Verflochtene Welten
Von Klaus Nissen
Was können wir von Pilzen lernen? Eine ganze Menge, meinen die Kuratoren der neuen Ausstellung im Sinclair-Haus in Bad Homburg. Zum Beispiel, dass nichts für sich alleine existieren kann. Bis 9. Februar 2025 lernen Besucher, wie clevere Pilze Insekten für sich arbeiten lassen. Wie sie kommunizieren und was man aus ihnen machen kann.Pilze überall
Ungefähr drei Millionen Pilzarten leben auf unserem Planeten – wissenschaftlich beschrieben sind aber „nur“ etwa 120 000 Arten. Pilze sind Meister im Netzwerken und können Erstaunliches, erfahren wir im Ausstellungshaus der Fresenius-Stiftung Kunst und Natur gegenüber der Erlöserkirche am Bad Homburger Schloss.
Nach der 2024er-Ausstellung über Wälder zoomen die Kuratoren auf den Waldboden und in ihn hinein. Die Ausstellung zeigt Fotos, Malerei, Videoarbeiten und Skulpturen von Künstlerinnen und Künstlern, die sich mit Pilzen beschäftigt haben.
Wer aufmerksam ist, findet schon in der Garderobe des Sinclair-Hauses an der Löwengasse kleine Weiße Pilze an der Wand. Im ersten Ausstellungsraum dann ein fragiles Gebilde: Anne Carnein hat das unterirdische Myzelgewebe eines Pilzes mit anderen aus Stoff, Draht und Garn nachgebaut
Nebenan ist ein 62 Sekunden langes Video zu sehen. Patrick Hickey filmte, wie ein Fliegenpilz Sporen in seine Umgebung schleudert. Auch von Verwandten des Fliegenpilzes kommen dreißig bis vierzig Pilzsporen mit jedem Atemzug in unsere Körper, heißt es in der Erläuterung.
Sie jagen Würmer, unterjochen Ameisen
Ein anderes Video lässt einen pinkfarbenen Austerpilz Technomusik spielen: Der Künstler MycoLyco verdrahtete Pilze mit technischen Geräten, um die elektrische Spannung ihrer Zellen in Töne zu übersetzen.
Wie zwei Pilzarten auf die Jagd nach Insekten gehen, zeigt ein dreiköpfiges Team. Demnach erlegen sie Nematoden, winzige Bodenwürmer. Die Pilze bilden klebrige Myzelteile aus. Oder Schlingen, die als Fallen funktionieren. Sobald eine Nematode hindurch kriecht, zieht der Pilz die Schlinge zu. Und verspeist das Tier.
Noch etwas gruseliger ist das Foto des Zombi-Pilzes Ophiocordyceps unilateralis, der sich Rossameisen untertan macht. Er zwingt das auf dem Boden lebende Insekt dazu, ein Blatt zu erklimmen. Dort muss es sich an festbeißen. Aus dem Körper der Ameise wächst dann der Fruchtkörper des Pilzes wie an einer Angel. Wenn die daran wachsenden Sporen platzen, fliegen sie umher und infizieren weitere Ameisen.
Sie leben auch in Achselhöhlen
Allerdings sind Menschen auch nicht zimperlich, was die Instrumentalisierung der Pilze angeht. Aus Pilzgewebe lassen sich Bausteine herstellen. Leckere Tellergerichte. Und Arzneien. Selin Balci hat Menschen fotografiert und das jeweilige Polaroid mit den Schimmelpilzsporen aus dem Achselhöhlen-Abstrich des Fotografierten behandelt. Nach einer Weile in der Nährlösung zeigt jedes Foto schwarze Flecken mit ganz eigener Struktur. Nichts ist genau wie das andere.
Recht witzig sind dann noch die in einem Setzkasten arrangierten Familienfotos von Jana Paleckova: Sie hat die Köpfe der Menschen mit den Hüten von Schwindlingen, Blätter- und Röhrenpilzen ersetzt. Jeder Pilz ein Individuum mit Verwandtschaft.
Pilze -Verflochtene Welten, Museum Sinclair-Haus an der Löwengasse 15 in Bad Homburg. Öffnungszeiten Dienstag bis Freitag 14-19 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertage, 10-18 Uhr. Eintritt sechs Euro.
Vielleicht sollte ich mal wo anderes als im Wald Pilze suchen,
dann wäre ich eventuell erfolgreicher.😂