Veterinäre berichten
Mit über 3000 Bauernhöfen, auf denen rund 35 000 Schweine, gut 20 000 Rinder, 7200 Schafe, 3200 Pferde, 700 Ziegen und 92 000 Hühner gehalten werden, hatten die Amtstierärzte und Tiergesundheitsaufseher des Wetteraukreises auch im Jahr 2015 alle Hände voll zu tun. Aus der Bevölkerung gingen 319 Anzeigen wegen Tierquälerei oder ähnlicher Verstöße. Hier einige Beispiele.
Die Leiden der Tiere
Im Wetteraukreis kam es 2015 in 27 Fällen zur Einleitung von Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Tierhalter, berichtet die Kreis-Pressestelle. Es gab Geldbußen von 80 bis zu 4200 Euro – und ein Strafverfahren. In drei Fällen durften keine Tiere mehr gehalten werden.
Laut Veterinärin Dr. Isabell Tammer ist seit Jahren ist eine Zunahme von Tierschutzfällen zu beobachten, in denen schlechte wirtschaftliche Verhältnisse und soziale Verwahrlosung eine große Rolle spielen. Hinter den verwahrlosten und unwürdigen Haltungsbedingungen für die Tiere steckten immer öfter tragische menschliche Schicksale. Es sei schwer zu verstehen, dass beispielsweise eine Katze oder ein Hund in einer heruntergekommenen Wohnung ohne fließendes Wasser, ohne Stromversorgung und mit Schimmelbefall nicht mehr gehalten werden darf, wenn Menschen in diesen Bedingungen zurück und allein gelassen werden.
Besonders erschütternd war in diesem Zusammenhang der Fall eines Tierhalters, der sich angeblich dem Erhalt von Nutztierrassen verschrieben hatte. In zahlreichen Kontrollen wurden über drei Jahre immer wieder teils gravierende Mängel in der Tierhaltung festgestellt. Trotz Bußgeldern und zwei Verwaltungsverfügungen bekamen die Rinder, Schafe, Ziegen, Alpakas, Hunde, Katzen und Vögel nicht dauerhaft genug zu fressen, so die Veterinäre.
Um das Tierhalteverbot durchzusetzen, wurde auch das Wohnhaus des Tierhalters betreten: Tammer: „Die Räumlichkeiten boten ein unbeschreibliches Bild der Verwahrlosung. Zahlreicher Unrat und Müll erschwerte das Betreten der einzelnen Räume. Der Boden im gesamten Haus war vollständig mit einer Schicht aus Kot und Unrat bedeckt. In einem Raum wurden insgesamt sechs Katzen gehalten. Der Boden des Raumes war übersät mit einer bis zu 5 Zentimeter hohen Schicht aus nassem Kot und Urin. Die Decke war mit einer dicken Schicht Weißschimmel überzogen. Die Kombination aus Fäkalien und Schimmelpilzen verursachte einen unerträglichen Gestank. Alle Katzen waren vollkommen mit Kot verschmutzt, unterernährt und gesundheitlich stark angeschlagen. “
Auch die Katzen wurden zur Weitervermittlung in ein Tierheim gebracht. Da der Tierhalter wiederholt und nachdrücklich massive Drohungen und Beleidigungen äußerte, mussten die Veterinäre unter Polizeischutz anrücken. „Die zunehmend aggressive Haltung gegenüber den Behördenmitarbeitern ist eine besorgniserregende Entwicklung“, so Isabell Tammer. Es gebe auch Anzeigende, die die Mitarbeiter des Veterinäramtes grundlos beschimpften, ihnen drohten und die keinerlei Einsicht in die fachliche Beurteilung zeigten.
Immer öfter würden menschliche Bedürfnisse und menschliches Wohlbefinden mit dem der Tiere gleichgesetzt. Dies halten die Veterinäre für einen großen Irrtum. Sie glauben, dass die Vermenschlichung der Tiere an der immer größer werdenden Entfremdung der Menschen von der Natur liegt.
Beispiel: Ein empörter Bürger meldete über 14 Tagen hinweg nahezu täglich, dass auf einem Gartengrundstück gehaltene Enten erheblich leiden, da sie vollkommen kahl wären. Der Umstand der Federlosigkeit war seiner Meinung nach Kannibalismus geschuldet, den die Tiere aufgrund der widrigen Haltungsbedingungen entwickelt hätten. Die Kontrolleure fanden heraus, dass es sich um Jungenten handelte, die gerade ihren Kükenflaum verloren hatten und denen die ersten Federn wuchsen. Der sogenannte Tierschützer habe daraufhin einen Anwalt eingeschaltet und die Veterinärbehörde als untätig bezeichnet.
Gemeinsam mit der Polizei gingen die Veterinäre auch gegen den immer mehr zunehmenden illegalen Hundehandel vor. Häufig würden die Tiere unter dem Vorwand des Tierschutzes unter tierschutzwidrigen Bedingungen aus dem Ausland nach Deutschland gebracht und hier verkauft. Meist erfolge weder vor noch nach dem Transport eine tierärztliche Untersuchung, Impfungen bleiben aus. Häufig würden die Welpen zu früh von der Mutter getrennt, da sich niedliche, kleine Hunde besser verkaufen lassen. Veterinäramtsleiter Dr. Rudolf Müller:“ Die Hundewelpen bilden Krankheiten infolge des schlecht ausgeprägten Immunsystems und des hohen Stressfaktors aus. Dann wiederum beschweren sich die neuen Tierbesitzer bei der Behörde, dass ihnen ein kranker Welpe verkauft wurde.“
Keine Elefanten mehr im Kreis
Die jahrelangen Angriffe von Tierschutzorganisationen und Tierschützer gegen die Elefantenhaltung des Zirkus Universal Renz hatten 2015 ein Ende. Der Betreiber des Zirkusunternehmens hat seine Elefantenhaltung aufgegeben. Die zwei schon älteren afrikanischen Elefanten waren nach intensiver Suche Anfang 2015 in den Besitz eines Safariparks in Stukenbrock (Nordhrein-Westfalen übergegangen. Der Transport und die Umsiedlung der beiden Elefantenkühe verliefen problemlos, so Rudolf Müller. Die beiden Dickhäuter fanden sich schnell in ihrem neuen Zuhause zurecht.Die komplikationslose Abgabe der letzten Wildtiere des Zirkusunternehmens Daniel Renz sei nicht zuletzt auf Wirken und mit Unterstützung des Veterinäramtes des Wetteraukreises zustande gekommen.
Ein Tierheim meldete die Abgabe eines gefundenen Hundes, sich in sehr schlechtem Gesundheitszustand befand. Er machte einen schwachen, fast apathischen Eindruck und war deutlich abgemagert. Der Hund war Harn-inkontinent, zeigte starken Flohbefall und massiven Zahnstein. Eine weiterführende Untersuchung erbrachte als zusätzlichen Befund eine chronische Blasenentzündung, eine Zubildung an der Prostata, eine Dehydration sowie schlechte Leberwerte. Nach einem erfolglosen Versuch der Behandlung, wurde das Tier eingeschläfert. Die Halterin erhielt einen Bußgeldbescheid.
Bei einer Kontrolle riss ein Hundehalter dem Tiergesundheitsaufseher die Digitalkamera aus der Hand, um die Dokumentation von Mängeln zu verhindern. Erst unter Polizeischutz konnte der Aufseher seine Kontrolle fortsetzen.
Bei Tiertransportkontrollen auf den Autobahnen gab es in der nacht zum 15. April 2015 bei Butzbachbei fünf Kontrollen fünf Beanstandungen, heißt es im jüngsten Tierschutzbericht. . So wurden neben überladenen LKWs auch immer wieder doppelstöckige Rindertransporte festgestellt, bei denen die 145 Kälber mit dem Rücken an die Decke stießen und sich zum Teil erhebliche Verletzungen zuzogen. Der Transport war auf dem Weg von Fulda zu einem Aufzuchtbetrieb in Bocholt. Ein ähnlicher Sachverhalt wurde bei einem überladenen Schweinetransporter mit 176 Tieren festgestellt. Auch bei einem Rindertransport mit 30 Tieren fanden die Beamten drei schwere Schlachtbullen, die mit dem Rücken an die Decke stießen. Weil zudem das zulässige Gesamtgewicht um sechs Tonnen und die Höhe des Fahrzeugs überschritten wurde, durfte der Fahrer die Fahrt nur bis zur Polizeiautobahnstation fortsetzen. Die Weiterfahrt war nur möglich durch Anforderung eines Ersatzfahrzeuges. Die Korrektur der Laderaumhöhe war auch noch bei einem weiteren überprüften Transport mit 33 Rindern erforderlich. Ein Transporteur, der sowohl bei den Veterinären wie auch den Polizisten in der Vergangenheit immer wieder durch Tierschutzverstöße aufgefallen war, transportierte 29 Schlachtbullen zu einem Schlachtbetrieb in Birkenfeld. Hier wurde versucht, die Überschreitung der zulässigen Transportdauer durch unzureichende Einträge in den Ladepapieren zu vertuschen. Zudem überschritt das Fahrzeug das zulässige Gesamtgewicht um etwa vier Tonnen. Der nächtliche Einsatz hat die Amtstierärztinnen und die Polizei darin bestätigt, dass die Überwachung von Tiertransporten eminent wichtig ist.
Ein Landwirt fügte seinen Rindern und Kälbern durch ungenügende Fütterung, unterlassene tierärztliche Behandlungen, mangelndes Misten, mangelnde Einstreu und das Vorenthalten einer trockenen Liegefläche erhebliche Schmerzenzu. Ein Rind lag mitten im Gang im Kot, ohne Zugang zu Futter und Wasser. Das linke Horn war vollständig abgerissen, die Stirnhöhle offen. Das Rind musste eingeschläfert werden, so die Veterinäre. Der Landwirt wurde mit einem hohen Bußgeld belegt.
Ein anderer Rinderhalter fügte einem Rind Schmerzen zu, weil er keinen Tierarzt holte. Das Rind hatte am Kopf einen melonengroßen Tumor, der eine Knochenfraktur und die Verschiebung der Zähne zur Folge hatte. Das Tier konnte nur unter Schmerzen Futter aufnehmen. Der Landwirt, der gegen das Bußgeld des Veterinäramtes Einspruch erhob, wurde vom Gericht abschließend zu einer Geldstrafe um mehr als das Doppelte sowie zur Übernahme derGerichtskosten verurteilt.
Weitere Verstöße: Eine Tierhalterin bot 14 Hähne in zu kleinen Käfigen auf einem Markt an. Sie bekamen kein Wasser. Ein Schweinehalter hatte seine Tieren mit zu wenig Wasser im Dunkel gehalten. Außerdem waren die Ställe zu eng. Ein Halter von Pferden fügte einem Tier durch eine mangelhafte Hufpflege erhebliche Schmerzen und diesem und drei weiteren Tieren durch einen unzureichenden Unterstand erhebliche Leiden zu. Im Rahmen einer Kontrolle wurde festgestellt, dass die Hufe eines Ponys wiederholt zu lang waren. Außerdem stand dem Pony und weiteren drei Pferden als Unterstand nur ein Viehtransporter zur Verfügung.
Die Halterin eines Wellensittichs fiel auf, da sie sich nach Angaben des Vermieters und der Nachbarn seit mehreren Tagen von ihrer Wohnung und somit dem von ihr gehaltenen Vogel fernhielt. Aufgrund der geplanten Installation von Rauchmeldern wurde die Wohnung vom Vermieter geöffnet. Dieser fand den Wellensittich ohne Futter und Wasser in einem massiv verunreinigten Käfig vor. Der Wellensittich wurde beschlagnahmt und anderweitiguntergebracht. Gegen die Tierhalterin wurde ein Bußgeldverfahren eingeleitet.
Laut Landrat Joachim Arnold hat der Wetteraukreis 2015 eine neue Vereinbarung mit dem Tierheim Wetterau in Bad Nauheim / Rödgen geschlossen. Über sieben Jahre bekommt das Tierheim demnach vom Kreis jährlich 75 000 Euro, plus zwei Prozent Inflationszuschlag pro Jahr und jährlich 6000 Euro für einen Auszubildenden.