Bahnausbau

„Bahnane“: Es geht um mehr Güterzüge

Von Klaus Nissen

Bei der Erweiterung der Main-Weser-Bahn nördlich von Frankfurt auf vier Gleise halte sich die Bahn nicht an alle Regeln. Sie lasse Anwohner mit ihren Problemen alleine, beklagte die Bürgerinitiative „Bahnane“ im Erörterungsverfahren. Die Strecke solle für mehr Güterzüge ertüchtigt werden, meinte der BI-Sprecher und zitierte als Belege Veröffentlichungen der Bahn.

Planung für vier Gleise wird vorgestellt

Ab 19. Februar 2024 rollt die S6 zwischen Bad Vilbel und Frankfurt auf eigenen Gleisen. Jetzt plant die Bahn den weiteren Ausbau bis Friedberg. Doch der wird kaum bis 2030 fertig sein, prophezeit Michael Hub: „Es ist davon auszugehen, dass der Planfeststellungsbeschluss beklagt wird.“

Blick von der Okarbener Fußgängerbrücke auf einen nach Norden sausenden Regionalexpress. Er soll auf der künftig viergleisigen Strecke die S-Bahn nicht mehr ausbremsen. Die Brücke wird von der Bahn verlängert. Doch manche Über- und Unterführung droht zu verschwinden, warnt die Bürgerinitiative „Bahnane“. Foto: Nissen

Der Sprecher der BI „Bahnane“ ist Umweltgutachter und Bahnstrecken-Anrainer in Frankfurt. Beim Erörterungstermin Ende November 2023 im Dortelweiler Kultur- und Sportforum warf der von 30 Mitstreitern flankierte Mann der Bahn indirekt eine Täuschung der Öffentlichkeit vor. Viel wichtiger als ein reibungsloser 15-Minuten-Takt zwischen Friedberg und Frankfurt scheint dem Konzern nach Hubs Empfinden der Ausbau für mehr Güterzüge zu sein.

Der milliardenschwere Gleisbau in der Wetterau ist für die BI Teil eines nationalen Plans. Auch die Ertüchtigung der Riedbahn bis Mannheim, die neuen Bahnknoten am Frankfurter Sportfeld und im Gallus dienten dazu, mehr Güterzüge durch den Ballungsraum zu führen. Ab 2030 wolle die Bahn auch die Strecke zwischen Gießen und Kassel komplett erneuern und verbreitern, behauptete Hub. „Das sind Projekte, um Güter effektiv von den Seehäfen an der Nordsee bis Genua zu transportieren.“

Gut 50 Güterzüge in der Nacht

Die auf der Bühne sitzenden Vertreter der Bahn reagierten wortkarg. Auch auf den Vorwurf von „Bahnane“, das Betriebsprogramm für die Strecke passe nicht zum geplanten Ausbau zwischen Bad Vilbel und Friedberg. Seit 1988 seien hier täglich bis zu 75 Güterzüge unterwegs, aktuell wegen der Bauarbeiten nur 44. Doch für 2025 habe die Bahn 91 Güterzüge prognostiziert, von denen 52 nachts fahren sollen.

Das Zugaufkommen für 2030 sei doch transparent, entgegnete ein Sprecher der Bahn. Es stehe im Bundesverkehrswegeplan. „Es ist nicht so, dass die Bahn Einfluss darauf nimmt, wie diese Züge geroutet werden. Das macht der Bund.“

Ein Zug der S6 in Friedberg. Nach dem Ausbau fährt die Bahn nach Frankfurt stets von Gleis 5 ab. Foto: Nissen

Die Bau-Praxis der letzten Jahre südlich von Bad Vilbel lässt die BI fürchten, dass auch an der 17 Kilometer langen Baustelle bis Friedberg viel schieflaufen wird. Die Bahn habe nachts um drei die Ramme lärmen lassen – aber den geplagten Anwohnern keine Hotelübernachtungen angeboten. Vereinzelt habe die Bahn ohne Betretungsrecht Privatgrundstücke okkupiert, Bäume gefällt und Zäune niedergerissen. Die Betoninjektionen in den Bahndamm störten den Grundwasserlauf, berichtete Michael Hub. Auf einer Seite des Damms sei eine Feuchtwiese plötzlich trockengefallen, während sich auf der anderen Seite nun Wasser staue. Die Häuser von Anwohnern hätten Risse bekommen, danach seien die Schadensgutachten den Betroffenen vorenthalten worden.

BI fühlt sich ignoriert

„Fast alle unsere Einwendungen wurden nicht berücksichtigt“, beklagte der „Bahnane“-Sprecher mit Blick auf das Erörterungsverfahren von 2011 für die Südstrecke der S6. So habe die Bahn nicht, wie versprochen, die Lärmschutzwände begrünt. Nur auf etwa 15 Einwendungen habe die Bahn damals geantwortet. Das soll den 344 Unterzeichnern der aktuellen Sammeleinwendung nicht passieren. Die beiden Moderatorinnen vom Regierungspräsidium Darmstadt reagierten zurückhaltend. Es gehe hier ja nicht um die Vergangenheit, sondern um den künftigen Bahn-Ausbau.

In Bad Vilbel-Süd ist die Bahn-Erweiterung fast fertig. Am Bahnhof entsteht eine auch per Rampe zugängliche Unterführung. Die mächtige Metallbrücke rechts wird abgebaut. Foto: Nissen

Die Herrinnen der Mikrofone und die beiden Stenografen hatten während der Erörterung eine harte Woche. Von Montag bis Freitag mussten sie alle Sorgen, Fragen und Antworten moderieren und korrekt ins Wortprotokoll einführen. Am Montag ging es noch flott. Mit den Kommunen ist man laut Christoph Süß vom Regierungspräsidium fast völlig einig geworden. Also offenbar auch beim Rampenbau und der Süd-Verlegung des Dortelweiler Bahnhofs. Zu prüfen ist laut Süß nur noch, ob in Okarben die Rampe zu den Gleisen bleibt. Mit einzelnen Landwirten gebe es noch Streit, ob die Land-Abgabe für die Trasse und die Naturschutz-Ausgleichsflächen existenzgefährdend sind oder nicht. Am Ende, so Süß, entscheide das Eisenbahnbundesamt und das Verwaltungsgericht.

Bad Vilbels Bürgermeister: Erfolg auf ganzer Linie

Am Dienstag dauerte die Diskussion mit Anliegern aus Bad Vilbel und Karben bis in die Dämmerung. Weil nicht alle gehört wurden und sich auch die „Bahnane“- Anhörung am Mittwoch hinzog, schaffte man die Diskussion mit Bahn-Anrainern aus der Friedberger Region am Donnerstag nicht komplett. So traf man sich auch am Freitag, dem „Reservetag“, noch im Dortelweiler Forum. Alle Einwendungen muss das Eisenbahn-Bundesamt nun für die Planfeststellung bewerten.

Bei der Erörterung ging es auch um die 26-seitige Stellungnahme der Stadt Bad Vilbel. Die DB Netz AG hat am Ende zahlreiche Anregungen der Stadtverwaltung berücksichtigt, meldet Bürgermeister Sebastian Wysocki: „Wir können mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein.“

Auch in Okarben gibt es eine Bahnüberführung für Radfahrer und Fußgänger. Sie soll verbreitert werden, weil sie künftig über vier Gleise verläuft. Foto: Nissen

Besonders wichtig sei, dass die Bahn von ihrer Planung abgerückt sei, die Rampenanlage auf der Westseite des Bahnhofs Dortelweil durch einen Aufzug zu ersetzen. „Diese wichtige Verbindung für den Fuß- und Radverkehr bleibt auch zukünftig erhalten. Wir konnten in Verhandlungen erreichen, dass wir zukünftig eine Rampe, einen Aufzug für die Barrierefreiheit und eine Treppenanlage auf der Westseite haben werden. Das Ganze auch ohne finanzielle Beteiligung durch die Stadt“, so der Bürgermeister.

Parallel dazu werde auch der Straßenbereich Weitzesweg/Kreisstraße umgeplant, um den Anschluss an das städtische Wegenetz zu gewährleisten. Erfreulich sei auch, dass auf dem Brückenneubau Friedberger Straße der gemeinsame Geh- und Radweg mittels einer Leitplanke von Autoverkehr getrennt werde.

Ebenfalls werde die DB Netz AG die bahnparallele Baustraße auf der Westseite zwischen Dortelweil und Karben in einer Breite von vier Metern und in Asphalt herstellen, so dass die Tresse für eine spätere Nutzung als Radschnellweg zur Verfügung steht. Auch werde die Baustellenerschließung nicht mehr über den viel durch Radfahrer genutzten Karbener Weg, sondern über auszubauende Feldwege sichergestellt. „Das ist für die Sicherheit des Radverkehrs ein wichtiger Punkt unseres Forderungskatalogs gewesen“, berichtet Wysocki.

Lärmschutzwände werden nicht begrünt

„Für den Lärm- und Erschütterungsschutz ist es positiv, dass die Vorhabenträgerin in der Ortslage Dortelweil durchgängig besohlte Schwellen einbauen wird“, zeigt sich Wysocki zufrieden. Nicht durchsetzen konnte man sich mit der Forderung, die Lärmschutzwände zu begrünen.

Der Dortelweiler Ortsvorsteher Herbert Anders gibt sich erfreut, dass während der Sperrung zur Erneuerung der Eisenbahnbrücke über die Theodor‐Heuss‐Straße ein temporärer Behelfsbahnübergang an der Kreisstraße (ehemaliger Bahnübergang am Haltepunkt Dortelweil) hergestellt werde. „So können die Alt-Dortelweiler ohne große Einschränkungen diese Sperrung überwinden“, so Anders.

Enttäuscht zeigte er sich, dass es keine Videoüberwachung am Bahnhof geben wird: „Es ist sehr schade, dass die Bahn dieses Ansinnen rundherum ablehnt. Gerade für die Nutzerinnen und Nutzer der S-Bahn, die künftig zwischen riesigen Lärmschutzwänden auf die Bahn warten, hätte eine Videoschutzsanlage mehr Sicherheit bedeutet.“

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