den Füßen haben“? Ein paar Minuten später werden die Pfosten eingerammt, Schläge knallen gegen die Metallplatten, auf die sich der Scheinwerfer richtet. Die Szene signalisiert: hier kommt keiner mehr rein! Wer draußen bleibt, hat Pech gehabt!
Manchmal kippt Satire, zweifellos nervt die permanent verbessernde Lehrerin in der Szene „Deutschunterricht“, doch an der Mühe, die neue Sprache zu lernen, führt kein Weg vorbei. Dann wieder eine entlarvende Collage, nach den ersten Aufführungen von Meckler eingeführt, wie denn „Work in Progress“ ein Grundprinzip des Theaters Prozess ist. Der Begriff „Sichere Staaten“ wird am Beispiel Tunesiens in Frage gestellt. „Entspannung – mediterraner Zauber – laue Abende“: die geschönte Szenerie von Tourismuswerbung prallt auf entlarvendes Dekonstruieren. „ Sichere Stadt – sichere Stadtteile -Teile von Stadtteilen…“- die sicheren Inseln werden immer kleiner, ehe noch der Bogen nach „Afghanien“ geschlagen wird.
Ein Theaterabend mit Nachhaltigkeit, der gegenüber Sprache und Sprachgewohnheiten sensibler macht!