Auswahl macht neugierig
von Jörg-Peter Schmidt
Auf die kommenden Veranstaltungen des Literarischen Zentrums Gießen (LZG) darf man neugierig sein. Denn der erste Teil des Jahresprogramms (vom 20. Januar bis zum 26. April 2023) ist durch Lesungen von Autorinnen und Autoren geprägt, deren spannende, hintergründige, auch sozialkritische Texte sich durch Besonderheiten auszeichnen.Roman beschreibt ungewöhnliche Trauer
Was die sicherlich wieder zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer erwartet, war in einer Pressekonferenz des LZG mit den beiden Geschäftsführerinnen Dr. Anika Binsch und Hannah Brahm sowie dem Vorsitzenden Prof. Dr. Sascha Feuchert im Restaurant „Klein & Fein“ in Gießen zu erfahren.

Start ist am Freitag, 20 Januar (18.30 Uhr) im KiZ (Kultur im Zentrum, hinter der Kongresshalle) in Gießen. Die in Marburg lebende Schriftstellerin Stefanie vor Schulte stellt ihren Roman „Schlangen im Garten“ vor. Sie beschreibt, wie eine Familie der verstorbenen Ehefrau bzw. Mutter gedenkt. Die Art, wie um Johanne Mohn getrauert wird, ist aus der Sicht vieler Mitmenschen allerdings so ungewöhnlich, dass das Traueramt vorstellig wird…
Graphic Novel zum Thema Holocaust
Mit dem Thema Holocaust beschäftigt sich die Graphic Novel „Aber ich lebe“ von Barbara Yelin, über die die Künstlerin am Donnerstag, 2. Februar (19 Uhr, Aula im Uni-Hauptgebäude, Ludwigstraße 23) in Gießen spricht: Emmie Arbel überlebte als kleines Mädchen die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen. An die Schrecken in Ravensbrück erinnert sich die heute über 80-Jährige noch sehr genau. Ihre Erinnerungen hat Emmie Arbel Barbara Yelin übermittelt, die sie in Form der Graphic Novel nacherzählt hat.
Erschienen ist diese in dem Buch neben drei weiteren Geschichten von Überlebenden und noch begleitet von dem umfangreichem Hintergrundmaterial über den Holocaust.
Die sogenannten Baseballschläger-Jahre mit verschiedenen Formen von Rassismus und Gewalt vornehmlich in Ostdeutschland in den Nachwendejahren bilden den Hintergrund des Debütomans von Domenico Müllensiefen. Der gebürtige Magdeburger bringt seinen Roman „Aus unseren Feuern“ zur Lesung am Freitag, 10. Februar (19 Uhr, Kulturzentrum „Prototyp“, Georg-Philipp-Gailstr. 5) in Gießen mit: Drei junge Männer macht der Umbruch der Gesellschaft zu machen.
Finnisch-lettische Autorin ist zu Gast
Am Freitag, 24. Februar (20 Uhr, Kleines Haus des Stadttheaters Gießen) ist die finnisch-lettische Schriftstellerin Sofi Oksanen zu Gast. Ihre Erzählung „Hundepark“, die Grundlage für Aufführungen des Gießener Stadttheaters ist, wird von Ensemblemitgliedern des Stadttheaters vorgestellt. „Als Krimi konzipiert erzählt Sofi Oksanen die Geschichte zweier junger Frauen im Donbass, die dort in die Strukturen einer Agentur für Eizellenspenden gelangen – eine Branche, die den gebärfähigen Körper für Geschäfte mit dem Westen zu nutzen weiß“, schrieb die Presseabteilung des Stadttheaters vor der Premiere.
Besondere Form der Menschenverachtung
Am Mittwoch, 1. März (19 Uhr, KiZ in Gießen) liest Steffen Mensching (Intendant am Theater Rudolstadt in Thüringen und Schriftsteller) aus seinem Roman „Hausers Ausflug“. Der Autor beschreibt auf sarkastisch-satirische Art eine fiktive künftige Form der Menschenverachtung bei Abschiebungen: Menschen werden in Kisten verstaut und mit Fallschirmen über ihren jeweiligen Heimatländern abgeworfen.
Schon wenig später, am 9. März (20 Uhr, Mediothek der Clemens-Brentano-Europa-Schule (CBES) in Lollar) erhält man Einblicke in den Roman „Raumfahrer“ von Lukas Rietzschel. Unter anderem geht es um die Intrigen der Stasi. Am 15. März (19 Uhr, Kulturzentrum „Prototyp“ in Gießen) präsentiert Yade Yasemin Önder mit „Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron“ ihr literarisches Debüt. Es geht um eine Frau, die auf der Suche nach ihrer Identität ist.
Beitrag zum Internationalen Tag des Rassismus
Ein Beitrag zum Internationalen Tag des Rassismus ist am Dienstag, 21. März (19 Uhr, Hermann-Levi-Saal im Gießener Rathaus, Berliner Platz 1) Lesung Gespräch mit der Autorin und Literaturwissenschaftlerin Slata Roschal. In „153 Formen des Nichtseins“ geht es um Kseni, die schon als Kind hin- und hergerissen zwischen dem »Russischsein« und dem »Deutschsein« war.
Neuer Lesekreis beschäftigt sich mit Schlink-Roman
Und am Donnerstag, 13. April (19 Uhr, KiZ in Gießen)) gibt es eine Besonderheit: Der neu gegründete »LZG-Lesekreis« trifft sich künftig einmal pro Programmperiode, um in gemütlicher Atmosphäre ein Werk der deutschen Gegenwartsliteratur zu besprechen. Zum Einstieg wird Bernhard Schlinks neuer Roman Die Enkelin gelesen. Wie Anika Binsch, Hannah Brahm und Sascha Feuchert erläuterten, ist diese kostenlose Veranstaltungsreihe allerdings für nur LZG-Mitglieder gedacht. Von daher sei hier eine Anmeldung notwendig.
Die erste Programmreihe des Jahres 2023 wird am Mittwoch, 26. April Ulenspiegel (19 Uhr, Seltersweg 50 in Gießen) mit einer Veranstaltung im Rahmen des Literaturevents Frankfurt liest ein Buch – Gießen liest mit abgeschlossen. Deniz Ohde aus Leipzig (geboren in Frankfurt/Main) stellt ihren Roman „Streulicht“ vor. Sie berichtet darin über Kindheitserinnerungen – unter anderem über die Angst, als Arbeiterkind in der Gesellschaft nicht zu bestehen.
Für Kinder Abenteuer von Spinne Karl-Heinz und Fliege Bisy

Wie immer, ist im Programm des LZG auch eine Veranstaltung für Kinder enthalten. Kai Pannen bringt am Montag, 27. März (15 Uhr, Lahnfenster, Bootshausstraße 8 in Gießen) sein Kinderbuch „Ins Netz gegangen“ mit. Dabei handelt es sich um weiteres Abenteuer von Spinne Karl-Heinz und Fliege Bisy.
Auf die einzelnen Termine wird der „Landbote“ vor den jeweiligen Veranstaltungen noch näher hinweisen. Weitere Infos (beispielsweise über Eintrittspreise) gibt es unter der Adresse lz-giessen.de. Dort erfährt man bereits Details über die Lesungen.
Wo man die Programmhefte erhält
Die gedruckten kostenlosen Programmhefte erhält man beispielsweise in Buchhandlungen, Cafés, Bäckereien, verschiedenen Läden, der Tourist Info und dem Rathaus in Gießen und in der LZG-Geschäftsstelle in Gießen (hinter der Kongresshalle, Südanlage 3). Übrigens dauert ab sofort die jeweilige Programmreihe jetzt vier Monate, unter aus Gründen von Druckkosten.
Titelbild: Von der Graphic Novel, über Romane bis zum Kinderbuch reicht die Auswahl der Bücher, die in der ersten Programmreihe des Jahres vorgestellt werden.