Pardon

Teuflische Jahre

Von Bruno Rieb

Kaum hat der damalige US-Präsident John F. Kennedy 1963 medienwirksam verkündet: „Ich bin ein Berliner“, da kontert die Satirezeitschrift „Pardon“ mit einem Kreppel, der in einer Sprechblase klar stellt: „Ich bin ein Berliner“. 20 Jahre lang, von 1962 bis 1982, mischte „Pardon“ die Republik auf. Ihr Markenzeichen war ein Teufelchen, das seine Melone lüpft und dabei seine Hörner offenbart. Das Frankfurter Karikaturen-Museum zeigt bis zum 19. März 2023 die Jubiläumsausstellung „Teuflische Jahre“.

Gegen Staat, Kirche und Prüderie

Seine Hochzeit erlebte das Satireblatt mit dem Aufbegehren der Jugend Ende der 1960er Jahre. „Pardon“ war ihr Sprachrohr gegen Staat und Kirche, Prüderie und Doppelmoral. Die Verleger Hans A. Nikel und Erich Bärmeier hatten eine illustre Gruppe begnadeter Zeichner und Schreiber um sich geschart, die die herrschenden Verhältnisse mit beißendem Spott übergossen: Karl Halbritter, Clodwig Poth, F.W. Bernstein, Robert Gernhardt, Gerhard Kromschröder, Loriot, Günter Wallraff, Otto Waalkes und viele, viele mehr.

Mit bissigen Texten, Karikaturen und Fotomontagen prangerten sie Prüderie und Doppelmoral an, gerne auch mit barbusigen Damen auf dem Titelbild. Gleich die erste Ausgabe 1962 wurde im Raum Köln beschlagnahmt. Katholische Sittenwächter glaubten, sie sei „schwer jugendgefährdend“. Jede Zensur gegen das respektlose Blatt ließ es populärer werden. Die Auflage stieg auf über 300.000.

Blanker Busen gerne gesehen

Pardon wurde bis auf ganz wenige Ausnahmen von Männern gemacht und die Leserschaft waren hauptsächlich junge Männer. Zu den wenigen Ausnahmen in der Redaktion gehörte ausgerechnet die spätere Vorzeige-Feministin Alice Schwarzer, die 1969 zum Blatt stieß. Ein entscheidendes Kriterium bei der Auswahl der Titelbilder mit den halbnackten Mädchen seien die Brustwarzen gewesen. „Die mussten zu sehen sein“, erinnert sie sich.

Ihr Kollege Paul Taussig, der 1968 von der Satirezeitschrift „Rohac“ in Bratislava nach Frankfurt gekommen war, fand das gut: „Die sozialistische Satire war prüde. Frauen wurden dort nur als Traktoristinnen oder Lehrerinnen geduldet, selbst als Klassenfeinde kamen sie nicht vor. Im kapitalistischen Westen hingegen ergänzten sie optisch die Texte in fotografierter Form. Ihr Beruf wurde nicht erwähnt, sie mussten nur gut aussehen und womöglich sparsam gekleidet sein. Das war für mich ein völlig neuer und sehr interessanter Aspekt.“

Ernst Volland, der Anfang der 1970er Jahre einige Karikaturen in „Pardon“ veröffentlichte, erinnert sich, wie er als Jugendlicher Ärger wegen der Zeitschrift mit seinen Eltern bekam. Das Titelbild zeigte Che Guevara plus nackter Dame, die ihre Brüste mit Bömbchen verdeckte. „Es war nicht Che, es war die Nacktheit, die empörte. Das Heft wurde vor meinen Augen zerrissen.“

Lieblingsfeind Franz Josef Strauß

Das Titelbild der Juli-Ausgabe 1972 zeigt Ulrike Meinhof mit Bombe und Franz Josef Strauß. „Auf weitere gute Zusammenarbeit“ ist die Schlagzeile. Tenor der Titelgeschichte: Strauß sei Nutznießer des Bombenterrors der RAF. Prompt erwirkte Strauß eine einstweilige Verfügung gegen die Titelgeschichte und versicherte in einer eidesstattlichen Erklärung, er sei nie Mitglied der RAF gewesen. Die Pardon-Redaktion lachte sich ins Fäustchen. Schöner konnte die Reaktion des Erzfeindes gar nicht sein. Sie druckte das Schreiben von dessen Anwälten ab.

Alles das und vieles mehr erfährt man in der Ausstellung im Frankfurter Karikaturen-Museum. Sämtliche Titelbilder sind hier großformatig ausgestellt. Und es ist zu sehen, wie Zeichungen, Titelfotos und Texte entstanden sind. Man kann der Redaktion quasi bei ihrer Arbeit über die Schultern schauen.

„Teuflische“ Jahre ist ein Lichtblick in diesen trüben Zeiten, in denen Rechtsextreme Aufwind haben und der Militarismus Blüten treibt. Das Titelbild der März-Ausgabe 1969 zeigt demonstrierende Soldaten mit der Schlagzeile: „Soldaten wollt ihr ewig kuschen?“. Einer hält ein Schild hoch auf dem steht: „Die Spieße werden immer frecher, brecht die Macht der Knobelbecher!“ Auf dem Foto sind auch zwei Frauen zu sehen. Ungewöhnlich für Pardon: Beide sind vollständig bekleidet. Paul Taussig erzählt, wie es dazu kam. Eigentlich sollte die eine der beiden ohne oben auftreten. Doch als das Modell seinen Oberkörper frei machte geschah Folgendes: „Nach einem Moment der Stille ertönte ein enttäuschtes Stöhnen aller Anwesenden: Der Busen des Mädchens entsprach nicht unseren Vorstellungen, er war zu üppig, was zur Folge hatte, dass er der Anziehungskraft der Erde unterlag. Die Arbeit wurde unterbrochen. Man versuchte, ihre Haut auf dem Rücken mit Klebestreifen nach unten zu ziehen, um den Busen nach oben zu rücken.“ Das half alles nicht. Schließlich wurde das Modell „in eine kleine Lederjacke unseres Layouters gepresst, in der man die Brüste eher erahnen als sehen konnte“, so Taussig. Die andere Dame auf dem Foto ist die Redaktionsassistentin, den von vorne herein klargestellt hatte, dass sie sich nur bekleidet ablichten lässt.

Die Ausstellung „Teuflische Jahre“ ist bis zum 19. März 2023 im Caricatura Museum, Weckmarkt 17, in Frankfurt (Main) zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Mittwoch bis Sonntag 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 8 Euro, ermäßigt 4 Euro.

Wer nicht zur Ausstellung kommen kann, kann sich im Buchhandel den Ausstellungskatalog besorgen, in dem auf über 200 Seiten alle Titelbilder und zahlreiche Auszüge aus der Satirezeitschrift zu sehen sind. Dazu gibt es die Erinnerung einiger Radakteure an ihre Zeit bei Pardon, darunter Alice Schwarzer, Günter Wallraff und Otto Waalkes.

„Teuflische Jahre – pardon – Die deutsche satirische Monatsschrift 1962-1982“, herausgegeben von Gerhard Kromschröder und Till Kaposty-Bliss, 228 Seiten, Format 30 x 21 Zentimeter, ISBN 978-3-96849-068-7, 25 Euro.

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