Das Potenzial von Clowns
Von Bruno Rieb
Seit 20 Jahren ist Ulrich Fey Clown für Menschen mit Demenz. „Nimm sie, wie sie sind“, hat er in dieser Zeit gelernt. Über seine Erfahrungen hat er ein Buch geschrieben. Im Gespräch mit Landbote-Redakteur Klaus Nissen berichtete er am 3. März 2024 im Theater Altes Hallenbad über seine Erfahrungen. Thema des Erzählcafés: „Ist bei Demenz Schluss mit lustig?“„Setzen Sie sich eine rote Nase auf“
Wie Fey zum Clown wurde? Er steckte selbst in einer Krise. Er war Sportlehrer gewesen und zehn Jahre Journalist bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Nun wollte er etwas ganz anderes machen. „Setzen Sie sich eine rote Nase auf und gucken sie, was passiert“, riet der 66-Jährige seinem Publikum im alten Hallenbad.
Für ihn ist eine ganze Menge passiert, seit er sich die rote Nase übergezogen hat und vor Menschen in Altenheimen auftritt. Er sei einmal von einer Beschäftigten umarmt worden, erzählte Fey. Das sei ihm bei der FAZ nie passiert.
Von pupsen, rülpsen und Salamischeiben
„Clowns für Menschen mit Demenz“ heißt das Buch, das er geschrieben hat. Es liegt inzwischen in der vierten Auflage vor, ergänzt um ein Kapitel über Prophylaxe und Risiken. Als gelernter Journalist kann der Friedberger gut erzählen. Das erlebte auch das Publikum im alten Hallenbad. Fey ließ es miterleben, wie er bei einem Auftritt von einer Heimbewohnerin aufgefordert wurde: „Pupsen“. Fey kletterte auf einen Tisch im Speisesaal und versuchte, seinem Darm einen Wind entweichen zu lassen – vergebens. „Rülpsen“, schlug er deshalb vor. Der Vorschlag wurde akzeptiert. Fey: „Rülpsen kann ich.“
Ein Patient, der einer Patientin Pflaumenmus von den Fingern leckt, oder eine demente Dame, die mit einer Salamischeibe versucht ihre Brille zu reinigen – Fey nimmt sie wie sie sind. Auch den Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spieler, der die Figuren zum Ärger seiner Mitspieler wild durcheinander schiebt und die eine oder andere weg wirft.
Die Dementen in ihrer Welt lassen
Fey erzählte von seiner Mutter, die mit fortschreitender Demenzerkrankung immer liebenswerter geworden sei. Vorher sei es oft schwieriger mit ihr gewesen. Der Demenz-Clown warnte vor Fragen wie „Erkennst du mich?“. Dabei gehe es nur um den Fragenden, der gerne erkannt werden möchte. Fey will die Menschen mit Demenz in ihrer Welt lassen, egal wie sie Pflaumenmus verzehren, Brillen reinigen oder „Mensch Ärgere Dich Nicht“ spielen.
Die Zukunft der Pflege war ein zentrales Thema der anschließenden Diskussion. Um die stehe es schlecht, vor allem weil Pflegepersonal fehlt. Und wenn Heimen Geld fehlt, dann wird zuerst der Clown gestrichen, weiß Fey aus eigener Erfahrung.
Ulrich Fey: „Clowns für Menschen mit Demenz. Das Potenzial einer komischen Kunst“, Mabuse-Verlag, 272 Seiten, 24 Euro, ISBN: 9783863216559
Titelbild: Ulrich Fey (links) und Klaus Nissen diskutieren im Theater Altes Hallenbad über Demenz.