Das rollende Sommertheater
Von Elfriede Maresch
Ein ganz besonderes Gefährt hält während der Sommerferien an Orten der Wetterau, des Hochtaunuskreises, des Kreises Gießen und des Vogelsberges an. Die Wagenklappe geht auf, die Zuschauerstühle werden gestellt, Beleuchtung und Tontechnik eingeschaltet – das Sommertheater kann beginnen, dem Hygienekonzept entsprechend im Freien, aber mit wenig Transport- und Aufbaustress. Diese „Bühne Mehrkulturwagen“ kommt tatsächlich auf vier Rädern daher. Erdacht hat sie Michael Glebocki, zusammen mit seiner Frau Dorothée Arden Betreiber der Kleinkunstbühne Fresche Keller im Wallernhäuser Alten Dorfladen. Partner dieses neuen rollenden Sommertheaters sind der Kronberger Kulturkreis und das Kulturbüro 11.Glebocki stieß im Internet auf das Programm „Ins Freie!“, mit dem das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst neue wie auch bestehende Open air-Veranstaltungsformate fördern will. Das brachte den Kleinkunstorganisator ins Grübeln: Frankfurter Projekte gehören bestimmt dazu, aber was gibt es hier auf dem flachen Land? Theater mit schlankem, transportablem Equipment an Orten, wo es keine Spielstätten gibt? Rollende Kultur, heute auf dem Platz vor einem Bürgerhaus, morgen auf einer Wiese, übermorgen in einem Wirtsgarten? Immer mehr sah Glebocki eine zeit- und arbeitssparende, perfekte Spielstätte vor sich: die Idee des Mehrkulturwagen wurde konkret. Bei den Entscheidungsträgern von „Ins Freie!“ konnte Glebocki überzeugen, sein Projekt kam ins Förderprogramm.
Glebocki griff zu
Doch dann begann die Suche nach einem geeigneten Anhänger, Glebocki wurde fündig und war optimistisch. Eine niederschmetternde Information folgte, fehlende Anhängerteile seien erst in 17, 18 Wochen lieferbar. Mit eingerechneter Umbauzeit hätten die open air-Veranstaltungen im Herbstregen beginnen können – kein ideales Setting! Glebocki dehnte die Suche auf Gebrauchte aus. Da stand in Papenburg der kaum benutzte Messewagen einer Firma für Kaminanschlussteile zum Verkauf, weil Corona das Messegeschäft lahmgelegt hatte. Glebocki griff zu, brachte seinen Neuerwerb ins heimische Wallernhausen und stürzte sich in die Umbauarbeiten. Aus der einstigen Verkaufs- wurde die Spielfläche. Die Elektroanschlüsse wurden erneuert, ein Stromzähler installiert und Scheinwerfer und Kabelleuchten kamen an die ehemalige Verkaufsklappe. Und bei Abendvorstellungen? Glebocki hält weitere, frei auf der Wiese aufzustellende Stative mit Strahlern bereit. Dann kam der TÜV und prüfte die technischen Details. Der Vorbesitzer hatte für schnelleres Tempo den Wagen abgelastet. Der TÜV verlangte Einsicht auf die Achsen-Typenschilder, Glebocki kroch flach unter den Wagen und fotografierte. Er hatte Glück, die Ablastung war ohne technische Änderungen vorgenommen worden, vom TÜV kamen keine Beanstandungen. Die Decke des Theateranhängers wurde gedämmt. Glebockis digitales Tontechnik-Equipment wird hinter dem Wagen aufgestellt und mit Tablet gesteuert. Vorhangstangen mit flammhemmenden Vorhängen wurden aufgehängt. Glebocki: „Das Material ist absolut vorschriftsgerecht, aber schwer zu verarbeiten, der Schneider fluchte wie ein Kesselflicker.“ Und das Fazit des Mehrkulturwagen-Erfinders: „In wenigen Wochen habe ich mehr Kenntnisse über Anhänger gewonnen als in meinem ganzen Leben zuvor“.
Bekannte Künstler machen mit
Nun kann Glebocki mit einem Mehrkulturwagen vorfahren, wo alles Theater-Nötige hineinpasst und mit ein paar Handgriffen aufgestellt werden kann: ein fahrbares Wägelchen mit den Klappstühlen, alles für Tontechnik und Beleuchtung und die jeweils gebrauchten Requisiten. Das „leibliche Wohl“ der Zuschauer ist nicht vergessen, Glebocki bringt Desinfektionsmittelspender mit, ein fahrbares Waschbecken mit Frischwassertank und Fußpumpe und eine Kompost-Toilette mit Zelt.
Fehlte nur noch ein attraktives Programm. Darum hatte Glebocki sich gleichzeitig mit dem Wagenausbau gekümmert. Er fand bekannte Künstler, die entweder nachmittags Kinderprogramm bringen und/oder abends für die Erwachsenen auftreten: den Puppenschnitzer, -spieler und Erzähler Albert Völkl; Sabine Fischmann und Ali Neander, aus dem „Grüne Soße“-Festival und mehr bekannt; Martin Pfeiffer mit seinen Kinder-Pop-Konzerten; die Soul- und Pop-Sängerin Tine Lott; Erwin Grosche, Sprachjongleur mit Fantasie und Tilmann Birr und Elis Bihn, Meister der „Welthits auf Hessisch“. Etliche Engagements sind schon gebucht. Die genauen Spielorte, Termine und Künstlerauftritte werden demnächst in den Medien bekannt gegeben.
Nähere Information gibt es per Mail bei post@mehrkulturwagen.com„
Titelbild: Im wahrsten Sinn des Wortes „auf dem Weg“: Michael Glebocki vor seinem Mehrkulturwagen