Hochhäuser im Pflanzenkleid
von Ursula Wöll
Im Architekturmuseum Frankfurt ist ab 23. Januar 2021 die Ausstellung „Greening the City“ aufgebaut. Ab einer Wiederöffnung der Museen bis zum Juli präsentiert es Projekte mit viel Grün an Fassaden und auf Dächern. Auch das Begleitbuch zeigt, dass weltweit der Trend zunimmt, Hochhaus-Fassaden hinter Pflanzen zu verstecken, Dächer zu begrünen und Höfe vom Asphalt zu befreien. Beim Recherchieren entdeckte ich, dass es nicht nur in Freiburg oder Singapur, sondern auch in Hessen Beispiele für ‚Greening the City‘ gibt. Vor allem Schulhöfe verwandeln sich aus Asphaltwüsten in grüne Erlebnisräume.Die Großstadt lebenswert machen
Grüner Bewuchs der Architektur verbessert das Klima in den Städten, reduziert die Hitzebildung und bindet den Feinstaub, schluckt etwas Lärm, gibt Vögeln ein Zuhause und Bienen Nahrung. Vor allem aber sieht es gut aus und tut dem Auge wohl. Die Begrünung horizontaler und vertikaler Gebäudehüllen macht also die Stadtlandschaften menschenfreundlicher, doppelt wichtig in Zeiten des Klimawandels. Daher konnte das Architekturmuseum das Umweltamt der Stadt Frankfurt leicht als Kooperationspartner gewinnen. Doch ist das Grün an Mauern und Wänden keine neue Erfindung, es wird wieder entdeckt. Schon lange schätzt man Spalierobstbäume oder Efeu an den Fassaden. Ein Blick auf das Spalierobst im Weilburger Schlossgarten zeigt das sehr schön.
Die Ausstellung nimmt auch die praktischen Fragen in den Blick, sowohl was die Begrünung bestehender Gebäude als auch diejenige von Neubauten betrifft. Manche Hausbesitzer fürchten noch immer, dass das Kletterzeug am Haus Schäden anrichtet. Ich nehme an, dass Ausstellung und Begleitbuch diese Ängste ausräumen werden. Und auch ein neues Schönheitsempfinden befördern: Weg von der rechteckigen Geometrie sauberer Flächen und hin zur Wertschätzung von rankender Natur. Vielleicht fängt dann so manche/r an, einige Kletterrosen zu pflanzen, um dann auch zu Wildem Wein überzugehen.
Übrigens, bis Mitte Mai kann man gerne Projekte beim Museum einreichen, eigene oder solche, die einem positiv aufgefallen sind. Sie werden sogar in die Ausstellung integriert. So gibt also das Museum am Mainufer auch Anstöße, unseren Blick für unsere urbane Umgebung zu schärfen und das städtische und dörfliche Ambiente zu verschönern.
Natur am Bau auch in hessischen Städten
Wer hätte das gedacht! Gießen hat 27.000 Quadratmeter begrünte Dachfläche. Zu finden ist sie vor allem auf staatlichen Gebäuden. So sind etwa 3.500 Quadratmeter des Gießener Rathaus-Daches am Berliner Platz eingesät. Auch das Dach der Ostschule ist mit Pflanzen bedeckt, wenn auch wegen der Trockenheit des letzten Sommers nicht allzu üppig. Eine Reihe von Giessener Schulen begrünt bereits ihre Schulhöfe. Unterstützung können Schulen von der Deutschen Umwelthilfe e.V. erhalten, die schreibt: „Wir unterstützen die Schulen tatkräftig, so dass sie ihre Schulhöfe als langfristige Lern- und Lebensräume weiterentwickeln können.“
Hessenweit als der schönste Schulhof berühmt ist derjenige der Eugen-Kaiser-Schule in Hanau. Er erhielt bereits mehrere Preise, weil er keine öde Betonfläche ist, sondern ein von den SchülerInnen mitgestaltetes 6000 qm großes Naturerlebnis. Das Gelände ist auch offen für die BewohnerInnen eines angrenzenden Seniorenheims. Ein Sinnengarten wurde angelegt mit besonders stark duftenden Pflanzen. Seine Wege verlaufen kreisförmig, damit sich die oft dementen alten Leute nicht verlaufen können.
Deutsches Architekturmuseum, ab Öffnung der Museen bis 11.7.2021 „Greening the City“. Digitale Ausstellungseröffnung Freitag, 22. 1. 2021, um 18 Uhr. Projekte einreichen kann man bis Mai an das Museum.
Begleitbuch „Einfach Grün – Greening the City“, Handbuch für Gebäudebegrünung,304 Seiten, 19 Euro, über das Museum (dam-online.de)
Titelbild: Vertical Forest Mailand. Bildquelle: DAM_EinfachGruen_Vertical-Forest_Boeri-Studio_FotoDimitar-Harizanov_Mini