Spannende Spurensuche
Von Bruno Rieb
Hessen war in der Eisenzeit Keltenland. Museen, Landesarchäologie, Stadt- und Kreisarchäologen präsentieren 2022 hessenweit ihre Forschungen dazu. Das Begleitbuch „Kelten Land Hessen – Archäologische Spuren im Herzen Europas“ ist seit dem 3. März 2022 im Handel. 39 Autoren schildern die spannende Suche nach Hinterlassenschaften des Volkes, das vor weit über 2000 Jahren in Hessen siedelte.„Ein solches Buch hat es in Hessen noch nicht gegeben“, schwärmt Vera Rupp, Chefin der Keltenwelt am Glauberg und zusammen mit Wolfgang David vom Archäologischen Museum Frankfurt und Frank Verse vom Vonderau Museum Fulda, Herausgeber des Buches. Es soll möglichst viele Menschen ansprechen, „die sonst einen großen Bogen um Fachbücher machen“, sagt Petra Hanauska vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen/hessenARCHÄOLOGIE, bei der die Schriftleitung lag.
Kelten oder was?
Mit einem Fragezeichen ist gleich im ersten Kapitel des Buches versehen, ob die Eisenzeit in Hessen wirklich „Zeitalter der Kelten“ war. Denn „streng genommen gibt es so etwas wie DIE Kelten gar nicht“. Das Buch nutzt daher „Kelten“ als archäologischen Fachausdruck für „eine eisenzeitliche Bevölkerung in verschiedenen Gegenden West- und Mitteleuropas sowie Teilen Osteuropas mit einer zumindest teilweise ähnlichen Sachkultur, deren überlieferte Funde sich also in bestimmten Punkten sehr gleichen“.
Die Eisenzeit war ein innovatives Zeitalter, weil erstmals in großem Umfang Metall genutzt wurde. In der Bronzezeit wurden noch hölzerne Pflüge verwendet, nun seien deutlich effektivere eiserne Pflugscharen eingesetzt worden, erklärt Frank Verse. Am Ende der Eisenzeit habe es in Hessen nur noch wenig unberührte Natur gegeben. Dass die Kelten im Einklag mit der Natur gelebt hätten, entspricht laut Hanauska nicht der Wahrheit.
Die Kelten haben kräftig Wälder gerodet, wird im Kapitel „Mensch und Landschaft“ berichtet. Bereits im 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung sei damit begonnen worden, die Nutzflächen bis weit in die Höhen von Taunus und Vogelsberg auszudehnen. Die Äcker seien intensiv genutzt worden. Eine „Übernutzung der Böden zeigt sich selbst in den Lössgebieten wie der Wetterau durch das regelmäßige Auftreten von Verhagerungszeigern“. Verhagerungszeiger sind Pflanzen, die nur auf hargeren, also nährstoffarmen Böden wachsen, wie Verse bei der Buchvorstellung erläuterte.
Der Reichtum der Kelten vom Glauberg
Die Fürstengräber haben den Glauberg zum Zentrum der hessischen Keltenforschung werden lassen. Drei „Prunkgräber“ waren entdeckt worden, in denen vermutlich hoch gestellte, nach den Grabbeigaben jedenfalls wohlhabende Männer bestattet worden waren. „Sowohl die reichen Bestattungen als auch die imposante Umgestaltung der Landschaft mit Gräben und Wällen deuten auf wohlhabende und einflussreiche Bewohner des Glaubergs“, steht im Kapitel „Glauberg – Machtzentrum in der Wetterau“. Woher der Reichtum der Glauberger kam, ist noch nicht bekannt. Im nahen Ortenberg-Selters gibt es eine salzhaltige Quelle, und Salz war das „weiße Gold“ der Kelten. Auch Eisenerz kommt in der Umgebung vor. Ob die beiden Rohstoffvorkommen bereits in der Eisenzeit genutzt wurden, ist allerdings noch nicht erforscht.
Die in den Gräbern auf dem Glauberg gefundenen eisenzeitlichen Bewohner stammen meist gar nicht von dort. „Die Isotopen-Analyse legt nahe, dass die meisten Individuen, ebenso wie der ‚Keltenfürst‘ selbst, ihre Kindheit vermutlich nicht im direkten Umfeld des Glaubergs, sondern in der westlichen Wetterau oder im Taunus verbracht oder zumindest ihre Lebensmittel von dort bezogen haben.“
In der westlichen Wetterau, am Taunusrand, liegt Bad Nauheim. Vielleicht liegt dort auch die Quelle des Reichtums der Kelten vom Glauberg. Jedenfalls wurde in Bad Nauheim von den Kelten fast schon auf industrielle Art Salz gewonnen. „Charakteristisch für die Bad Nauheimer Salzproduktion sind vor allem die länglichen Siedeöfen. In den nach oben offenen Öfen standen Gefäße aus grob gemagertem Ton, die sog. Briquetagen. Sie enthielten Sole, deren Wasseranteil durch Erhitzen nach und nach verdampfte. Übrig blieben Salzbrocken, die man aus den Briquetage-Gefäßen holte, indem man diese zerschlug“, berichtet Vera Rupp im Kapitel „Salz – ein wertvoller Rohstoff“.
Das Buch „Kelten Land Hessen“ glänzt neben den fern jeder wissenschaftlichen Fachsprache geschriebenen Artikel mit einer wahren Bilderflut von den Ausgrabungen und den ausgegrabenen Funden. Es sei allen empfohlen, die sich einen Überblick verschaffen wollen, wie weit man in Hessen den Kelten bereits auf die Spuren gekommen ist.
„Kelten Land Hessen – Archäologische Spurensuche im Herzen Europas“, 252 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Format 26 x 21 Zentimeter, Verlag Schnell + Steiner, ISBN 9 783795 437077, 22 Euro.
Titelbild: Schmuck vom Pferdegeschirr im Stadtmuseum Wiesbaden (Foto: Pavel Odvody)