Geld zurück bei Verspätung
Die verbundweite 10-Minuten-Garantie des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) ist am 1. Juni 2017 in Kraft getreten. Sie greift im Falle von Verspätungen aller Verkehrsmittel der etwa 1000 Verbund-Linien: Bei Verspätungen von über zehn Minuten wird der Fahrpreis zurückerstattet. Dieser Regelung stimmt der Fahrgastverband Pro Bahn uneingeschränkt zu, sagt der Vorsitzende des Landesverbandes Hessen, Thomas Kraft. Auf der anderen Seite beklagen sich immer mehr Pendler darüber, dass ihnen immer öfter der Anschlusszug oder Bus gerade „vor der Nase“ wegfährt. Warten die Verkehrsunternehmen, wird ihnen durch die Besteller ein saftiges „Pönale“ (Vertragsstrafe) aufgebrummt. Die eine Regelung hat nur auf den ersten Blick mit der anderen nichts zu tun, erklärt Pro Bahn in einer Pressemitteilung.
Sogar Taxikosten werden erstattet
„Nachdem der nordhessischen Verkehrsverbund (nvv) im Mai 2006 eine 5-Minuten-Garantie mit weitreichender Offensive zur Steigerung der Attraktivität des Öffentlichen Nahverkehrs in Verbindung mit einer zentralen Datenerfassung gestartet hatte, folgte der Rhein–Main–Verkehrsverbund zwei Jahre später mit seinem Modell einer 10-Minuten-Garantie, das allerdings etwas halbherzig versuchsweise für einige wenige lokale Linien und nur einzelne Gesellschafter. Zehn Jahre konnte man mit diesem Vorlauf nun Erfahrungen sammeln. Der RMV hat jetzt zum 1. Juni 2017 die mehrmals verschobene verbundweite Umsetzung gestartet. Wer also ab sofort sein Ziel im Verbundraum bei Fahrten mit planmäßigen Verkehrsmitteln erst mit einer Verspätung von mehr als 10 Minuten erreicht, kann sich die Fahrtkosten in voller Höhe bzw. bis zu einer bestimmten Obergrenze erstatten lassen. Bei Zeitkarten und stark subventionierten Angeboten für bestimmte Zielgruppen fallen die Erstattungsbeträge in Form einer Pauschale – auch aus steuerlichen Gründen – verständlicherweise deutlich niedriger aus. Als Berechnungsgrundlage geht man bei Zeitkarteninhabern von einer Nutzung von durchschnittlich 50 Fahrten pro Monat aus. Für bestimmte Ereignisse und für Fahrten auf Bestellung (AST) gelten nachvollziehbare Ausnahmeregelungen. Nach 21 Uhr werden unter bestimmten Voraussetzungen sogar Taxikosten bis zu einer Höhe von € 25,00 erstattet“, heißt es in der Pressemitteilung des Fahrgastverbandes..
Der Fahrgastverband Prp Bahn Hessen begrüßt diesen Vorstoß des RMV, zeigt er doch, wie ernst die Verbundspitze die Belange der Fahrgäste nimmt, meint sein Pressesprecher Wilfried Staub und fügt die Hoffnung hinzu, dass die Regelung auch mit dazu beitragen möge, den Pünktlichkeitsgrad, insbesondere der S- und Regionalbahnen, nachhaltig zu verbessern. Da der RMV keine zentrale Erfassung der Daten der verkauften Fahrkarten kennt, auf der anderen Seite aber ein gewisser Mechanismus zur Verhinderung von Missbrauch – bei geringstmöglichem Verwaltungsaufwand – in das Erstattungssystem integriert werden muss, gibt es derzeit leider keine andere praktikable Möglichkeit als eine Prüfung der Gültigkeit der vorzulegenden Fahrkarten und Belege in einer der zunächst 33 Erstattungsstellen.
Rückforderung binnen sieben Tagen
Eine verspätete Fahrt muss spätestens innerhalb von sieben Tagen über eine besondere Maske auf der Homepage des RMV eingegeben werden, wobei dieser Vorgang ab der zweiten Eingabe bei etwas Routine in weniger als zwei Minuten erledigt ist, da bestimmte persönliche Daten dann bereits voreingestellt sind. Nach Durchlaufen einer Plausibilitätskontrolle erhält der Antragsteller eine Bestätigung seines Anspruchs und eine Vorgangsnummer. Verschiedene Anträge können gesammelt werden, müssen allerdings mit einer Frist von drei Monaten, beginnend mit dem ersten Erstattungsantrag, in bar bei einer der autorisierten Verkaufsstellen abgeholt werden. Diese Art der Erstattung wird von vielen Fahrgästen als lästig angesehen. Staub gibt jedoch zu bedenken, dass bei einer unpersönlichen und bargeldlosen Erstattung der Verwaltungsaufwand und die dabei anfallende Bearbeitungsgebühr den Nutzern in den meisten Fällen übersteigen würde. Ungeachtet dessen fordert PRO BAHN mittelfristig, dass ein Verfahren gefunden werden sollte, das Procedere der Erstattung nutzerfreundlicher zu regeln.
Der RMV hat gegenüber der Presse bestätigt, dass die für die 10-Minuten-Garantie anfallenden Kosten, unabhängig ob sie in seinen Zuständigkeitsbereich oder in den der 27 Gesellschafter anfallen, aus dem eigenen Topf der Vertragsstrafen, die der RMV den Verkehrsdienstleistern auflastet, kommen. Ein solches Malus-System ist inzwischen durchgängiger Bestandteil aller Verkehrsverträge im RMV und hat zur Folge, dass im Falle von geringfügigen Verspätungen früher einmal garantierte Anschlüsse seit einiger Zeit nicht mehr gewährleistet werden. Der Fahrgastverband PRO BAHN Hessen bezeichnet ein solches Vorgehen als unhaltbar, insbesondere wenn man bedenkt, dass 40 Prozent der Fahrgäste mindestens einmal umsteigen und auf eine sichere Reisekette angewiesen sind. Dies wird umso wichtiger, je weniger dicht der Takt, insbesondere in den ländlichen Regionen und in Tagesrandlagen, ist. Es gibt im Gebiet des RMV viele wichtige Umsteigeknoten, bei denen noch bis vor einem Jahr die Anschlüsse im Falle von Verspätungen meist gewährleistet wurden. Fahrgäste beklagen, dass dies heute bei den Bahnhöfen Babenhausen, Friedberg, Fulda, Gießen, Hanau, Limburg sowie den Bus-Bahnhöfen Bad Soden am Taunus, Dillenburg und Herborn nicht mehr der Fall sei.
Anschlüsse müssen gewahrt bleiben
Schlussfolgerung von Pro Bahn: „Der richtige Status im Interesse der Fahrgäste und der Seriosität des ÖPNV muss umgehend wieder hergestellt werden. Pönalen dürfen nicht dazu herhalten, die Kassen der Besteller zu Lasten der Fahrgäste zu füllen. Zu Zeiten der guten alten Bundesbahn existierten genaue Anweisungen, die sogar im Kursbuch festgeschrieben waren, in welchem Zeitrahmen welches Verkehrsmittel auf ein verspätetes zwingend zu warten hat. An diese Dienstvorschrift hatten sich alle Fahrdienstleiter und Zugbegleiter ohne Ausnahme zu halten. Nachdem nun endlich auch bei der S-Bahn Rhein-Main das Zeitalter der Echtzeitanzeigen in den Zügen angebrochen ist, sollte es doch ein Leichtes sein, die Anschlusszüge über die Verkehrslage der Zubringer zu informieren. Pro Bahn fordert daher, dass für jeden Knotenbahnhof und jeden Sammelanschluss lokal gültige Kriterien für gegenseitige Wartezeiten unter Berücksichtigung der unabdingbaren Prioritäten (Anzahl der Umsteiger, Häufigkeit der Verbindungen, Dominoeffekt, usw.) aufgestellt werden und dass diese Bestandteil der Ausschreibungsbedingungen werden. In welchem Rahmen die unterschiedlichen Verkehrsmittel aufeinander warten, das sollten die zuständigen Fahrgastbeiräte in Zusammenarbeit mit den örtlichen Betriebsleitern und den Verkehrsplanern der betreffenden Nahverkehrorganisationen erarbeiten. Die Einhaltung der Pünktlichkeit ist eines der fünf wichtigen Kriterien, die der Öffentliche Nahverkehr in den Augen der Kunden erfüllen muss. Der RMV hatte insofern den richtigen Weg eingeschlagen, die Einhaltung des Fahrplans zu gewährleisten und im Falle einer Nichterfüllung den Fahrgast angemessen zu entschädigen. Das ist unstrittig. Die Garantie der Reisekette genießt nach Auffassung der Masse der Pendler aber einen noch höheren Stellenwert. Wenn einem Fahrgast durch einen verpassten Anschluss eine Wartezeit von einer Stunde entsteht, dann ist eine Entschädigung von vielleicht € 1,40 für eine Stunde geraubter Freizeit kaum ein Trost. Was dieses Thema betrifft, so müssen die Weichen auf schnellstem Wege wieder in eine vernünftige Richtung gestellt werden.“
Thomas Kraft ist über Mail erreichbar unter thomas.kraft@pro-bahn-hessen.de , Wilfried Staub unter wilfried.staub@pro-bahn-hessen.de