Martin Luther

Seine Spuren in Friedberg

Von Corinna WillführLB-Luther-Hoerl

Das „freie Geleit“ war Martin Luther zugesichert, als er sich im Frühjahr 1521 von Wittenberg nach Worms begab. Er erhielt es auch auf dem Rückweg zur Wartburg, wenn auch als Geächteter. Hatte der Reformator schon auf dem Reichstag seine Thesen nicht widerrufen, erneuerte er das Festhalten an diesen noch einmal schriftlich in zwei in Friedberg abgefassten Briefen. In der heutigen Kreisstadt des Wetteraukreises – einer Station auf dem Lutherweg in Hesen – finden sich noch weitere „Erinnerungen“ an den Kirchenerneuerer.

Zwei Briefe aus Friedberg

Der 28. April des Jahres 1521 ist ein Sonntag, der Vierte nach Ostern. Am Morgen ist Dr. Martin Luther von Frankfurt nach Friedberg aufgebrochen. Der Reformator ist auf dem Rückweg vom Reichstag in Worms, wo er seine am 31. Oktober 1917 zu Wittenberg angebrachten Thesen widerrufen sollte. Die Nacht wird er im Haus „Zum Grünberg“ in der Kaiserstraße 32 in Friedberg verbringen. Wird zwei Briefe schreiben: den einen in lateinischer Sprache an den Kaiser, den anderen in Deutsch an die Stände des Reichs. Mit dem Auftrag, beide an die Adressaten zu überbringen, wird Luther den Reichsherold Caspar Sturm entlassen. Den Mann, der im Auftrag Karls V. für sein freies Geleit auf seinem Weg von Wittenberg nach Worms und zurück sorgen sollte.

Ein Eintrag in der „Moltherschen Chronik“

Die älteste sichere Quelle, die den Aufenthalt des Reformators in Friedberg dokumentiert, ist die – nur in Bruchstücken erhaltene – „Molthersche Chronik“, so Lutz Schneider, Leiter des Stadtarchivs Friedberg. Verfasst wurde sie von dem Mediziner und Stadtrat Jermias Molther. Sie dokumentiert die Stadtgeschichte von 1257 bis 1634. In ihr der kurze Eintrag für den 28. April 1521: „Lutherus hat allhie zu Friedberg zum Grünberg in Niclas Fildii Behausung noctiert.“ Ein Ereignis, an das heute eine Schrifttafel an dem Gebäude in der Kaiserstraße 32 (über den Schaufenstern eines Bettengeschäfts) erinnert.
Diplom-Bibliothekarin Walburga Glinka-Rack hat aus dem im Bibliothekszentrum Klosterbau untergebrachten Stadtarchiv die „Zwei Briefe Luthers – im Jahre 1521 zu Friedberg geschrieben“ hervorgeholt. Rund zwei Dutzend Seiten, gezeichnet von Stockflecken, umfasst die Dokumentation der anlässlich der „Jahresversammlung des Großherzoglichen Hauptvereins der Gustav-Adolf-Stiftung im Jahre 1847“ erschienene Veröffentlichung mit einem Vorwort und einer Einleitung, herausgegeben von Dr. Ludwig Matthias. Matthias war evangelischer Pfarrer in Fauerbach, einem heutigen Stadtteil von Friedberg. Im Fundus des Stadtarchivs befindet sich auch ein Beitrag von Ferdinand Dreher in einer Ausgabe der Friedberger Geschichtsblätter über das „Bindernagel’sche Schwert – Eine Erinnerung an Luther und den Reichsherold Kaspar Sturm“ im Friedberger Museum (Heft II aus dem Jahr 1910).

Begehrte Leihgabe: das sogenannte Lutherschwert
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Eine begehrte Leihgabe aus dem Wetterau-Museum: das dem Reichsherold Kaspar Sturm zugeschriebene „Lutherschwert“. (Fotos: Willführ)

Kaspar Sturm, geboren um 1475 in Oppenheim, war seit seiner Ernennung durch Kaiser Karl V. am 27. Oktober 1720 „Ehrenhold des Reiches“. Als solcher sorgte er für Luthers sicheres Geleit zum Reichstag in Worms – und sollte dieses auch -bei dessen Rückkehr bis nach Wittenberg gewährleisten. Allein: Ab Friedberg verzichtete Luther auf dessen Dienste und sandte den Reichsherold mit seinen Botschaften an Karl V. und die Reichsstände zurück nach Worms. Indes: Das Kaspar Sturm zugeschriebene „Lutherschwert“ soll in Friedberg zurück geblieben sein. Zu sehen heute in einer Vitrine des Wetterau-Museums. Ein Schwert mit einer ganz besonderen Geschichte. „Selbst wenn“, so Johannes Kögler, Leiter des Wetterau-Museums, erklärt, „dass das Schwert, das hier ausgestellt ist, nach neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen erst in der zweiten Hälfte beziehungsweise Ende des 16. Jahrhunderts entstanden ist.“
An der einzigartigen Geschichte des Exponats ändert dies nichts. So ist der „Der Bidenhänder mit verzierter Parierstange“ nach dem Tod Kaspar Sturms in das Eigentum seines Sohnes Philipp Jakob übergegangen, einen in Friedberg ansässigen Apotheker. Noch bis ins 18. Jahrhundert verlieh ihm und seinen Nachkommen der Besitz der Waffe die Freiheit von Frondiensten. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Schwert von dem Friedberger Buchhändler C. Bindernagel erworben. Sein Anliegen: Es dauerhaft in der Stadt zu behalten, gab es doch im 20. Jahrhundert aus England wie Amerika Interessenten, die das „Lutherschwert“ ihr eigen nennen wollten. Seine Nachfahren übergaben es zunächst als Leihgabe an das Wetterau-Museum. „Seit dem Jahr 1974“ gehört es zu dessen festem Bestand – und ist ein von anderen Museen öfters zur Ausleihe angefragtes Zeitdokument. So war das „Lutherschwert“ zuletzt außerhalb Friedbergs als Leihgabe in der Ausstellung „Ritter! Tod! Teufel! – Franz von Sickingen und die Reformation“ 2015 in Mainz zu bewundern, wie Johannes Kögler berichtet. Unnbestritten bleibt: Kaspar Sturm, der den Beinamen „Teutschland“ trug und sich schon vor seinem Auftrag, Luther zu begleiten, mit der Kurie überworfen hatte, war mit diesem am 28. April 1521 in Friedberg.

Das „Lutherfenster“ in der Stadtkirche
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Das Luther-Fenster in der Friedberger stadtkirche.

Nicht so Justus Jonas aus Nordhausen und Philipp Melanchthon, Johannes Bugenhagen und Kaspar Cruciger – und doch sind die Wegbegleiter und Freunde Luthers mit diesem in der Wetteraustadt vereint. Und zwar auf dem „Lutherfenster“ von Otto Linnemann. Es ist das Zweite Fenster auf der Nordseite der Stadtkirche. Dass es nicht an der Südseite zu finden ist, hat mit seiner Geschichte zu tun. Wurden doch die Kosten für das in 1918 fertig gestellte Fenster durch Spenden von 146 hessen-darmstädtischen Pfarrern aufgebracht. So befindet es sich heute auf der Nordseite, „näher dem Predigerseminar, dem die Spender verbunden waren“, wie Wilfried Schaum in der Publikation „Kirchenfenster erzählen die Bibel“ schreibt. Das Fenster zeigt in der Mitte den Reformator mit einer aufgeschlagenen Heiligen Schrift, zu seiner Rechten Jonas und Melanchthon, zur Linken Bugenhagen und Cruciger. Sie alle stehen über einem Schriftzug, in dem es heißt: „Gottes Wort soll obschweben“, einem Zitat aus Luthers „Rechtfertigungsschreiben“ an die Reichsfürsten.

„Das newe Testament in Deutzsch“
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Burkhard Steiner mit einem Faksimile-Druck des „Wormers Edikt“ aus dem Jahr 1922.

Zur letzten Station auf den Spuren Luthers in Friedberg. Sie befindet sich in einem Privathaus. Burkhard Steinhauer steht vor einer Vitrine, die mehrere Dutzend Bücher zum Leben und Wirken des Reformators enthält. Darunter das „Newe Testament in Deutzsch“ mit Illustrationen von Lucas Cranach, dem Älteren, in einer Reproduktion mit Goldschnitt. Im Original besitzt der Friedberger Kaufmann im Ruhestand die erste Nachricht vom Tod Luthers. Verfasst von Erasmus Alberus am 18. Februar 1546, dem Sterbetag des Reformators.
„Erasmus Alberus, ein Freund und Vertrauter Luthers, war an diesem Tag zufällig im Haus Luthers in Wittenberg“, sagt Burkhard Steinhauer. Luther indes sei niemals im Domizil von Erasmus Alberus gewesen. Obgleich dieses wie das Haus „Zum Grünberg“ ebenfalls in der Friedberger Kaiserstraße ist – und seit Generationen der Familie Steinhauer gehört. „Ich war der Erste in der Familie, der sich für die Geschichte von Erasmus Alberus interessiert hat. Über ihn bin ich zu meiner Beschäftigung mit Luther gekommen“, berichtet der 67jährige.
Eine Beschäftigung, die sich auch in Steinhauers Sammelleidenschaft ausdrückt: der Vierteltaler, Silber, aus dem Jahr 1617, die Medaille zum Luther-Jahr 1983 aus der ehemaligen DDR oder eine der Luther-Skulpturen von Ottmar Hörl, aufgestellt auf dem Marktplatz zu Wittenberg im Jahre 2010. Burkhard Steinhauer möchte zum Jubiläum „500 Jahre Reformation“ in 2017 ausgewählte Objekte aus seinem Fundus präsentieren. Das ein oder andere wird sicher in der Sonderausstellung im Wetterau-Museum zu sehen sein, die dieses in Kooperation mit dem Dekanat Friedberg West veranstalten wird. „Die Vorbereitungen“, so Johannes Kögler, „laufen bereits.“

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