Kein Schutz für Büdingen und Dauernheim
Im Wetterauer Hochwasserschutz ist noch einiges zu tun – das bewies am Wochenende die Flut in der Büdinger Altstadt. Nun stellt sich die Frage, welche Konsequenzen aus dieser Katastrophe gezogen werden. Wer ist schuld daran? Und wer zahlt den Schaden? !–more–>Gegen Hochwasser fehlen noch Dämme
Auf Schäden in Millionenhöhesitzen all jene Menschen, deren Keller und Wohnungen in Büdingen und anderen Orten der östlichen Wetterau bei der Flut am 29. Januar 2021 nass wurden. Die meisten müssen sie selber verkraften. Nach einer Schätzung des Umweltbundesamtes hat nur etwa jeder dritte Haushalt eine Elementarschaden-Versicherung, die auch die Kosten von Überflutungen abdeckt.
Der Wetterauer Kreistag beschloss am 3. Februar 2021 einstimmig ein Nothilfeprogramm, nach dessen Genehmigung Privatleute auf Antrag Flutschäden bis zu 30 000 Euro anmelden können. Davon würden maximal 30 Prozent vom Staat übernommen. Zugleich ruft der Kreis zu Spenden für die Flut-Betroffenen auf.
Für den Schutz vor Hochwasser in den oft nah an Flüssen gebauten Orten der Wetterau sei man ansonsten nicht zuständig, heißt es beim Landratsamt in Friedberg. Wo welche Dämme und Rückhaltebecken notwendig sind, entscheidet letztlich eine Abteilung des Regierungspräsidiums in Darmstadt.
Der Staat muss keine Schäden ersetzen
Wenn eine Siedlung überflutet wird – was in Zeichen des Klimawandels immer häufiger droht – ist der Staat grundsätzlich nicht zum Schadenersatz verpflichtet. Das sagt Joachim Arnold. Er ist Vorstheher der Wasserverbände Nidda und Nidder-Seemenbach. Das sind freiwillige Zusammenschlüsse der Flussanlieger-Kommunen. Die Wasserverbände haben in den letzten Jahrzehnten große und teure Schutzbauten in die Landschaft gestellt, die anfangs heftig umstritten waren. Und nun werden sie in den höchsten Tönen gelobt, weil viele Städte ohne diese Bauten überflutet worden wären. Gemeint sind der Nidda-Stausee bei Schotten, Rückhaltebecken bei Lich, Ulfa und im Eichelbachtal, das Rückhaltebecken bei Düdelsheim.
Die jüngsten Fluten zeigen, dass zwei weitere Wasserschutz-Bauten in der Wetterau so schnell wie möglich umgesetzt werden müssen. Sie sind schon seit vielen Jahren auf der Agenda: Ein Staubecken am Seemenbach oberhalb von Büdingen. Und Flutdämme im Tal der Nidda bei Dauernheim. Schon 2015 standen beide Projekte im 173 Seiten starken „Hochwasserrisikomanagementplan für das Gewässersystem der Nidda“, vorgelegt vom Darmstädter Regierungspräsidium. Das Papier ist geduldig; allerdings mahnt Verbandsvorsteher Arnold jetzt zur Aktion. Gerade für das Büdinger Rückhaltebecken stehe der Lackmustest an: „Es müssen endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden.“
Bei Büdingen fehlt ein Rückhaltebecken
Seit Jahren befasst sich der Wasserverband Nidder-Seemenbach laut Arnold mit diesem notwendigen Becken. Manche Büdinger forderten laut Arnold aus Naturschutzgründen zwei kleinere Becken, nachdem sie erfuhren, dass der nötige Damm zwischen Büdingen und der Kläranlaen im engen Tal rund 15 Meter hoch und 290 Meter breit werden muss. Er habe schließlich an Tagen wie dem vorigen Freitag eine Million Kubikmeter zu stauen. Selbst dann müsse der Seemenbach noch bei einem Jahrhundert-Hochwasser – im Fachjargon der Wasserbauer HQ100 genannt – rund 27 Kubikmeter pro Sekunde abführen.
Nach einem Gutachten einigte sich der Verbandsvorstand im vorigen Herbst auf den Bau eines Rückhaltebeckens, so Arnold. Nun laufen die Voruntersuchungen zu einem Planfeststellungsverfahren. Und in näherer Zukunft müssen alle Gemeinden und Städte an den Gewässern zwischen Kefenrod und Bad Vilbel entscheiden, ob sie einen Förderantrag stellen und auch selber Geld für den millionenschweren Becken-Bau aufbringen wollen. Das, so Arnold, ist das gemeinsame Interesse der Kommunen. Aber keiner könne sie zu dieser Investition verpflichten. Selbst wenn alle zustimmen, dürften nach Arnolds Schätzung bis zur Fertigstellung mehrere Jahre verstreichen.
Die uralte Hainmauer konnte Büdingen nicht mehr schützen
Wenn es ums Geld geht, droht der Hochwasserschutz ohnehin leicht unterzugehen. Schon im vorigen Jahrzent bot der Wasserverband der Stadt Büdingen laut Arnold an, ein Rückhaltebecken für überschüssiges Wasser aus dem Kälber und dem Pferdsbach zu bauen. Das habe die Stadt Büdingen mit der Unterschrift des Bürgermeisters Erich Spamer 2018 abgelehnt.
Und wer ist für das Funktionieren der uralten Hainmauer verantwortlich, die Büdingen am Freitag nicht mehr vor dem Hochwasser schützen konnte? Die Kreisverwaltung wollte gestern dazu keine Stellung beziehen. Der Wasserverbands-Vorsteher Joachim Arnold hält die Stadt Büdingen für zuständig. Auch wenn sie nach der Flut rechtlich wohl nicht zu Schadenersatz herangezogen werden könne. Es wäre wohl gut gewesen, wenn sich die Stadtverwaltung mit dem Haus Ysenburg als Mauer-Besitzer auf die Instandhaltung der Mauer geeinigt hätte.
Für den Hochwasserschutz von Dauernheim ist derweil noch kein Planfeststellungsverfahren terminiert. Ranstadts Bürgermeisterin Reichert-Dietzel mahnte gestern auf Facebook den Bau von Flut-Hindernissen durch den Wasserverband an. Dafür waren bis 2018 schon einmal 2,1 Millionen in den Investitionsplan des Wasserverbandes eingestellt worden. Doch die Rückhaltefläche müsste laut Arnold auch die Wiese eines Privateigentümers einbeziehen, der damit nicht einverstanden sei. Bis sich das alles kläre, werde noch Zeit vergehen.