Wunderbares Buch über Dick und Doof
von Jörg-Peter Schmidt
Das Buch „Stan“ des irischen Autors John Connolly erzählt von dem Komikerduo Stan Laurel und Oliver Hardy, die in Deutschland als „Dick und Doof “ berühmt wurde. Landbote-Autor Jörg-Peter Schmidt hat das 2018 erschienene Buch zufällig entdeckt. Es gefällt ihm.Meine Schwester war sieben und ich neun Jahre alt, als wir wegen einer damals sehr beliebten Sendung mit Erlaubnis der Eltern abends ausnahmsweise aufbleiben und fernsehen durften: Es lief die von Werner Spier nostalgisch im karierten Anzug moderierte Reihe „Es darf gelacht werden“, in der von 1961 bis 1965 Stummfilme liefen. Seitdem liebe ich vor allem die Auftritte des Duos Stan Laurel und Oliver Hardy. Um so größer war mein Interesse, als ich kürzlich beim Stöbern im Bücherregal den von mir zuvor ungelesenen Roman mit dem Titel „Stan“ des irischen Autors John Connolly (wieder)entdeckte.
Ich begann sofort das bei Rowohlt 2018 erschienene Buch gefesselt zu studieren und erlebte gedanklich die Zeit mit, als die Stars beispielsweise Charlie Chaplin, Buster Keaton, Roscoe „Fatty“ Airbuckle oder Harold Lloyd (der Mann, der im Film am Uhrenzeiger eines Hochhauses hing) hießen. Besonders populär waren auch die soeben erwähnten Stan und Olli, die in Deutschland „Dick und Doof“ genannt wurden.
Zusammen über 100 Filme gedreht
Ihre Geschichte erzählt der gebürtige Dubliner John Connolly aus der Sicht des Briten Stan Laurel, der in dem Roman von seinem Alterssitz in Santa Monica (USA) auf sein Kino-Lebenswerk zurückschaut, das er zusammen mit „Babe“ so erfolgreich gestaltet hat. „Babe“ war der Spitzname von Oliver Hardy, der 1957 gestorben ist. Seitdem hatte sich sein Filmpartner aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und lebte in Erinnerungen an die über 100 Filme, die die beiden seit 1921 zusammen gedreht haben.
Über allem hing Chaplins Schatten
Der Brite Stan und US-Amerikaner Olli verstanden sich sofort. Sie hatten vor ihrem ersten gemeinsamen Auftritt in zahlreichen Filmen mitgewirkt, ohne aber erst mal so berühmt zu werden wie Charles Chaplin. Connolly verdeutlicht, wie der Schatten Chaplins in der Kinoszene über allen Schauspiel-Kolleginnen und -kollegen unheilvoll schwebte: Der britische Tramp war so beliebt beim Publikum, dass viele Regisseure ihre Schauspieler animierten, unbedingt so wie Chaplin zu spielen. Darunter litt nicht nur Stan Laurel, bis er nach langer Zeit mit Höhen und Tiefen schließlich selbst berühmt wurde. Er hat dann aber doch der Chaplin-Hysterie getrotzt und zusammen mit Olli Hardy einen eigenen Stil gefunden.
Dennoch hörte Stans Minderwertigkeits-Komplex gegenüber seinem Landmann niemals auf. Chaplin schien für ihn quasi unerreichbar, obwohl er mit ihm zum Beginn ihrer beiden Karrieren durch die USA getourt war. Sie waren von dem englischen Theaterchef Fred Karno verpflichtet worden. Charlie, der in dem Buch als Schauspieler glänzend, als Mensch charakterlich gar nicht mal so gut wegkommt, wurde im Filmgeschäft viel schneller als Stan und Olli erfolgreich.
Aus dem Schatten des „Tramps“ raus
Stan erinnert sich in seinen letzten Lebensjahren in Santa Monica, dass er und „Babe“ doch eines gemeinsam mit Sir Charles Spencer Chaplin hatten: Im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen schafften sie den Übergang von den Stumm- zu den Tonfilmen, wobei sie im Grundsatz den Charakter ihrer Gags nicht veränderten: Olli muss in den Sketchen stets Stan aus der Patsche helfen, ohne ihm richtig böse zu sein. Oft richten die beiden ein solch fatales Schlamassel an, dass sie von ganzen Garnisonen verärgerter Mitmenschen im Zeitraffer-Kintopptempo verfolgt werden. Aber zumindestens moralisch bleiben die beiden halt doch immer Sieger.
Mein Lieblingsfilm
Meinen Lieblingsfilm (übrigens ein Tonfilm) mit dem Komikerduo könnte ich mir immer wieder anschauen: Stan und Olli wollen mit ihrem Auto von Zuhause losfahren, winken fröhlich und rufen den am Zaun stehenden Nachbarn zu: „Auf Wiedersehen“. Der Wagen kommt aber nur wenige Meter weit. Eine Panne nach der anderen ereignet sich; die beiden versuchen immer wieder erneut loszufahren. Es wiederholt sich jeweils die Abschiedszeremonie: lustig winken und sich mit einem lang gedehnten „Auf Wiedersehen“ verabschieden. Soweit ich mich erinnere, fällt der Pkw nach dem dem wiederholten „Auf Wiedersehen“ in alle Einzelteile zusammen…
Stan Laurel war gar kein Träumer
Wie John Connolly schildert, war Stan Laurel im Gegensatz zu seiner Rolle in den Sketchen im wirklichen Leben in den Filmstudios kein Träumer, auch nicht tollpatschig, sondern ein allseits anerkannter Fachmann, der für die Gags sorgte und richtig Ahnung von Regie und Schnitt hatte, auch mehr Honorar erhielt. Olli akzeptierte das. Viele Gemeinsamkeiten gab es bei den beiden auch im Privatleben. Sie waren jeweils mehrmals verheiratet, mal glücklich. Mal ging es weniger harmonisch in den Ehen zu.
Zum Schluss zurück zu stummen Gesten
1957 musste dann Stan von seinem Filmpartner, der Schlaganfälle erlitten hatten, Abschied nehmen. Da Olli schließlich im Krankenbett nicht mehr sprechen konnte, riefen sie jetzt im realen Leben ihre früheren Rollen in den Stummfilmen ab und kommunizierten miteinander mittels Gestik. 1965 folgte Stan seinem Kumpel. Er hat seinen Freund nur einige Jahre überlebt. Am Ende des Romans ist man traurig, von diesem wunderbaren Duo Abschied nehmen zu müssen deren cineastisches Lebenswerk aber zurecht unsterblich ist.
Meine Empfehlung: „Stan“ von John Connolly, Rowohlt Verlag, 24 Euro (auch als Taschenbuch rororo-Taschenbuch erhältlich (14 Euro)
Titelbild: Stan Laurel (rechts) und Oliver Hardy in dem Kurzfilm The Tree in a Test Tube (1942). (Quelle: wikipedia, https://catalog.archives.gov/id/1679/
United States Department of Agriculture, Office of Public Affairs)