Themenführungen in Bad Homburg
In Kooperation mit der Fachstelle für Demenz des Hochtaunuskreises und der Ökumenischen Sozialstation Bad Homburg, bietet die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten im Schloss der Kurstadt Gruppenveranstaltungen für Menschen mit Demenz an – zu Themen wie Kopfbedeckungen, Hygiene, Märchen oder Essgewohnheiten.
Mutti soll mal was anderes sehen
Ilse S. ist eine zierliche Frau. Ihr weißes Haar ist lockig, nicht onduliert. Sie trägt eine Brille mit Silberrand und eine blaue Bluse mit Blümchenmuster. Ilse S. ist 87 Jahre alt. „Dein Geburtstag ist noch gar nicht lange her“, sagt ihr Sohn Thomas und legt den Arm um ihre Schultern. Ilse S. sagt „Das hätte mir gefallen.“ Der 57-Jährige streicht ihr über das Haar. „Warst Du schon einmal hier?“, fragt er. „Hier bin ich geboren“, sagt seine Mutter. Ilse S. ist dement. Sie lebt im Kaiserin-Friedrich-Haus, einem Alten- und Pflegeheim des Deutschen Roten Kreuzes in der Taunusstadt Kronberg. Mit der Einrichtung ist ihr Sohn sehr zufrieden. Auch, weil sie neben der täglichen Betreuung von Demenzkranken Ausflüge anbietet. „Ich möchte, dass meine Mutti auch einmal etwas Anderes sieht.“
„Das etwas Andere“ ist an diesem Tag etwas ganz Besonderes: Denn die sechsköpfige Gruppe der Seniorinnen (ein Herr ist auch dabei), begleitet von Daniela Nels vom Sozialen Dienst und einer ehrenamtlichen Helferin des DRK-Hauses, unternimmt eine Zeitreise. Sie führt sie in die Räume der englischen Prinzessin Elisabeth (1770 – 1840) im Bad Homburger Schloss. Elisabeth von Großbritannien, Irland und Hannover, Tochter des englischen Königs Georg III. war mit dem Friedrich IV., dem Landgrafen von Hessen-Homburg verheiratet und bewohnte eine stattliche Anzahl von Räumen im Homburger Schloss.
Den Moment erlebbar machen
Doch es sind nicht Zahlen, Daten und Fakten, die die Museumspädagogin Dr. Britta Reimann und der Kunsttherapeut und Diplom-Sozialarbeiter Andreas Hett, der Gruppe vermitteln wollen. Ihr Anliegen ist es, „das auch an Demenz erkrankte aus ihrer Umgebung herauskommen, am kulturellen Leben teilnehmen können. Wir möchten für sie den Moment erlebbar machen“, so Andreas Hett. Einen Moment im Hier und Jetzt und doch in einer anderen Zeit. Und: Ihnen Wertschätzung vermitteln. Der Tisch im Louis-Saal des Schlosses in der Kurstadt ist festlich gedeckt. Eine Umgebung, in die, sofern man in sie unvermittelt, gerät, ob ihrer Pracht nicht nur (demente) Menschen irritieren kann. So ist es erst einmal ein Staunen, das die Runde bei Kaffee und Gebäck bestimmt. Bis Lieselotte Sch. beginnt, aus den Servietten Rosen zu falten. Mit genauer Anweisung. „Die könnte man zu Fasching tragen oder sich ans Revers heften.“ Ein erstes befreiendes Lachen. Aber für den Mann mit dem Zylinder wäre das nix. „Zylinder tragen doch heute nur noch Schornsteinfeger“, ist ein Kommentar. „Er könnte aber auch ein Schauspieler sein.“
Der Mann mit dem Zylinder ist Andreas Hett. Der Kunsttherapeut, Dozent und gelernter Altenpfleger arbeitet seit mehr als zwei Jahrzenten mit Demenz-Kranken. Es wird nicht die einzige Kopfbedeckung bleiben, die die Gruppe von Raum zu Raum in den Gemächern der englischen Prinzessin munterer werden lässt. Da ist der Turban, den sich Britta Reimann um den Kopf wickelt, einen Turban, wie er zu Zeiten von Elisabeth getragen wurde. „Das steht ihnen aber sehr gut“, ruft Lieselotte Sch. in den Raum, bevor sie ihn selbst anprobiert – und für ein Foto posiert. Werner S. setzt sich im Laufe des Rundgangs neben einem Zylinder auch die „staatstragende“ Perücke nach Art des französischen Sonnenkönigs Ludwig XVI. auf. Beklatscht von den Damen. Werner S. ist 89 Jahre alt. „Es gefällt mir sehr gut“, sagt der Senior. „Denn in die Räume wäre ich ohne diesen Ausflug nie gekommen.“ Ob Empfangsraum, Kabinett oder Arbeitszimmer, ob Turban, Haube oder Strohhut, die die Teilnehmer der Zeitreisen-Gruppe ausprobieren können: Von Zimmer zu Zimmer äußern sie sich öfter. Mit einem „Ach du liebes bisschen“, mit Lachen, mit Applaus.
Führungen zu „Essen“ und „Hygiene“
Die „Gruppenveranstaltungen für Menschen mit Demenz“ der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten in Hessen gibt es seit rund 18 Monaten. In die Planung sind von Anfang an die Fachstelle Demenz des Hochtaunuskreises und der Stadt Bad Homburg sowie die Ökumenische Sozialstation Bad Homburg eingebunden gewesen. Neben der Zeitreise „Mit Kopfbedeckungen in die Vergangenheit“ stehen die Themen „Guten Appetit“ zu Essgewohnheiten einst und jetzt, „Nicht nur sauber, sondern rein“ rund um das Thema Hygiene und Märchen auf dem Programm. Demnächst soll das Thema Garten folgen. Was allen Führungen gemeinsam ist: Sie sollen die Erinnerung an vergangene Zeiten wecken. „Unterstützend werden verschiedene Requisiten eingesetzt, die die unterschiedlichen Sinne anregen“, so Britta Reimann.
Zwischen vier und acht Personen plus Begleitung können an den Führungen teilnehmen. Anmelden können sie sowohl Betreuungseinrichtungen wie Privatpersonen, die demente Angehörige betreuen. Da die Räumlichkeiten des Schlosses nicht rollstuhlgerecht sind, sollten die Teilnehmer eine Treppe bewältigen können. Eine Altersbegrenzung gibt es nicht. „Wir möchten diese speziellen Führungen, die stetig mehr nachgefragt wird, noch weiteren Institutionen und Betroffenen wie Familienangehörigen publik machen“, sagt Reimann. Zurzeit werden sie zweimal monatlich angeboten und unter anderem von Einrichtungen in Bad Homburg, Kronberg und Kelkheim wahrgenommen.
Die nächste „Zeitreise im Schloss“ für Menschen mit Demenz ist am Dienstag, 20. September, 15-16.30 Uhr. Die Gebühr beträgt fünf Euro. Anmeldungen unter der Rufnummer 06172/9262122 oder per E-Mail unter museumspaedagogik@schloesser.hessen.de