Lord Byron als Freiheitskämpfer
Der erste griechische Freiheitskampf im frühen 19. Jahrhundert erinnert Landbote-Autorin Ursula Wöll ein wenig an heute: „Ein kleines Volk, ohne Vorbilder und deshalb ein wenig ungeschickt, beugt sich nicht dem übermächtigen Druck und sagt ‚oxi‘.“
Schrifsteller und Exzentriker
Am 12. Juli 1824 fand die Trauerfeier für Lord Byron in London statt, danach fuhr die Kutsche mit dem schwarzen Sarg zum Familiengrab bei Nottingham, wo der einbalsamierte Leichnam des 36Jährigen am 16. Juli beigesetzt wurde. Gestorben war der europaweit berühmte Schriftsteller und Exzentriker allerdings in Mesolonghi im heutigen Griechenland.
Lord Byron besaß nicht nur liberale Ansichten, sondern auch GriechenlandSympathie für die Schwachen und eine große Freiheitsliebe. Im frühen 19. Jahrhundert gewann der nationale Gedanke überall in Europa an Boden. Als erste setzten ihn die Griechen in die Tat um und befreiten sich von der osmanischen Herrschaft. Der griechische Befreiungskampf genoss daher weithin ideelle Unterstützung, vor allem bei den gebildeten Ständen. Eugène Delacroix etwa malte 1827 Griechenland als Allegorie auf den Trümmern des zerstörten Mesolonghi. Er wurde darüberhinaus zum Vorbild, so für die nationalen Bestrebungen der Polen und Italiener. Und schließlich auch für die Deutschen, die 1848 ein deutsches Parlament in die Paulskirche wählten. Bereits 1832, auf dem Hambacher Fest, forderten sie ein einiges Deutschland und Solidarität mit dem gescheiterten polnischen Befreiungskampf. Man trug neben schwarz-rot-goldenen auch polnische Fahnen im Zug der 30000 hinauf zum Hambacher Schloss. Sie waren von Frauen gestickt, damals deren einzige Möglichkeit, sich politisch zu äußern.
Zurück zu Lord Byron, der sich 1823 nach Griechenland aufmachte. Etliche Diener, Pferde und seine Hunde begleiteten ihn und vor allem viel ererbtes Geld. Sein Schiff ‚Herkules‘ legte auf Kefalu an, einer der ionischen Inseln vor der Westküste, die damals unter englischem Protektorat standen. Der impulsive, doch von Goethe hochgeschätzte Byron wollte nicht nur Reden im Oberhaus halten, sondern sich praktisch einmischen. Er steckte 59000 Dollar in das Unternehmen, das die griechischsprachige Bevölkerung von der jahrhundertelangen osmanischen Herrschaft befreien sollte. Dafür rüstete der Lord eine kleine eigene Armee aus. Doch er fand vier griechische Gruppierungen vor, die gegen die Osmanen kämpften und vor allem untereinander um die Vormacht konkurrierten. Für wen sollte sich Byron entscheiden, der ja für die Geburt einer einzigen Nation kämpfen wollte? Der Lord verlegte seinen Tross schließlich von Kefalu in die Stadt Mesolonghi am Golf von Patras, wo ihn die Bevölkerung mit Hurra begrüßte. Hier, in dem damals sumpfigen Gebiet, bekam er Malaria. Die Ärzte ließen den Geschwächten ausgiebig zur Ader, was dieser nicht überlebte.
Als ‚Erste Hellenische Republik‘ wurde Griechenland 1828 frei von
osmanischer Herrschaft, das heißt ein Kernbereich des heutigen Landes. Indirekt hatte Byron dazu beigetragen, weil er durch seine spektakuläre Reise europaweit Sympathien für die aufmüpfigen Griechen weckte. Um zu verhindern, dass sich der Republikanismus ausbreitete, etablierten die Großmächte 1832 den 17jährigen bayrischen Otto I. als König. Bei Richard Clogg und André Maurois las ich, wie verworren der mutige historische Freiheitskampf ablief, in den auch eine Frau, die reiche Witwe Bouboulina eingriff. So wurde die osmanische Vorherrschaft durch eine siegreiche Seeschlacht bei Navarino beendet, die aber durch eine zufällig ausgelöste Kanone entstand.
Ich fühle mich ein wenig an heute erinnert. Ein kleines Volk, ohne Vorbilder und deshalb ein wenig ungeschickt, beugt sich nicht dem übermächtigen Druck und sagt ‚oxi‘. David gegen Goliath, ein Schauspiel, das in dieser Größenordnung auf der Weltbühne neu ist. Heute geht es nicht mehr um die Geburt einer Nation, sondern um deren Souveränität und um eine soziale Politik. Die Griechen haben oxi gesagt, weil sie es satt hatten, von der Riege alter Herren und Damen in Brüssel Austerity-Befehle zu hören. Abgestimmt beim Gala-Dinner, während man in Athen vor Suppenküchen ansteht.
Schöne und bedenkenswerter Assoziation, allerdings haben Sie leider ganz auf die Darstellung des eigentlichen Befreiungskrieges verzichtet. Dazu kam es zu einer großen europäischen Debatte, ob denn die gerade beim Wiener Kongreß wieder installierten Fürstlichkeiten eine bedrohlich demokratische Bewegung unterstützen sollten.
In der WELT hat das ein besonders unverschämter Autor zum Anlass genommen, Europa aufzufordern, sich diesmal nicht einzumischen …