Jugendstil

Werbeplakate im Jugendstil

Von Michael Schlag

„Grands Boulevards“ ist der Titel einer Ausstellung über die Plakatkunst des Jugendstils im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg. Etwa 100 filigrane Werbeplakate sind zu sehen. Sie habe wenig zu tun mit der Werbung von heute.

Sphärische Stimmung und mystische Figuren

Kaum zu glauben, wie viel künstlerische Mühe man sich vor einem Jahrhundert mit Reklameplakaten gemacht hat. Da ist nicht das Grelle, Aufdringliche und Lästige heutiger Plakate; vielmehr schaut man gerne hin, auch lange, entdeckt immer wieder neue Details – und Schritt für Schritt fühlt man sich zurückversetzt in die städtischen Hauptstraßen der Jahrhundertwende. Diese Plakate müssen in jener Zeit prägend gewesen sein in den „Grands Boulevards“, so der Titel der Ausstellung im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg. Das Museum stellt derzeit etwa hundert Exponate seiner Sammlung von Werbeplakaten im Jugendstil aus. Prägend für die Bilder sind zarte Ranken, sphärische Stimmung, mystische Figuren, sanfte Blicke – „sinnbildlich für den Wunsch nach Freiheit und für die Abkehr von den Formen des Historismus“, so beschreibt es das Landesmuseum.

Besondere Verbreitung fand die Formensprache des Jugendstils über Werbeplakate im öffentlichen Raum der Großstädte. Die Straßen von Paris, München und New York hätten sich gleichsam in „Kunstausstellungen unter freiem Himmel“ verwandelt. Und genau das gibt jetzt die wunderbare Ausstellung „Grands Boulevards – Plakatkunst des Jugendstils“ im Schloss Oldenburg wieder. Originalplakate präsentiert vor dunkelviolettem Hintergrund, ergänzt mit Straßenszenen auf raumhohen schwarz-weiß Fotos jener Zeit oder angedeutet mit Grafiken in der thematisch geordneten Ausstellung. So kommt man ins Flanieren, taucht ein in das mondäne Berlin oder Paris zu Beginn des 20. Jahrhundert.

Werbung im Jugendstil für Genussmittel

Fotos: Michael Schlag)

Alles begann mit der Münchner Zeitschrift „Jugend“. Mit ihren Texten, Zeichnungen und Karikaturen wurde sie Stilbegründer und Namensgeber für den künftigen „Jugendstil“. Dabei hatte die Zeitschrift Jugend kein Programm, sondern druckte schlicht alles, was „schön, charakteristisch, flott und echt künstlerisch ist.“ Ab 1895 wurde sie ein Forum für die Künstler der modernen Gebrauchsgrafik, daneben gab es andere illustrierte Presse, wie „Pan“ oder die Wochenschrift Simplicissimus. Selbst die New York Times nutzte 1896 den neuen Stil zur Werbung.

Geworben wurde, nicht anders als heute, für Genussmittel: Schokolade, Alkohol, Zigaretten. Das durfte auch mal opulenter sein, für Zigarettenpapier wirbt ein weißer Elefant mit goldbesticktem, rotem Umhang. Immer mehr rückt die Reklame junge Frauen ins Bild. Etwa die Brauereiwerbung für „Bières de la Meuse“ von 1897, hier trägt die Biertrinkerin Mohnblumen, Gerste und Hopfen im Haar. Das Bild stammt von Alfons Mucha (1860–1939), eine Berühmtheit der ‚Art Nouveau‘, so die französische Bezeichnung für Jugendstil. Auch beim Thema Mobilität wurden Frauen umworben, etwa für Fahrräder der französischen Marke „Vierblättriges Kleeblatt“. Und nicht zu vergessen: 1904 machte auch Bad Nauheim Plakatreklame mit Jugendstilmotiven für seine Kuren und sein Heilwasser. Bereits um 1900 erkannten Sammler, dass diese Plakate einen bleibenden Wert haben würden in der Geschichte des Designs. Die Ausstellung in Oldenburg entstammt zum größten Teil der Sammlung des Oldenburger Architekten Adolf Rauchheld (1868–1932), der sie 1924 dem Landesmuseum Oldenburg schenkte.

Sachplakate lösen die Jugendstil-Werbung ab

Die Phase des Jugendstils in kunstvollen Plakaten währte nur kurz. Ab 1910 setzten Werbetreibende zunehmend auf das „moderne Sachplakat“. Das heißt, weg von den verschnörkelten und verspielten Ornamenten und hin zur schnellen Lesbarkeit und platten Aussage: Markenname und Produkt. Den Kontrast zeigt die Ausstellung anhand von späteren Plakaten für Autos, Schreibmaschinen und Flugschauen. Und dennoch: Der Jugendstil in der Werbung ist keineswegs ganz gestorben, mit diesem tröstlichen Ausblick endet der Rundgang im Oldenburger Schloss. Denn gelegentlich leben seine künstlerischen Elemente wieder auf, so 1980 in der Plakatreklame für „Jever Maibock“, sozusagen eine Fortsetzung des „Bière de la Meuse“ – Plakates von 1897.

Die Ausstellung „Grands Boulevards – Plakatkunst des Jugendstils“ läuft bis zum 22. Januar 2023 im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte im Oldenburger Schloss. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr, montags geschlossen. Wer von Hessen aus auf dem Weg zur Nordsee ist: Der kleine Abstecher zu den „Grands Boulevards“ in Oldenburg lohnt sich.

landesmuseum-ol.de

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