Tausende für ein buntes Bad Nauheim
Von Klaus Nissen
Der hessische AfD-Fraktionschef Andreas Lichert hätte sich am Mittag des 3. Februar 2024 auf dem Aliceplatz nicht besonders wohl gefühlt. Mehrere tausend Menschen demonstrierten gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Dabei ging es ganz speziell auch um den in Bad Nauheim wohnenden Lichert.Viele Menschen auf der Demo in Bad Nauheim
„Menschenrechte statt rechte Menschen“. „AfD ist Mist“. „Rechtsdrehende Kulturen gehören in den Darm“. Oder einfach: „Kein Bier für Nazis“ Diese und viele weitere Slogans standen auf den selbstgemalten Pappschildern der Demonstranten. Auch in Bad Nauheim meldeten sich jene zu Wort, die auf keinen Fall von der AfD regiert werden wollen.
Es waren viele. Die Schätzungen der Teilnehmer schwankten zwischen tausend und 4000 Menschen. Junge und Alte waren dabei. Vor allem Mittelschichtsmenschen mit „biodeutschen“ Wurzeln, die aus der Geschichte gelernt haben. „AfD wählen ist so 1933…“ stand auf einem Schild.
Der Rasen wurde nicht betreten
Das aus vielen Organisationen zusammengesetzte Bündnis „Demokratie schützen Bad Nauheim“ hatte die Kundgebung auf dem Aliceplatz organisiert. Die Besucher drängten sich zwischen der Fußgängerzone und der Parkstraße. Auf dem Platz achteten alle darauf, den Rasen rund um den Brunnen nicht zu betreten.
Warum kommen so viele zu den Anti-AfD-Demos in den kleinen und großen Städten? Die AfD sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen – das sei eine reale Bedrohung, rief die Bad Nauheimer Pfarrerin Meike Naumann ins Mikro. Aber: „Wir lassen nicht zu, dass Menschen in Güteklassen eingeteilt und diskriminiert werden. Nie wieder!“ Lauter Beifall aus dem Publikum.
Zuvor stand Samirah Pöpel auf dem Podium. Sie leitet gleich zwei Altenheime. 420 hilfsbedürftige Menschen sind in der Seniorenresidenz am Park und am Kaiserberg auf die Hilfe des rund 300köpfigen Personals angewiesen, so Pöpel. „Zwei Drittel des Persosnals kommt aus 68 verschiedenen Nationen auf fünf Kontinenten. Alle sind wichtige Mitglieder des Teams.“ Sprich: Ohne die Zuwanderer wären die Biodeutschen richtig aufgeschmissen.
Caroline Link schickte ein Grußwort
Wer das Gegenteil behauptet, liegt nach Ansicht von Regina Steffan schief. Die aus Bad Vilbel gekommene Sprecherin der „Omas gegen Rechts“ bat alle Zuhörer: „Falschen Parolen zu widersprechen ist soo wichtig!“
Auch die aus Bad Nauheim stammende Regisseurin und Drehbuchautorin Caroline Link sollte auf der Kundgebung sprechen. Doch sie wohnt im fernen München. Uschi Knihs verlas Links Grußwort: „Ich unterstütze ihre Initiative voll und ganz.“
Der Rockenberger Peter Zeichner stieg als DGB-Vertreter aufs Rednerpult. „Es ist schwer zu ertragen“, bekannte er, „dass sich auch Gewerkschafter von der rechtsradikalen Agitation beeinflussen lassen.“ Zeichner führte das auf Ängste zurück, die aktuelle Mängel der öffentlichen Infrastruktur bei vielen Menschen schüren. Das Gezank unter den demokratischen Parteienvertretern verstärke das Problem noch.
Doch es sei keine Lösung, die AfD zu wählen. Denn die biete „keine Lösung für garnichts.“ Es bringe auch nichts, wenn Deutschland sich von allen anderen abschotte. Globale Probleme wie der Klimawandel könnten auch nur global gelöst werden.
Eine kleine Lichert-Kunde
„Das Problem hat mit Bad Nauheim zu tun“, sagte Andreas Balser vom Verein der antifaschistischen Bürgerinitiative. So sitze die Titorel-Stiftung in Bad Nauheim, die die Aktivitäten Rechtsextremer in Halle finanziere.
Im Oktober 2023 sei der hiesige AfD-Politiker Andreas Lichert als Ansprechpartner der Stiftung genannt worden. Lichert habe sich für das rechte „Institut für Staatspolitik“ engagiert. Er kenne den rechten Ideologen Götz Kubitschek und sei beim „Römerbergtreffen“, einem Netzwerk-Meetig rechter Kräfte in Frankfurt dabei gewesen. „Lichert dient den Identitären als Lautsprecher“, sagte Andreas Balser bei der Kundgebung. „Wir in Bad Nauheim können dafür sorgen, dass dieser Lautsprecher so wenig öffentliche Resonanz wie möglich erhält!“ Großer Beifall.
Applaus fand auch der Wetterauer Barde Martin Schnur. Der intonierte mit seiner Gitarre „What a wonderful World“ und wagte dann sogar einen Kanon mit tausendköpfigem Chor: „Als die Sonne unterging – sag, was geschah – da hatten auch die Zwerge – lange Schatten“.
Zum Schluss der Kundgebung stimmte Schnur schließlich das Deutschlandlied an. Ihm seinen beim Mitsingen fast die Tränen gekommen, meinte ein Teilnehmer später in einem nahegelegenen Café. Denn:„Wir holen uns das Deutschlandlied von den Rechten zurück.“ Ein anderer Teilnehmer der Café-Runde beschwerte sich über den Spruch von Pfarrerin Naumann, die AfD sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das sei Quatsch. Denn „für mich steht jeder, der AfD wählt, am Rande der Gesellschaft!“
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