Corona-Testcenter

Möglichst viele erhalten

von Jörg-Peter Schmidt

So viele Corona-Testcenter wie möglich sollen erhalten bleiben. Dies war die Botschaft während einer Pressekonferenz, zu der der Landkreis Gießen, die Arbeiterwohlfahrt Gießen (AWO), das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Johanniter-Unfallhilfe eingeladen hatten. Anlass waren die Folgen der neuen Corona-Testverordnung.

Nicht nur im Raum Mittelhessen gibt es nun verstärkte Bürokratie. Auch bundesweit, wie aus den Berichten der überregionalen Presse hervorgeht. „Großer Unmut über Lauterbachs ‚Bürokratiemonster’“ titelte die „Welt“ in  ihrer Ausgabe vom 6. Juli 2022. Diese Überschrift könnte auch für die Situation in Gießen und Umgebung stehen, wie beim Pressegespräch verdeutlicht wurde.    

Probleme wegen der Kurzfristigkeit

Ein Hauptproblem ist die Kurzfristigkeit, mit der die Verordnung auf den Weg gebracht wurde. Darüber waren sich im Testcenter im Gießener Seltersweg einig: Landrätin Anita Schneider, Christian Betz (Vorstand beim DRK-Kreisverband Marburg-Gießen), Marco Schulte-Lünzum (Vorstand beim Johanniter-Regionalverband Mittelhessen, JUH), Johanna de Haas (Sachgebietsleitung Hygiene im Kreisgesundheitsamt Gießen) und Jens Dapper (Geschäftsführer der Awo Gießen).

Das Testcenter in Staufenberg. (Fotos: Jörg-Peter Schmidt)

Kommunikation für Betroffene im Eiltempo

Beispielsweise die Landrätin und Christian Betz erläuterten, was die Problematik  der Kurzfristigkeit bedeute, die in einer Zusammenfassung der Kreispressestelle für diese Pressekonferenz wie folgt beschrieben ist:

Das Auslaufen der bisherigen Testverordnung Ende Juni war monatelang bekannt. In welcher Form die Tests weiter ermöglicht werden, wurde jedoch für Betroffene quasi über Nacht kommuniziert. Am 24. Juni informierten der Bundesgesundheitsminister und der Bundesfinanzminister über die vorgesehenen Änderungen die Presse.

Am 29. Juni verkündete der Bundesgesundheitsminister die neue Verordnung, bereits einen Tag später trat diese in Kraft. Wesentliche Details waren zu diesem Zeitpunkt nicht klar, insbesondere eine mögliche Übernahme des Eigenanteils durch die Länder sowie die Nachweise der Anspruchsberechtigung. Soweit diese Passage aus der Zusammenfassung für die Medien.

Anrufe besorgter Bürger

Wie in der Pressekonferenz geschildert wurde, mussten die Verwaltungen also im Rekordtempo auf die seit dem 1. Juli geltenden Regeln  reagieren. Schon in den Tagen davor waren bei der Kreisverwaltung Anrufe besorgter Bürger eingegangen, die wissen wollten, was auf sie durch die künftige Verordnung zukommt, schilderte Johanna de Haas. Mittlerweile weiß man mehr, denn Folgendes hat sich geändert, wie es in der Pressevorlage beschrieben wird:

Die neue Corona-Testverordnung sieht ein Ende der grundsätzlich kostenlosen Antigen-Schnelltests zum Erkennen von Infektionen vor. In vielen Fällen werden nun drei Euro Kostenanteil fällig. In jedem Fall muss vor einem Test der Anspruch nachgewiesen werden. Symptomatische Patientinnen und Patienten sollen zum Arzt gehen und sich dort testen lassen.

Anspruch auf einen Bürgertest gegen Eigenbeteiligung haben:

Personen, die am Tag der Testung eine Veranstaltung in Innenräumen besuchen wollen; Personen, die am Tag der Testung Kontakt zu Personen haben werden, die ein hohes Risiko haben, schwer an Covid-19 zu erkranken (Menschen ab 60 Jahren und/oder mit Vorerkrankungen);
Personen, die durch die Corona-Warn-App einen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko erhalten haben („rote Kachel“).

Anspruch auf einen kostenlosen Test haben:

Kinder bis zu ihrem fünften Geburtstag; Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, unter anderem Schwangere im ersten Trimester; Personen, die zum Zeitpunkt der Testung an klinischen Studien zur Wirksamkeit von Impfstoffen gegen das Coronavirus teilnehmen; Personen, bei denen ein Test zur Beendigung der Quarantäne erforderlich ist („Freitesten“)
Besucher und Behandelte oder Bewohner in stationären bzw. ambulanten Pflege- und Krankeneinrichtungen, Leistungsberechtigte, die im Rahmen eines Persönlichen Budgets nach dem § 29 SGB IX Personen beschäftigen, sowie Personen, die bei Leistungsberechtigten im Rahmen eines Persönlichen Budgets beschäftigt sind; Pflegende Angehörige; Haushaltsangehörige von nachweislich Infizierten.Anspruch auf einen Bürgertest gegen Eigenbeteiligung haben.

Bürokratische Hürden werden beschrieben

Jens Dapper (AWO) kam auf Bürokratie zu sprechen, was Besuche von Angehörigen in den Pflegeheimen betrifft. Auch diese Hürden werden in der Zusammenfassung der  Kreispressestelle beschrieben:

Das Center in der Marburger Straße in Gießen.

Laut der hessischen Coronavirus-Basisschutzmaßnahmenverordnung dürfen nur Besucher eingelassen werden, die einen offiziellen Testnachweis vorlegen können. Viele Einrichtungen können die Antigentests für Besucher:innen am Eingang nicht leisten. Ausreichendes Testpersonal in den Heimen ist nicht zusätzlich vorhanden, es wird allerdings versucht, bestimmte Testkorridore kundenfreundlich anzubieten. Die Finanzierung der Testungen reicht nur dann aus, wenn eine große Anzahl Angehöriger zu vereinbarten Zeiträumen im Hause wären. Hinzu kommt die zukünftig fehlende Kostenerstattung für Personal, das vorhandene Testnachweise kontrollieren kann, da der Pflege-Rettungsschirm Ende Juni ausgelaufen ist. Das vorhandene Personal arbeitet seit mehr als zwei Jahren unter größten Belastungen und ist am Limit.

Nach aktueller Verordnung entsteht zusätzlicher bürokratischer Aufwand, da nun Angehörige mit Bescheinigungen für die Testcenter ausgestattet werden sollen – die Pflegemitarbeitenden müssen nun noch ergänzend zur eigentlichen Arbeit Bescheinigungen für Angehörige ausstellen. Einige Testcenter fordern eine tagesaktuelle Bescheinigung: Ein Pflegeheim müsste also vor dem Besuch im Heim bescheinigen, dass eine Person an diesem Tag das Heim besuchen möchte. Dies bedeutet für den Angehörigen, dass er zunächst die Bescheinigung abholen, dann das Testcenter aufsuchen und dann zurück ins Pflegeheim muss.

Das Testcenter in Staufenberg.

Die Frage nach Datenschutzvorgaben sind hierbei genauso ungeklärt wie die Frage, wie lange die Nachweise gültig sind. In den FAQ der Bundesregierung wird darauf verwiesen, dass in den Testcentern auch eine sogenannte „Selbsterklärung“ für den kostenlosten Test ausreicht. Damit wäre eine Bescheinigung mit den unklaren geschilderten Prozessthemen nicht notwendig. Vor allem ältere Menschen, die Angehörige in Heimen besuchen, werden durch diese zusätzlichen Wege und ein unklares Vorgehen belastet. Mitarbeitende werden außerhalb Ihrer eigentlichen Pflegeaufgaben mit Bürokratie belastet.

Jens Dapper sieht durch diese Situation eine zusätzliche Belastung für die Heimbewohnerinnen und –bewohner sowie für die Heim-Mitarbeiterinnen und –mitarbeiter.  Dies könne und dürfe so nicht bleiben.

DRK und Johanniter ebnen Weg für weiteres Testen

Marco Marco Schulte-Lünzum und Christian Betz erläuterten, in den Testcentern von JUH und DRK gelte die „Selbsterklärung“. Betz und Schulte-Lünzum und alle weiteren Verantwortlichen bei diesem Pressegespräch zeigten trotz der Erschwernisse durch die neue Verordnung keine Resignation: Wie eingangs erwähnt, sorgen DRK und JUH in Zusammenarbeit mit dem Landkreis dafür, dass in ihren Einrichtungen das Testen nicht aufhört.

Werden sich Finanzschwache weniger testen lassen?

Nachdenklich stimmt allerdings, was beispielsweise Johanna de Haas und Anita Schneider ansprachen: Wer wenige finanzielle Mittel hat, wird möglichweise künftig die Testcenter gar nicht mehr aufsuchen. Und das in einer Situation, in der die Infektionszahlen im Landkreis Gießen wieder hoch sind: 1075, 6 war die Siebentage-Inzidenz im Landkreis Gießen am 7. Juli 2022 laut Statistik des Landkreises.

Einige Folgen der neuen Verordnung

Abschließend noch einmal ein Zitat aus der Zusammenfassung  des Landkreises für das Pressegespräch: Unter der Überschrift „Folgen aus Sicht des Gesundheitsamts“ heißt es darin:

Der Bund senkt … die Kostenerstattung für Bürgertests von bisher 11,50 Euro auf 9,50 Euro. Diese um fast 20 Prozent geringere Erstattung sowie die bürokratischen Hürden werden voraussichtlich dafür sorgen, dass Teststellen schließen. Ggf. werden in privaten Teststellen damit auch die Qualität der eingesetzten Testmaterialien sowie der Testdurchführung sinken. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV), die für die Abrechnung der Tests mit den Teststellen zuständig ist, hat mitgeteilt, die Bürgertestungen künftig nicht mehr abzurechnen und auszuzahlen. Die Richtigkeit dieser Auszahlungen sei nicht mehr zu prüfen, heißt es in einem offenen Brief an den Bundesgesundheitsminister.

Titelbild: Auch das Testcenter im Seltersweg in Gießen bleibt geöffnet.

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