Im Griff der großen Gefühle
Wenn jemand so unauffällig heißt und aussieht, gleichzeitig aber so berührt wie der Kabarettist Michl Müller im Kurtheater Bad Homburg: Dann geht der Vergleich mit Shakespeare klar. „Müller … nicht Shakespeare“ lautet die Devise.
Kreischen vor Lachen
Erwartungsvoll sitzen die Zuhörer im Kurtheater Bad Homburg, als Michl Müller die Bühne stürmt. Und im Sturm gewinnt der Franke auch die Gunst des Publikums, das binnen weniger Minuten bereits vor Lachen kreischt. Müller ist zu Beginn noch politisch, vergleicht beispielsweise die Wahlergebnisse der SPD mit dem Prozentgehalt von Eierlikör – der zumindest Eier habe. Der Künstler bezieht auch Meldungen der Unterhaltungssparte ein, etwa die Trennung des Ehepaars Gottschalk. Warum nach so vielen Jahren die Frau austauschen? Doch alte Autos wechsle man ja ebenfalls aus und schiebt sie nicht weiter vor sich her. Das ist kritisch, womit an dieser Stelle die Richtung klar ist: Bei Müllers Darbietung geht es um die große Liebe, die Devise lautet: „Müller … nicht Shakespeare“. Roter Faden ist denn auch Shakespeares Bühnenwerk „Romeo und Julia“. Der Held will eine Reise nach Verona unternehmen, um dieser Geschichte nachzuspüren. Au weh.
Stimmungskanone Michl Müller
Faszinierend ist, wie stark Müller die Herzen berührt. Er unterhält nicht nur, indem er die Menschen mit Gags zum Lachen bringt. Vielmehr gelingt es ihm, Romantik und Gefühle auf die Bühne zu bringen. Etwa, wenn er singt und tanzt. Vor jedem Song bezieht er sich auf Ed Sheeran, den er angeblich interpretiert. Was nicht wirklich der Fall ist, vielmehr könnte man sich Müller in diesem Moment im Festzelt vorstellen, wo er die Stimmung in die Höhe treibt.
Frisch – oder nicht?
Fast mühelos wirkt sein Auftritt, tatsächlich dürfte Schwerarbeit dahinter stecken. Denn inklusive einer Pause rackert sich Müller drei Stunden auf der Bühne ab – wird dabei aber nicht müde oder fängt gar zu schwitzen an. Bloß nach der Pause ahnt man, dass es vielleicht anders ist, als er im frischen T-Shirt auf die Bühne tritt. Geschieht ihm aber recht: Teilte er doch anfangs die Zuschauer in solche mit frischer und solche mit alter Unterwäsche ein. Denn daran könne er erkennen, wer sich freudig auf das Ereignis vorbereitet hat und wer nicht.
Michl Müller ist authentisch
Ja, auch Meister wollen positive Rückmeldung, allemal, wenn sie wie Müller ein so rundes, ganzheitliches Konzept anbieten. Für die Zuschauer bedeutet dieses Konzept: Lachen, Lachen, lachen – aber auch Mitwippen und Emotionen spüren. Der Künstler ist authentisch, vieles kann man nachempfinden. Etwa, wenn er die männliche Gefühlswelt spiegelt. Tja. „Wo Worte selten sind, so haben sie Gewicht!“
Shakespeare gibt Senf dazu
Übrigens ist dies ein Zitat von Shakespeare, der als Totenkopf auf der Bühne hin und wieder seinen Senf dazu gibt. Ach ja: Zu den Running Gags gehört auch bei Müller, sich zu Beginn ein „Opfer“ im Publikum auszusuchen, das er den ganzen Abend über nennt. Doch Klaus aus Rosbach hatte sicher genauso viel Spaß wie alle anderen.