Dannenröder Forst

Igor Levit spielt ‚Danny Boy‘

von Ursula Wöll

Igor Levit, der berühmte Pianist, hat zum 250. Geburtstag Beethovens am kommenden 17. Dezember dessen Klaviersonaten neu aufgenommen. Und er hat nun am 4. Dezember 2020 mitten im Danneröder Wald vor seinem Klavier gesessen und die alte irische Volksweise „Danny Boy“ gespielt. Aus Solidarität mit den WaldbesetzerInnen.

Trauer ist angesagt

Die ZuhörerInnen waren zahlreich, trotz des feuchten und kühlen Wetters: EinwohnerInnen von Dannenrod und den umliegenden Orten bis hin nach Marburg, die BaumbesetzerInnen in den wenigen noch nicht geräumten Baumhäusern etliche Meter über dem Boden, die zahlreich vorhandene Polizei und sicher etliche Tiere. Die letzteren mögen sich gewundert haben, dass anstelle des Rodungslärms einmal schöne harmonische Klänge zwischen den letzten, dem Tod geweihten Bäumen wehten.

Das Klavier war auf einer Plattform platziert, denn der Waldboden war nach langer Dürre endlich mal nass und matschig. Eine logistische Meisterleistung, so ein schweres Instrument in den Wald zu schaffen. Geholfen haben wohl Greenpeace und Fridays for Future, Luisa Neubauer war ebenfalls im Wald. Der Pianist trug eine weiße dicke Strickmütze, leider ohne Bommel. Ein dicker Schal wärmte ihn, aber die Hände spielten natürlich nackt. Sie spielten nicht Ludwig van Beethovens ‚Ode an die Freude‘, die zu unserer Europahymne auserkoren wurde. Denn Trauer war angebracht. Alle zivilen Proteste gegen die Rodung des wunderbaren alten Mischwaldes waren vergebens gewesen. Eine hirnverbrannte Politik im Wiesbadener und Berliner Verkehrsministerium setzte sich durch und will noch eine Autobahn wider alle Vernunft bauen. Nur verbal beteuert man, endlich mehr gegen die Klimaerhitzung zu tun. Doch  wieder einmal folgen keine Taten. Im Gegenteil, man huldigt weiter König Auto. Auf diese Weise wird die Erwärmung bald schon über 1,5 Grad ansteigen.

Citizen – European – Pianist

Igor Levit (Bildquelle: wikipedia/ httpscommons.wikimedia.orgwindex.phpcurid=88744897)

So spielte denn Igor Levit eine alte irische Volksweise namens „Danny Boy“. Eine melancholische Melodie, gesungen einst von Menschen, die Abschied nehmen. Mussten doch viele Iren früher auswandern, um nicht Hungers zu sterben. So wie heute etwa Afrikaner aus ihren vom Klimawandel heimgesuchten Ländern. Sein Konzert bestreitet Levit normalerweise festlich gekleidet vor dem Flügel und vor festlichem Publikum, das Eintritt bezahlt hat. In der Alten Oper Frankfurt etwa, wo der Pianist wieder am 14. und 15. Januar um 20 Uhr gastieren wird. Oder anderswo auf dem Globus, der noch junge Künstler ist bereits weltberühmt. Gerade hat er das Große Verdienstkreuz vom Bundespräsidenten erhalten. Geboren 1984 in Russland, wurde er in Hannover ausgebildet, wo er seit kurzem nun selbst Musik an der Hochschule lehrt.

Auf seiner Homepage nennt er sich „Citizen – European – Pianist“, in dieser Reihenfolge. Er ist also kein „Fachidiot“, der nicht einen Blick auf seine soziale Umwelt wirft und ausschließlich seiner Kunst lebt. Er begreift sich als ein aktives Mitglied der Gesellschaft, und mischt sich ein, wenn etwas schiefläuft. Und wo heute noch Wald in großem Stil abgehauen wird, da läuft etwas gewaltig schief. In Brasilien, in Borneo oder bei uns hier in Mittelhessen. Danke, Igor Levit, für Ihr Engagement. Darüber kann man sich dann doch freuen und die erste Strophe der Ode an die Freude zitieren, die von Schiller gedichtet und von Beethoven als Bestandteil seiner 9. Symphonie komponiert wurde:

Beethoven

Freude schöner Götterfunken/Tochter aus Elysium/wir betreten feuertrunken/Himmlische dein Heiligtum/Deine Zauber binden wieder/was die Mode streng geteilt/Alle Menschen werden Brüder(Schwestern natürlich auch – die Autorin)/wo dein holder Flügel weilt.

Titelbild: Das HR-Fernsehen hat einen Film über den Auftritt von Igor Levit im Dennenröder Forst gezeigt. Der Film ist hier zu sehen: https://www.hessenschau.de/gesellschaft/pianist-igor-levit-bei-seinem-auftritt-im-dannenroeder-wald,video-138516.html

2 Gedanken zu „Dannenröder Forst“

  1. Schön, dass der Artikel mit Beethovens Ode an die Freude endet, auch wenn der Danni nun zerstört ist. Eben hörte ich im HR-Radio, dass das berühmte ‚ta ta ta ta‘ der 5. Symphonie Beethovens auch das Morsezeichen für VICTORY ist. Der gewaltlose Widerstand war nicht vergebens, er wird Schule machen, wenn anderswo ähnliche Umweltfrevel begonnen werden. Vielen Dank an den Pianisten Levit , dank an alle, die sich engagierten. Und gute Besserung für die beiden verletzten Frauen: TA TA TA TA !!!!!!

  2. Heute, am 28. Mai 2021, höre ich im WDR5, dass der Starpianist Igor Levit den ‚Preis für den Dialog‘ des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) erhalten hat. Die Jury war natürlich von seiner künstlerischen Meisterschaft, vor allem aber von seinem gesellschaftlichen Engagement beeindruckt. Das hat Levit mit seinem Solidaritäts-Konzert auf seinem Klavier mitten im Danneröder Wald bewiesen. So wird er auch das Preisgeld von 10000 Euro einer gemeinnützigen Organisation spenden.

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