„Lange Nacht“ im Radio
Von Jörg-Peter Schmidt
Die lange Nacht“ ist jedes Wochenende ein Radio-Highlight. Diese Sendereihe, die in der Nacht von Freitag auf Samstag auf Deutschlandfunk Kultur um 24.05 Uhr beginnt und samstags ab 23.05 Uhr auf Deutschlandfunk wiederholt wird, widmet sich jeweils drei Stunden lang einem gesellschaftlichem, politischem oder kulturellem Thema. Am Samstag, 20. März 2021, geht es um Franz Kafka. „Landbote“-Autor Jörg-Peter Schmidt erinnert sich an seine Begenungen mit Kafkas Werk:Schon als Jugendlicher habe ich mich für die Bücher des österreichisch- tschechoslowakischen Schriftstellers interessiert und zuerst den „Prozess“ gelesen. Den ersten Satz kannte ich schnell auswendig: „Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet“. Wenn man dies liest, muss man sofort an die heutige Situation von unschuldig Verhafteten in so vielen Ländern der Erde denken.
Kafka auf der Bühne
Eine beeindruckende Aufführung vom „Prozess“ habe ich 2019 im Rahmen der Bad Hersfelder Festspiele gesehen (unter anderem mit Ingrid Steeger und Marianne Sägebrecht). Hervorragend war (ebenfalls 2019) auch die Fassung des Gießener Stadttheaters von “Die Verwandlung“, die in der Studiobühne des Theaters das Publikum begeisterte. Auch bei der „Verwandlung“ gehört der erste Satz zu den bekanntesten Anfängen von Werken der Weltliteratur: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.“
Kafka und die goldene Stadt
Prag, in dem der reisende Vertreter und „nebenberufliche“ Schriftsteller Kafka lebte, habe ich (noch vor der „Wende“) mehrmals besucht. Die „goldene Stadt“ liebe und schätze ich. Um so mehr habe ich mich gefreut, dass am Samstag, 20. März 2021 (Deutschlandfunk Kultur , 24.05 Uhr) und an diesem Tag dann um 23.05 Uhr, Deutschlandfunk) „Die lange Nacht über Franz Kafka“ im Radio zu hören ist.
Kafka in der „Langen Nacht“
In der Vorankündigung, die ja für beide Sender identisch ist, heißt es:
In Kierling, am Rande des Wienerwalds gelegen, hat Franz Kafka (1883-1924) seine letzten Lebenswochen in einem Sanatorium verbracht. Ihm zur Seite steht damals eine junge Frau, die als Betreuerin der Ferienkolonie des Berliner jüdischen Volksheims arbeitet, die um 15 Jahre jüngere Dora Diamant. Sie ist verzweifelt, dass die Ärzte ihrem geliebten Franz keine Überlebenschancen mehr einräumen. Nicht nur ihr Optimismus und ihre Hoffnung schwinden in zunehmendem Maße, sondern auch die Stimme Kafkas, dem die Ärzte überdies den Rat geben, so wenig wie möglich zu sprechen, um seinen geschwollenen Kehlkopf zu schonen.
In der „Langen Nacht“ tauchen wir ein in das jüdische Prager Leben um 1900, in dem Franz Kafka aufwächst und das ihn entscheidend prägt. So erlebt der junge, empfindsame Kafka, wie Automobile, Telefone und Fließbänder den Puls der Zeit beschleunigen. Als roter Faden durch diese Lange Nacht ziehen sich die spannenden Briefwechsel zwischen Kafka und seinen Geliebten Grete Bloch, Felice Bauer, Milena Jesenskà und Dora Diamant.
Hinzu kommen literarische Exkurse in die Parallelwelten, die Franz Kafka nächtens zu Papier bringt: „Das Urteil“, „Die Verwandlung“ oder „Ein Landarzt“.Kafkas langjähriger Freund, der Schriftsteller Max Brod, wird in einem originalen Tondokument aus dem Jahr 1968 zu hören sein, in dem er nicht nur seine Beziehung zu Franz Kafka beschreibt, sondern auch die Beziehung des Schriftstellers zu seinem Vater, den Kafka achtet, unter dem er aber Zeit seines Lebens leidet.
Auf diesem Spaziergang durch die Prager Vergangenheit und die Jugend von Franz Kafka sind sein Biograf Reiner Stach und die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff, die sich als große Kafka-Bewunderin outet. Soweit die Vorankündigung.
Auf Kafka folgt Argentinien
Meine Empfehlung also: liebe „Landbote“-Leserinnen und -Leser: Hören Sie ruhig mal rein in die jeweiligen Sendungen der „Langen Nacht“. Am 12. und 13. März ging es um das bewegende Leben vom Ingeborg Syllm-Rapoport, die zum Alter von 102 mit 80 Jahren Verzögerung ihren zweiten Doktortitel schaffte. Und in der Nacht von Freitag, 26. März auf Samstag, 27. März 2021 (0.05 Uhr, Deutschlandfunk Kultur) und am Samstag, 27. März 2021 (Deutschlandfunk, 23.05 Uhr) lautet der Titel „Tango mortale – eine lange Nacht über Argentinien und die Schatten seiner Vergangenheit.“
Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur sind über UKW, digital, im Internet zu empfangen. Mehr erfährt man über diese Sender in einem eigenen Programmheft, das man bestellen kann.