Das Buch von der Riviera
von Jörg-Peter Schmidt
Soeben habe ich ein kleines, herrliches Buch zu Ende gelesen und bin begeistert. Das Büchlein (19 Zentimer hoch, 11,5 Zentimeter breit) ist zwar neu im Kindler-Verlag erschienen, wurde aber im Original bereits 1931 bei Piper & Co. herausgegeben: Erika und Klaus Mann, die beiden ältesten Kinder von Katja und Thomas Mann, sind lässig im offenen Wagen die Strecke von Marseille über Cannes und Nizza bis nach La Spezia gefahren und haben anschließend ihre Reiseeindrücke unter dem Titel „Das Buch von der Riviera“ zusammengestellt.Das Licht ist härter und heißer
Die neue Kindler-Ausgabe ist mit historischen Schwarz-Fotos vornehmlich aus den 1930er Jahren versehen und fein aufgemacht. Auf den Seiten zwei und drei sieht man auf einer farbigen Zeichnung die Regionen, in denen die Geschwister Halt machten – Städte in Frankreich und Italien wie Toulon oder Genua.
Die Journalistin Erika Mann, die mit ihrem ebenfalls schriftstellerisch tätigen Bruder Klaus 1933 zu den Gründern des Kabaretts „Die Pfeffermühle“ zählte, sind Mitte Zwanzig, als sie ihren Pkw an traumhaften Küsten entlang steuern. Sie sind von den Menschen und der Landschaft sofort fasziniert und schreiben, „dass das Licht hier härter und heißer, zugleich satter, blühender und trockener ist; italienisch, aber manchmal schon mit einem afrikanisch dürren Einschlag; und dieser Einschlag wiederum französisch gemildert, gleichsam durchzivilisiert, zarter, zärtlicher.“ Wer sich in diese locker geschriebenen Reisebeschreibungen vertieft, bekommt schnell Hunger. So haben Erika und Klaus bereits für die erste Stadt, in der sie Quartier bezogen haben, eine Empfehlung: In Marseille sollte man die Fischsuppe Bouillabaisse bestellen. Überhaupt schwärmen sie von den französischen oder italienischen Gerichten bzw. Getränken. Immer wieder genießen sie leckeren Kakao, Kaffee oder Tee.
Cannes beschreiben sie als ein „sehr nettes südfranzösisches Hafenstädtchen mit fast 50000 Einwohnern“. Was notieren sie 1931 über das berühmte jährliche Filmfestival? Nichts, denn das gibt es erst seit 1946. Erika und Klaus essen in Cannes ein phantastisches Käse-Soufflé, das liebevoll im am Hafen gelegenen Hotel-Restaurant Le Coq Hardi zubereitet wurde. In dem weltberühmten Urlaubsort gibt es teure, aber auch preiswerte Hotels, schreiben sie. Aber gar nicht so preiswert gehe es zu, wenn die feinen Damen und Herren um Geld spielen, merken sie an. Sie beschreiben, wie in einem Bakkaratclub „der König von Dänemark mit Chaplins geschiedener Frau schäkert, während eine Princess Murat hysterisch weinend ihre unersetzlichen Rubinohrringe dem Croupier hinschleudert, der sie einfach einkassiert.“
Die Geschwister schlendern die Strände in Cannes, Monte-Carlo oder Nizza entlang, wobei sie erläutern, das Nizza im Französischen Nice heißt. Was die die Autorennen in Monte-Carlo betrifft: Die gab es bereits, als die beiden die Stadt erkundeten. Auf Seite 133 ist ein Schwarz-Foto abgebildet: Man sieht – von eleganten Frauen und Männern mit Hüten nach der aktuellen Mode umgeben – ein teures schickes Auto, das heute ein Oldtimer ist; im Hintergrund auf dem Foto stapeln sich an den stufenförmigen Hängen die zahlreichen Hochhäuser.
Dann wird Italien erreicht. Man genießt Genua und „das himmlische Speiseeis“. Jedoch: Nicht am Himmel, aber politisch, gesellschaftlich haben sich längst europaweit, bald weltweit dunkle Wolken ausgebreitet. Die Geschwister sehen nicht nur in Genua sehr viel Militär. Erika und Klaus ahnen bereits 1931: Schlimme Zeiten stehen bevor, unter denen so viele Menschen – auch die Künstler- und Schriftstellerfamilie Mann – so grausam leiden werden. Aber noch spazieren die beiden jungen Autoren unbehelligt durch die Gassen italienischer Städte wie Rapollo, „testen“ dort die Restaurants und Cafés, speisen Nudeln oder Muscheln. Und sind schon in Gedanken beim Niederschreiben ihrer Eindrücke von der Riviera mit ihrem Zauber.
Die Neuauflage vom „Buch von der Riviera“ ist im Kindler-Verlag (Berlin) erschienen, hat 176 Seiten und kostet 16 Euro.
Ein Gedanke zu „Erika und Klaus Mann“