Radeln mit Risiken
Von Klaus Nissen
Er ist ein „uralter Wunsch“ der Rendeler, sagt Ortsvorsteher Ehrhard Menzel. Schon 2005 lud er zu einer Pedal-Aktion auf die Kreisstraße 247, um Druck für den Bau eines Radweges nach Gronau zu machen. 850 000 Euro sind dafür reserviert. Doch mit dem Bau sei nicht vor 2032 zu rechnen, erfuhren die Karbener nun im Landratsamt. Auch die Radweg-Verlängerung an der L3008 von Gronau nach Niederdorfelden wird wohl erst im nächsten Jahrzehnt gebaut. Das sei ein „Staatsversagen“, entfuhr es Vilbels Bürgermeister Sebastian Wysocki bei einer Ausschusssitzung.
Radwege erst im nächsten Jahrzehnt
Was macht den Bau zweier 2,5 Meter breiter Asphaltbänder bloß so schwierig? „Es ist frustrierend“, klagt Gronaus neuer Ortsvorsteher Lukas Worel. „Der Wahnsinn. Ich verstehe nicht, was da so lange dauert.“

Und was meinte Bürgermeister Wysocki mit dem „Staatsversagen“? Auf Nachfrage will er niemanden anprangern. Er habe weder Hessen Mobil noch den Wetteraukreis gemeint, verlautbart sein Sprecher Yannick Schwander. Wysocki finde es „allgemein bedenklich, dass in unserem Land Prozesse so lange dauern und gute Projekte dadurch so erheblich verzögert werden.“
„Sehr komplexe Verfahren“
Auch die Kreisverwaltung sieht keinen Schuldigen. Für den Landesstraßen-Radweg sei sie nicht zuständig, so Pressesprecher Carsten Woitas. Und mit Planung und Bau des knapp zwei Kilometer langen Kreisstraßen-Radweges von Rendel nach Gronau habe man Hessen Mobil beauftragt. Die wüssten alle Details.
Es seien sehr komplexe Verfahren, antwortet Cornelia Höhl für die in Schotten sitzende Straßenbaubehörde des Landes. Wie lange sie dauern, könne man „zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös abschätzen.“ Früher war mehr Optimismus. Anno 2020 hieß es noch, die Radstrecke Gronau- Niederdorfelden genieße Priorität im Zuge der „Sanierungsoffensive Hessen“.
Dichter Verkehr vor Niederdorfelden
Wie sieht es vor Ort aus? In einem Selbstversuch riskierte der Autor dieses Textes sein Leben. Er radelte in der Stoßzeit auf der L3008 von Niederdorfelden südlich an Gronau vorbei. Unaufhörlich überholten ihn Autos und Lastwagen, teils mit Zentimeter-Abstand. Links und rechts begrenzen Leitplanken die Fahrbahn. Es gibt keine Haltebuchten.

Allerdings ist der 1,76 Kilometer lange Abschnitt für Furchtlose auch ohne Elektroantrieb flott befahrbar. Nach Osten geht es in rasanter Fahrt leicht abwärts. Und wer westwärts an Gronau vorbei nach Vilbel will, erreicht nach fünf Minuten auf der Nordseite der L3008 einen breiten Radweg. In kurzen Abständen stehen dort schicke Lampenmasten, die ihre Lichtenergie von der Sonne beziehen.
Planfeststellungsverfahren hängt Jahre hinterher
Die Verlängerung ist im Vorentwurf fertig, so Cornelia Höhl von Hessen Mobil auf Anfrage. Mit anderen Behörden stimme man gerade „grundsätzliche verfahrensrechtliche Fragen“ ab. Und arbeite an den Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren, das dann beim Regierungspräsidium beantragt werde. Es wurde schon mal für 2021 angekündigt, zeigt der Blick ins Zeitungsarchiv.
Wer sein Leben liebt, sollte also noch ein paar Jahre die alte Direktverbindung zwischen den Ortskernen von Gronau und Niederdorfelden nutzen. Sie ist 1,6 Kilometer kurz. Nur am Anfang, auf der Neuen Straße in Gronau, sorgen der 14-Meter-Anstieg, viele parkende Autos und Einmündungen für Schweißtropfen und Gefahr. Danach kann man auf der Gronauer Straße entspannt gen Osten rollen.
Probefahrt zwischen Gronau und Rendel
Auch Gronau und Rendel gibt ers schon einen Radweg. Er ist mit 4,5 Kilometern mehr als doppelt so lang wie die Direttissima auf der Kreisstraße 247. Der Weg führt von Gronau neben der B521 Richtung Büdingen und zweigt kurz vor der Einmündung der L3205 scharf links auf einen Feldweg ab. Dann rechts ums Eck in den südlichsten Stadtteil von Karben.

Kein Wunder, dass sich immer wieder Radler auf die gerade, radweg-lose Kreisstraße 247 wagen. Bei der Probefahrt an einem späten Werktags-Nachmittag waren es eine Mutter mit Kleinkind und zwei nebeneinander her fahrende Rennradler. Auf der knapp 1,8 Kilometer langen Strecke überholten in sechseinhalb Minuten nicht mehr als zehn Autos und ein Motorrad. Die breite Bankette bietet Ausweichmöglichkeiten.
Trotzdem muss für den Radweg noch Land gekauft werden. Links und rechts liegen Naturschutzflächen. Flora und Fauna sind dort zu kartieren, so Cornelia Höhl. Nach der Umweltverträglichkeitsprüfung werde eine Vorzugsvariante des Radweges herausgearbeitet und „parzellenscharf“ geplant. Leider sei mit einem Baubeginn nicht vor 2032 zu rechnen, teilte Hessen Mobil der Stadt Karben im März mit. „Das sind mindestens fünf Jahre zu viel“ kommentierte Bürgermeister Guido Rahn.
Wo wie viele Radler radeln
Wie viel Radverkehr auf den geplanten Wegen zu erwarten ist, kann man jetzt schon abschätzen. Unter diversen Wetterauer Radwegen liegen Induktionsschleifen, die die Verkehrsmenge per Funk an eine Zentrale melden. Die Daten können auf dem Portal raddaten-hessen.de abgerufen werden.
Auf dem von Pendlern genutzten Radweg zwischen Petterweil und Bad Vilbel ist zum Beispiel neben dem Eckardsgraben eine automatische Zählstelle installiert. Sie meldete seit Jahresbeginn täglich im Durchschnitt 91 Radler. Auf den Radspuren entlang der Frankfurter Straße zwischen Biwer-Kreisel und dem Vilbeler Heilsberg sind bergab täglich 148 Radler unterwegs, bergauf sogar 176.