Rechenzentren

Stromfresser und Klimakiller

Von Dietrich Jörn Weder

Eine Stunde Video-Streaming und ein Kilometer Autofahrt sind für das Klima etwa gleich schädlich. Jede noch so kurze Nutzung des Netzes – und sei es auch nur meine Frage nach dem Wetter oder der nächsten Busverbindung – beansprucht Energie. Und die ist in aller Regel nicht ohne Treibhausgase zu haben. Die Antwort auf eine Google-Suchanfrage – zur Lösung eines Kreuzworträtsels beispielsweise – benötigt 0,3 Wattstunden Strom.

Mehr Verbrauch als Millionen Haushalte

Lade ich Videos, also bewegte Bilder, herunter, wird dafür leicht die zig- oder auch hundertfache Menge Elektrizität verbraucht. Auch das ist im Einzelfall noch ein Klacks gemessen am durchschnittlichen jährlichen Stromverbrauch eines Single-Haushalts in Höhe von 1.500 Kilowattstunden.

Wenn aber 24 Millionen Menschen in Deutschland in jedem Quartal zusammen eine Milliarde Stunden auf kostenpflichtigen Videoportalen verweilen, dann läuft das Netz heiß und es müssen sich viele Windmühlen drehen, um auch nur die Server der dabei beanspruchten Rechenzentren zu kühlen.

Schon 2017 verbrauchten die 53.000 Server und Rechenzentren in Deutschland so viel Strom wie die dreieinhalb Millionen Berliner. (Zahlen aus Veröffentlichungen des Borderstep-Institutes wie „Hessen digital“, „Rechenzentren 2021“ und „Hintergrundpapier Videostreaming“, zur Verfügung gestellt von Ralph Hintemann.) In Frankfurt, dem angeblich weltgrößten Internetknoten, ziehen heute allein die großen kommerziellen Rechenzentren doppelt so viel Power aus dem Netz wie alle privaten Haushalte der Stadt mit Ihren 750.000 Einwohnern. Im Jahre 2030 werden die Zentren sogar das Vierfache des Stromverbrauchs aller Frankfurter für sich beanspruchen, so viele neue Rechenhäuser sind bereits im Bau oder in der Planung. (Zahlen zum Energieverbrauch und Wachstum Frankfurter Rechenzentren vom städtischen Klimareferat.) Auch im Frankfurter Umland, so in Bad Vilbel und Hanau, gibt es Pläne für riesige Server-Hallen.

Aufheizende Reisen im Netz

Mit anderen Worten: Der Energiehunger und somit auch der Treibhauseffekt des Internets laufen ganz und gar aus dem Ruder. Das Internet mit allem, was dazugehört, belastet das Weltklima bereits, nach allerdings noch unscharfen Abschätzungen, in etwa der gleichen Größenordnung wie der Weltflugverkehr, und dieser verursacht ungefähr vier Prozent aller erderwärmenden Emissionen. „Über den Wolken muss die Freiheit unendlich sein,“ singt Reinhard May. Dem Surfen, der freien Bewegung im Netz, sind offenbar ebenfalls keine Grenzen gesetzt.

Auch absurde Auswüchse haben dort freie Bahn, so das sogenannte Mining, das Zusammenklauben, von Kryptowährungen, auf dessen Konto ein Viertel der Netzbeanspruchung gehen soll. „Après nous le deluge“ (nach uns die Sintflut), wie der der Franzose sagt. Zumindest der gemeinschädliche Gebrauch des Netzes sollte verboten oder so teuer gemacht werden, dass er unterbleibt.

Klimagerecht Online nur mit viel Windkraft

Unsere Zukunft, die schöne, neue Welt von Morgen, soll digital sein. Damit unser ständiges Online-Sein nicht dem Klima schadet, müssen sich aber viele, viele Windräder drehen. Sage und Schreibe rund 600 Rotortürme an Land hätte es nach eigener Rechnung 2021 gebraucht, um allein den Stromverbrauch der Frankfurter großen Rechenzentren in Höhe von rund zwei Milliarden Kilowattstunden zu decken.

Wöllstaedter Windräder, nahe Frankfurt (Foto Klaus Nissen)

Mit den zuletzt zugebauten doppelt so leistungsstarken Anlagen hätte es nur 300 Windräder gebraucht, aber die ragen schon mit ihrer Nabenhöhe von 140 Metern weit über den Frankfurter Dom hinaus. Welches wunderbare neue Landschaftsbild, sich in jeder Himmelsrichtung von diesen Giganten umringt zu sehen!

Digitaler Drache frisst Klima-Entlastung

Sollten die erneuerbaren Energien, Sonne und Wind, nicht zuallererst die fossilen temperaturtreibenden Energien ersetzen! Und jetzt frisst uns ein neuer, immer weiter wachsender digitaler Drache den teuer erkauften ökologischen Fortschritt zu großen Teilen weg. Zur Erinnerung: Die vielseitig-nützlich i-phones gibt es erst seit 2007. Im Grimmschen Märchen vom Wettlauf des Hasen mit dem Igel, rufen Igelmann oder Igelfrau dem auf der Rennstrecke herankeuchenden Hasen am Ende des Feldes immer wieder entgegen: „Ick bün all hier“! Zu deutsch: Alle Anstrengung vergeblich!

Dr. rer. pol. Dietrich Jörn Weder war Jahrzehnte lang leitender Umweltredakteur und Fernsehkommentator des Hessischen Rundfunks. Seit seiner Pensionierung arbeitet er als freier Autor für Print- und Audiomedien. Er betreibt den Blog Wachposten Frankfurt, auf dem er Kommentare zu aktuellen Themen veröffentlicht. Wachposten

Titelbild: Gut gesichertes, riesiges Rechenzentrum in Frankfurt/Kalbach (Foto: Dietrich Jörn Weder)

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