Limes

Im Kettenhemd bis Limeshain

Auf genagelten Ledersohlen, mit Kettenhemd, Kurzschwert und je 30 Kilo Marschgepäck brachen Tommes Rute alias Publius Titius Ampliatus und seine Freunde an der Donau auf. Vom Kastell Abusina bei Regensburg wollten die Legionssoldaten den ganzen Limes inspizieren – mehr als 500 Kilometer, bis Neuwied am Rhein. Doch in der Wetterau mussten sie das Projekt abbrechen. Am Wachtturm bei Rommelhausen bereiteten die Limeshainer der erschöpften Truppe am 21. August 2023 trotzdem einen Riesen-Empfang.

Die Legionspatrouille läuft sich die Füße wund

Zu Acht waren sie Ende Juli aufgebrochen. In römischer Legionärstracht zog die Gruppe am römischen Grenzwall zu Germanien entlang. Tommes Rute, ein 26-jähriger Musikschullehrer aus dem Saarland, hatte 2020 die Idee. Per Facebook fand er weitere Leute, die mit ihm in der Militärkluft des Jahres 200 auf Limespatrouille gehen wollten. Michael Höller zum Beispiel .„Ich habe dafür schon 800 Kilometer trainiert“, sagt der Straßenbauer aus Regensburg. Fünf Wochen seines Urlaubs habe er für den Marsch investiert. „Mich lockte die sportliche Herausforderung.

Erschöpft, glücklich und sicher am Ziel angekommen sind die Limes-Inspekteure (von links Tobias Nettekoven, Michael Höller, Tommes Rute und Nicolas Beißer. Foto: Nissen

Dann kam der Regen. Tommes Rute: „Wenn wir abends ins Contubernium (das römische Mannschaftszelt) krochen, mussten wir erstmal unsere Tuniken auswringen.“ Die Füße bekamen in den nassen Lederschuhen ohne Fußbett schnell Blasen. „Du musst dann einfach weiterlaufen und darfst nicht stehenbleiben“, so Michael Höller. Auch wenn verblüffte Spaziergänger die Patrouille ausfragen wollten, was sie bei Regen und Kälte im Wald treibe. „Jeder Tag war ogreidig (anstrengend)“, meint Höller. „Der Limesweg war auch nicht immer optimal. Manchmal mussten wir uns mit den Schwertern durch meterhohes Gras schlagen.“

„Wir versuchten, das nasse Gras zu meiden“

Tobias Nettekoven war dabei. „Wir versuchten, das nasse Gras zu meiden“, berichtete am Montag der 37-jährige Werbeagentur-Betreiber aus Bonn. Also wichen die Legionäre immer wieder auf den asphaltierten Limes-Radweg aus. Der aber die Füße malträtierte und die Tagesmärsche auf bis zu 35 Kilometer verlängerte.

Ein Tape schützt die Blasen am wunden Fuß des Legionärs. Nicolas Beißer zeigt seine nach römischem Muster gefertigten Marter-Schuhe. Foto: Nissen

Nach zwei Wochen erreichte die Gruppe die Stadt Aalen. Der größte Teil reiste da ab. Nur noch Tommes, Michael und Tobias blieben dabei, legten aber eine Pausenwoche ein. „Als es wieder losging“, so Tommes, „merkte ich, dass sich meine Füße noch nicht genug erholt hatten.“

Bis zum Rhein fahren die Legionäre im Auto

Trotzdem – weiter. Auch bei 30 Grad im Kettenhemd. Bis Limeshain. Dort machte die Truppe Schluss. Es fehlte einfach am Logistik-Personal für den Zeltbau, die Verpflegung, die Kommunikation mit den Eingeborenen und der Internet-Gemeinde (www.limesmarsch2023.de). Am 22. August 2023 Dienstag reiste Tommes Rute allein im Auto noch zum Kastell Echzell. Erst zum Schluss der geplanten Tour am 1. September ist dann die ganze Patrouille am Endpunkt in Rheinbrohl versammelt.

Der in römischen Diensten Germane Cernunnos hält den ovalen Schild der Grenztruppe. Neben ihm der mächtige Vexillarius, Standartenträger der Großkrotzenburger Vindeliker. Foto: Nissen

In Großkrotzenburg verbrachte die Gruppe die vorletzte gemeinsame Nacht. Dort am Main empfing sie die 4. Vindelikerkohorte – eine Reenactmentgruppe aus Frauen und Männern, die immer wieder in antike Gewänder schlüpft. „Wir sind die Betriebskampfgruppe des Kastells Großkrotzenburg. Wir schützen die römische Ziegelei“, sagte Cernunnos am Montag – ein riesenhafter Germane mit Langspieß, Wollhose und Umhang über dem nackten Oberkörper. Auch viele Einheimische gehörten zur gut 30 000-köpfigen Grenztruppe am Limes.

Am letzten Marschtag begleitete der Vindeliker Nicolas Beißer die drei Langläufer persönlich nach Rommelhausen. Und holte sich ebenfalls Blasen. Die anderen Vindeliker kamen direkt zum Empfang an den Rommelhausener Limesturm.

„Attendite“ brillt der Vexillarius, als die Legionäre kommen

„Attendite!“ brüllte einer von ihnen, als am Montag gegen 14 Uhr die Uniformen der vier Legionäre zwischen den Baumstämmen aufblinkten. Da nahmen auch Landrat Ralf Weckler, Bürgermeister Adolf Ludwig und der Kreisarchäologe Jörg Lindenthal Haltung an. Eine ganze Kompanie Grundschulkinder aus Limeshain stellte sich mit Pappschilden und Papierhelmen in Position. „Achtung: Schildkrötenformation!“ befahl ein Dreikäsehoch, fand aber kein Gehorsam.

Zwei große Vindeliker beschützen den kleinen Fabian. Das gefällt ihm sichtlich. Foto: Nissen

„Tolle Sache“, sagte der Landrat zur Limespatrouille, „dass Ihr Euch auf den Weg gemacht habt.“ „Mein Respekt vor Ihrer Leistung“, ergänzte Bürgermeister Ludwig. „Ich hab lukanische Würste für Euch“, verkündete die Germanin Lykke. Die Frau im grünen Leinenkleid heißt wirklich Stine Kockrick, arbeitet in der Gemeindebücherei und im Vorstand des Geschichts- und Heimatvereins von Limeshain.

Dessen gute Geister sorgten am Wachtturm für eine Mobiltoilette, gebratene Würste und Hummus-Brote. Der leckere römische Streichkäse Moretum war leider schnell vergriffen. Als sich das Empfangskomitee allmählich verzogen hatte, legten die schwitzenden Legionäre ihre Ausrüstung ab, setzten sich nebeneinander auf einen Baumstamm und öffneten ihr Römer-Pils. Man konnte es förmlich zischen hören.

Der Wetterau-Limes

Gut 160 Jahre lang war die Wetterau ein Teil des römischen Reichs. Um 100 nach Christus zogen die Römer ihren Grenzwall 42 Kilometer weit in einen Bogen um die fruchtbare Landschaft herum. Etwa 300 Gutshöfe gab es zwischen der Hauptstadt Nida (heute Frankfurt-Heddernheim), Butzbach, Wölfersheim und Echzell.

So zog sich vor 1800 Jahren der Limeswall um die Wetterau. Einiges davon ist immer noch zu sehen. Grafik: Nissen

Allein die Hofplätze der meist von pensionierten Militärs betriebenen Höfe umfassten zwei bis drei Hektar, berichtet Kreisarchäologe Jörg Lindenthal. Die Pensionisten versorgten mit dem Getreide die Grenztruppe und exportieren vielleicht auch ins Reich. Den Germanen jenseits des Limes verkauften die Römer Keramik und bekamen dafür Frauenhaar, das in Rom sehr gefragt war. Die Grenztruppe war international besetzt – in der Friedberger Burg dienten 500 syrische Bogenschützen. In Echzell war eine große Reitertruppe stationiert. Der Mist aus den Pferdeställen türmte sich noch Jahrhunderte nach dem Abzug zu einem Hügel auf.

Um 233 gab es vermehrt Überfälle von Germanen aus dem Weser-Raum auf den Wetterau-Limes. Die Grenztruppe war ausgedünnt. Um 260 zogen die Römer ihre Grenze auf die Rhein-Main-Linie zurück. Noch heute ist der Limeswall in den Wetterauer Wäldern teils mannshoch erhalten. Auch die Fundamente der Kastelle und der 72 Wachttürme sind teils noch zu sehen. Die Museen in Butzbach, Friedberg, Echzell hüten Schatzfunde und andere Kostbarkeiten aus der Limes-Epoche. Ein Rad- und ein Fernwanderweg führen jetzt am größten Bodendenkmal Deutschlands entlang.

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