Ausstellung beeindruckt
von Jörg-Peter Schmidt
Im ersten Obergeschoss des Gießener Rathauses ist noch bis zum 16. März 2024 eine beeindruckende Ausstellung zu sehen. Die Dokumentation bietet Erläuterungen vorwiegend über die von den Nationalsozialisten 1938 zerstörte Synagoge der liberalen israelitischen Religionsgemeinde in der Gießener Südanlage.Fundamentreste wurden freigelegt
Deren Fundamentreste wurden seit dem Winter 2022 freigelegt. Zudem geht es in der von der Unteren Denkmalschutzbehörde konzipierten Wanderausstellung auch um das ehemalige Gemeindehaus der Israelitischen Religionsgemeinde in der Lonystraße 4 und die frühere Synagoge in der Steinstraße. 1962 wurde für den Bau des Bürgerhauses (die heutige Kongresshalle) das Gemeindehaus abgerissen.
Viele Menschen sind bewegt
Die Besucherinnen und Besucher des Rathauses können den Schautafeln entnehmen, welch interessante Funde man bei den Grabungsarbeiten vor der Kongresshalle machte und wie mit den Resten der Synagoge als wichtige historische Stätte in der Zukunft umgegangen werden soll. Viele Menschen in Gießen und darüber hinaus bewegt es, dass vor der Kongresshalle Synagogen-Grundmauern freigelegt wurden, die dem Pogromgeschehen im November 1938 getrutzt haben. Damals wurde auch die Synagoge in der Steinstraße zerstört.
Denkmalschutz-Fachleute informierten
Kürzlich fand ein öffentlicher Informations- und Gesprächstermin statt, bei dem für Auskünfte zur Ausstellung Denkmalschutz-Dezernentin Astrid Eibelshäuser sowie Henriette Stuchtey (Kunsthistorikerin M. A.) und Börn Keiner (Stadtarchäologe) zur Verfügung standen. Astrid Eibelshäuser begrüßte die Gäste und führte durch das Gespräch. Zuhörerinnen und Zuhörer bereicherten den Informationsaustausch durch eigenes historisches Wissen.
Es wurde erläutert, dass man bei den Grabungsarbeiten der Reste der Synagoge in der Südanlage beispielsweise verrußte Fragmente von Holztäfelchen und Gebetbüchern fand. Sie befinden sich zurzeit in den Restaurationswerkstätten des Landesamtes für Denkmalpflege in Wiesbaden. Man entdeckte also historisches Material, das auf das einstige religiöse Leben in dem jüdisch-liberalen Gotteshaus hinweist, welches 1867 geweiht, 1892/93 erweitert wurde und im öffentlichen Leben Gießens eine bedeutende Rolle spielte, bis die Nationalsozialisten in ihrem Hass auf jüdisches Leben diese Synagoge und auch die in der Steinstraße zerstörten. Allerdings gab es auch schon vor der Zeit der Nationalsozialismus zeitweise antisemitische Strömungen auch in Gießen und Umgebung.
Erinnerung und Mahnung
Beim Bau der Kongresshalle wurde 1962 eine Kupferrolle in den Grundstein gemauert, in der auf die Zerstörung der Synagoge in der Südanlage am 10. November 1938 durch „frevlerische Hände“ hingewiesen wird – eine Erinnerung und Mahnung zusätzlich zu weiteren Gedenkstellen in Gießen hinsichtlich des Verbrechens der Nationalsozialisten auch in Gießen.
Was geschieht nun mit den freigelegten Grundmauerresten? Wie Henriette Stuchtey und Börn Keiner erläuterten, werden die Reste konserviert und sind abgedeckt. An dieser Stelle, so hat das Stadtparlament entschieden, wird es zum Gedenken an die Synagoge einen Versammlungsort geben. Auch soll es eine Ausstellung in der Kongresshalle geben, in der auf das einstige jüdisches Gotteshaus eingegangen wird. In das Gesamtprojekt ist die jüdische Gemeinde Gießen einbezogen, auch ist man im Dialog mit der Bevölkerung.
Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten des Rathauses noch bis zum 16. März 2024 zu sehen.
Titelbild: Blick auf einer der Schautafeln der Ausstellung, in deren Mittelpunkt die frühere imposante ehemalige Synagoge in der Südanlage steht. (Fotoquellen: Archiv der Stadt Gießen/zwei Fotos von Jörg-Peter Schmidt)