Bikepacking Marathon

Harter Brocken

Von Bruno Rieb

Es ist nicht leicht, wenn Kinder über sich hinaus und den Eltern über den Kopf wachsen. Unser Jüngster, inzwischen auch nicht mehr ganz jung, wollte von Bremen auf den Brocken und zurück radeln – an einem Tag, 510 Kilometer, und der Brocken ist ganz schön hoch, der Weg steil.

Wir sind auch schon so weit geradelt, aber nicht an einem Tag, sondern in mindestens einer Woche, und Steigungen wie auf den Brocken haben wir vermieden. Immerhin ließ sich Sohnemann überreden, mich als eine Art Begleitteam per Auto zu akzeptieren. Mitternacht schwingt er sich in Bremen aufs Rennrad, das er mit dem allernötigsten Gepäck ausgestattet hat, „Bikepacking“ nennt sich das und er fährt einen Bikepacking Marathon. Start und Ziel ist das Bremer Weserwehr.

Unmittelbar vor dem Start Mitternacht in Bremen.

Verfahren und verletzt

Unterwegs.

Gegen Mittag kommt das per Mobiltelefon aufgenommene Foto, das ihn auf dem Brocken zeigt. Ich setzte mich ins Auto, um den ersten verabredeten Treffpunkt, etwa 100 Kilometer vor dem Ziel, anzusteuern. Sohnemann trifft dort mit gut zweistündiger Verspätung ein: Er hat sich bei der Abfahrt vom Brocken auf unwegsame Waldwege verfahren und sich bei einem Sturz auch noch eine tiefe Wunde am Knie zugezogen. In einer Apotheke hat er sich Desinfektionsmittel und Pflaster besorgt, die Wunde notdürftig verarztet, und ist tapfer weiter geradelt. Alle Versuche, ihn zum Aufgeben zu überreden, scheitern.

Er schwingt sich gleich wieder aufs Rad. Kaum ist er weg, beginnt ein sintflutartiger Gewitterregen. Ich fahre die Strecke ab, um ihn ins Auto zu retten, komme bei dem heftigen Regen aber nur langsam voran. Am vereinbarten Treffpunkt regnet es nicht. Er steht da und ist verärgert, dass er kurz vor dem Ziel warten musste. Er schickt mich zurück nach Bremen. Inzwischen ist es etwa 20 Uhr. Er will in zwei Stunden am Ziel sein. Ich fahre durch strömenden Regen zurück.

Noch zuversichtlich, kurz vor dem sintflutartigen Dauerregen.

Sintflutartiger Dauerregen

Im Hotel erreicht mich sein Anruf. Er steht völlig durchnässt im heftigen Dauerregen. Ich soll ihn abholen. An Weiterfahren ist auf den Straßen, auf denen das Wasser steht, nicht zu denken. Als ich ihn ins Auto lade und trockene Kleidung gebe, hadert er mit sich und der Welt, dass er kurz vor dem Ziel – nach etwa 433 Kilometern – aufgeben musste.

Dabei ist er wirklich ein harter Brocken.

Titelbild: Auf dem Brocken.

2 Gedanken zu „Bikepacking Marathon“

  1. Lieber Bruno,

    dein Bub ist wirklich ein harter und zäher Brocken. Richte ihm meinen Respekt und meine Bewunderung aus.

    (Mit 16 Jahren – also vor langer, langer Zeit – radelte ich mit einem Freund an einem Tag von Bremen bis nach Groningen in Holland. Gangschaltung war noch nicht erfunden, und mein Hintern erinnerte an einen Pavian).

    Grüße von Peter Gwiasda

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