Michelangelo

Kassis und der geniale Künstler

von Jörg-Peter Schmidt

Wenn der Theologe und Historiker François Kassis (Limburg) übermichelangelo bedeutende Persönlichkeiten der Renaissance berichtet, herrscht stets eine besondere, angenehme Vortrags-Atmosphäre: Die Zuhörer und der viele Zwischenfragen beantwortende Referent diskutieren – vom historischen Geschehen fasziniert – immer wieder lebhaft fachlich miteinander. So war es auch diesmal in der Phantastischen Bibliothek Wetzlar. Kassis, der an der Kunstakademie in Perugia (Umbrien)  studiert hat, schilderte Leben und Wirken eines der bedeutendsten Künstler aller Zeiten: Michelangelo Buonarroti (1475 – 1564).

Einzigartige Schönheit

Bei den rund 40 Besuchern, die der Einladung der Volkshochschule Wetzlar (VHS) gefolgt waren, dürfte die Achtung vor der Leistung Michelangelos noch mehr gestiegen sein, als sie sich in aller Ruhe die Lichtbilder beispielsweise der in Marmor gemeißelten Pietà betrachteten, die sich im Petersdom befindet und von einzigartiger Schönheit ist: Das Gesicht Marias, die Jesus nach seiner Kreuzigung in den Armen hält, drückt gefühlvoll die Liebe zu ihrem Sohn aus, dessen von den Qualen gezeichneter Körper ebenfalls lebensnah dargestellt ist.

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François Kassis verdeutlichte die Genialität Michelangelos. (Foto: Jörg-Peter Schmidt)

Am Beispiel dieser um 1500 entstandenen Statue verdeutlichte der Dozent für Italienisch an der VHS Limburg, wie extrem schwierig die Kunst der Bildhauerei ist: Michelangelo musste streng darauf achten, dass auch winzigste Stücke der entstehenden Marmorskulptur nicht abbröckeln, da sonst die gesamte Arbeit vergeblich war und das noch unvollendete Werk wertlos wurde. Um so größer ist deshalb seine Leistung zu bewerten, als er zwischen 1501 und 1504 in Florenz seine berühmte rund fünf Meter hohe, sechs Tonnen schwere David-Skulptur aus einem einzigen Marmorblock schuf. Und sein gewaltiges Grabmonument für Papst Julius II. (mit Moses) in der Kirche San Pietro in Vincoli in Rom wird von Menschen aus aller Welt bewundert.

Ein streitbarer Künstler

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Die David-Skulptur.

Was hatte er für einen Charakter? Kassis: „Dieser Bildbauer, Maler und Architekt liebte und schätzte die Menschen, war aber auch streitbar, zumal ein harter Konkurrenzkampf mit anderen Künstlern wie dem von ihm gehassten Donato Bramante vorherrschte.“ Näher ging der Referent auch auf die legendäre Hassliebe zwischen Michelangelo und Papst Julius II. ein, der seinen „Schützling“ oft mit Versprechungen wie einer anständigen Entlohnung hinhielt, ihn öffentlich demütigte und ihm dennoch besondere Aufträge wie die Ausmalung der Sixtinischen Kapelle gab. Julius II. stellte sich dabei lediglich die zwölf Apostel vor; Michelangelo hielt sich keineswegs daran und gestaltete dutzendweise unter Strapazen mit körperlichen Verrenkungen – auf dem Rücken mit dem Gesicht nach oben liegend – die berühmten biblischen Szenen.

Wie der Historiker unterstrich, war Buonarroti so genial, dass ihm sogar eine Fälschung Respekt brachte: Er färbte eine Statue und behauptete, dies sei eine Originalarbeit aus der Antike. Ihm auf den Leim ging der Kardinal von San Giorgio, Raffaele Riario, der zudem fürstlich bezahlte. Der Schwindel flog auf. Aber der Kardinal war von Michelangelos Begabung so begeistert, dass er ihm verzieh und den Auftrag für einen Bacchus erteilte.

Über zwei Stunden dauerte der Vortrag, der so interessant war, dass die Zeit wie im Flug verstrich. Suzanne Cameron-Keller (VHS), die zu Beginn François Kassis vorgestellt hatte, konnte eine positive Resonanz der Veranstaltung ziehen, die die Genialität Michelangelos – auch wenn er nach Meinung von Experten nicht immer superperfekt arbeitete – eindrucksvoll verdeutlichte.

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