Projekt Guarayos

Hilfe für Kindern in Boliovien

Von Elfriede Maresch

Die Büdinger Kinderärztin Dr. Ute Glock hat in einer abgelegenen Gegend in Bolivien das medizinisch-pädagogische „Projekt Guarayos – Kindern eine Zukunft geben“ aufgebaut.

Ärztin aus Leidenschaft

Dr. Ute Glock

Der Ruhestand bekam Ute Glock gar nicht gut. 15 Jahre hatte sie in Büdingen ihre Praxis geführt, dann kinder- und jugendärztliche Aufgaben beim Wetteraukreis ausgefüllt und Familienarbeit für Mann und zwei Kinder geleistet. „Von heute auf morgen fühlte ich mich aus meinen Strukturen herauskatapultiert, in einer grenzenlosen Leere ohne Ziel“ erinnert sie sich. Vor allem vermisste sie ein Lebensthema, das sie von Kind auf fasziniert hatte: die Medizin. Damals war nicht abzusehen, dass sie in den nächsten 20 Ruhestandsjahren ein anspruchsvolles medizinisch-pädagogisches System in einem Entwicklungsland aufbauen würde: das „Projekt Guarayos – Kindern eine Zukunft geben“.

Ute Glocks Vater war Chirurg, was die kleine Tochter faszinierte: „Gebannt schaute ich bei der Versorgung von Wunden zu, Blut schockte mich nicht!“ Nur der Wunsch des kleinen Mädchens, „mal in einen offenen Bauch zu schauen“, blieb ihr versagt – bis zu ihrem Medizinstudium. Dann entschied sie sich für die Spezialisierung in Kinder- und Jugendmedizin: „Nach der Facharztausbildung in Gelsenkirchen stand für mich fest, in meiner hessischen Heimat eine eigene Praxis zu gründen.“

So viel Jahre Berufserfahrung – und nun Ruhestands-Leere? 2002 kam Ute Glock über eine Franziskanerniederlassung in Großkrotzenburg in Kontakt mit Schwester Letitia Pallhuber, einer Missionsschwester auf Heimaturlaub. Mit anderen Tertiarschwestern des Franziskanerordens in einer abgelegenen ländlichen Region der Provinz Santa Cruz/Bolivien eingesetzt, hatte Schwester Letitia die katastrophal schlechte medizinische Versorgung der ärmeren Bevölkerung erkannt und mit Hilfe ihrer Mitschwestern und dem Heimatkloster in Hall/Tirol ein kleines Krankenhaus im Ort Guayaros aufgebaut.

Ein weit reichendes Hilfenetz: Dr. Ute Glock und eine der Schwestern bei einer dörflichen Familie

Krankheit, Not, Armut

Schwester Letitias Berichte drehten sich um Krankheit, Not, Armut der Bevölkerung. Die Haltung der Schwestern wurde deutlich, der franziskanische Geist, mit dem sie es fertigbrachten, auch die Behandlung bitterarmer Menschen „irgendwie“ zu finanzieren. „Tuns amol kommen“ lud sie die tief beeindruckte Ute Glock in ihrem Tiroler Dialekt nach Bolivien ein.

Einige Zeit später landete die Ruheständlerin tatsächlich in der ostbolivianischen Metropole La Paz de la Sierra und machte sich auf den umständlichen Weg nach Ascensión de Guarayos. „Ich kam in eine andere Welt!“ erinnert sie sich, „der tropische Naturraum berührte mich mit seinen Pflanzen, Tieren, Klängen. Ich lernte Menschen kennen, die trotz bitterer Armut herzlich lachen konnten und ihre Not in Würde und Demut aushielten.“ Aber: „Dann fielen mir die ersten unterernährten Kleinkinder auf – mit großen Augen, traurigem Blick, greisenhaft schmalen Lippen, für ihr Alter viel zu klein und leicht. Ihr Entwicklung war verzögert, sie hätten längst laufen müssen, kamen aber nicht auf die Beine.“

Lösungen für dieses Problem wurde zum Herzensthema Ute Glocks. Schrittweise, in guter Zusammenarbeit mit den österreichischen und bolivianischen Nonnen baute sie das Ernährungszentrum Santa Clara auf, entwickelt in Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisation Plan International ein Konzept, viele zu erreichen. Im Zentrum und mit regelmäßigen ambulanten Besuchen einer Schwester in abgelegenen Dörfern werden auffällige Kinder kontinuierlich beobachtet, bei Akutbedarf auch auf der Kinderstation des Krankenhauses aufgenommen.

Zu anderen Kindern dazu gehören: eine Schwester stützt einen schwer behinderten Jungen
Gesunde Ernährung im Zentrum

Vor allem aber werden die Mütter über gesunde Ernährung unterrichtet, bekommen Sojabohnen aus einer jährlichen Spende der Hilfsorganisation Soja y Vida und erproben deren Verarbeitung. Denn die Ernährung der Säuglinge nach dem Abstillen ist nicht altersgerecht, zu wässrig, das entwicklungsnotwendige Eiweiß fehlt. Sojamilch schließt diese Lücke. Die Schwestern haben sich schon lange das Vertrauen der Bevölkerung erarbeitet. Das bewährt sich, viele Mütter kommen, die Kleinkinder gedeihen nach der Ernährungsumstellung besser, entwickeln sich altersgerecht.

Bei den Dorfbesuchen fielen behinderte Kinder ohne jede Förderung auf – Beginn eines Lebens in Einsamkeit und Isolation. Beim Aufbau eines Frühförderzentrums konnte Ute Glock auf ihre kinderärztlichen Erfahrungen in Hessen zurückgreifen. Schrittweise entstand das Frühförderzentrum, benannt ƬAU 1 nach dem Friedenszeichen der franziskanischen Familie. Dort werden die Kinder in Grob- und Feinmotorik, in Wahrnehmung und Sprache gefördert. Jungen und Mädchen mit Lernbehinderung, die keinen Platz in der Regelschule finden, werden im sonderpädagogischen Zentrum ƬAU 2, einer staatlich anerkannten Sonderschule für Lernhilfe, unterrichtet und individuell gefördert.

Raue Wege: nach einem Tag im Außendienst wissen Schwestern und Mitarbeiterinnen, was sie geleistet haben

Das Projekt Guarayos ist in Trägerschaft der Tertiarschwestern des Heiligen Franz seit 2013 vom Franziskanerorden anerkannt und wird im Sinne von Mischfinanzierung unterstützt. Bewegt sagt Ute Glock: „Alles ging nur mit vielen Mithelfenden und Spendern, auch in Büdingen – ihnen habe ich zu danken!“. Die Ärztin, inzwischen 84 Jahre alt, flog im Oktober zum 21. Mal nach Guarayos. Zwar erschöpft, aber mit Freude über das, was aufgebaut werden konnte, ist sie zurückgekommen.

Spenden werden dankbar entgegengenommen. Bankverbindung: Franziskaner helfen, Sparkasse Köln Bonn, I-BAN DE 83 3705 0198 0025 0014 47, Stichwort: Projekt Guarayos.

Mehr Infos gibt es auf www.projekt-guarayos.org

Titelbild: Die Stärken fördern: Open Air- Unterricht in der Schule für lernbehinderte Kinder

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