Bäckerei Mörler

„Aus“ nach knapp 90 Jahren

Von Jutta Himmighofen-Strack

Die Bäckerei Mörler in Friedberg schließt am 31. Oktober 2024. Nach fast 90 Jahren muss der Familienbetrieb aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben.

Schmerzhafter Entschluss

Steffen Mörler und Steffen Schill sind beide Mountainbiker und wissen: um einem Berg per pedes zu erklimmen, muss man ihn in Etappen einteilen. Weniger körperlich als psychisch. Etappe für Etappe. So haben sie es auch in ihrer Bäckerei gehalten, als sie feststellen mussten, dass nach der Pandemie nicht vor der Pandemie ist. Die zwei Bäckermeister haben letztes Jahr ihren Standort Bad Nauheim aufgegeben, weil sie sich mit dem verbleibenden Personal auf ihren Stammsitz in Friedbergs Altstadt konzentrieren mussten. Nächste Etappe bedeutete in diesem Jahr zwei Preiserhöhungen innerhalb kurzer Zeit an die Kunden weitergeben zu müssen, um am Ende festzustellen: es hilft alles nichts. Jetzt mussten sie aus betriebswirtschaftlichen Gründen den schmerzhaften Entschluss fällen, am 31.Oktober für immer die Bäckerei Mörler zu schließen. Keine weitere Etappe mehr. „Dieser Berg ist für uns nicht mehr zu bezwingen“, sagt Mörler.

Es ist den beiden anzumerken, wie schwer es ihnen fällt, diesen Entschluss kundzutun. Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kündigen, die teilweise schon viele Jahre zur „Mörler-Familie“ gehören und ihre Stammkundschaft zu enttäuschen, die ihnen über so viele Jahre die Treue gehalten hat.

Kein Spielraum mehr

Für Steffen Mörler indes kommt noch die Tatsache hinzu, dass er jetzt derjenige ist, der das Ende des Familienbetriebes nach fast 90 Jahren einläuten muss. „Das braucht Zeit“, erzählt Steffen Mörler, aber wir merken auch, dass es uns erleichtert, endlich eine klare Entscheidung getroffen zu haben“. Wenn man keine Zuversicht mehr hat, die Kräfte aufgebraucht sind, braucht es einen klaren Strich und eine Neuausrichtung.

Und sie wissen, damit stehen sie nicht allein, sondern reihen sich ein in die Schließungen kleiner Bäckereien in der Wetterau in den letzten Jahren. Vom „Bäckersterben“ pauschal möchten die beiden Bäckermeister jedoch nicht reden, dann schon eher vom Strukturwandel auf dem Backwarenmarkt. Statt vieler kleiner Bäckereien, gebe es heute viel mehr zentrale Produktionsstätten mit einem lokalen oder regionalen Netz von Verkaufsstellen. Steffen Mörler: „Natürlich kämpfen diese Betriebe auch mit den erhöhten Energiekosten, dem Mindestlohn, den Problemen bei der Personalsuche, aber aufgrund der Produktionsmenge kaufen sie einfach wesentlich günstiger ein und bleiben so wirtschaftlich.“ Steffen Schill ergänzt: „Wenn man über ein Netz von Filialen verfügt, kann man damit leben, wenn die eine oder andere Filiale nicht so läuft, beschreibt Steffen Schill die Situation. Mit einem einzelnen Standort, der wie bei uns, auf Stammkundschaft angewiesen ist, weil es hier in der Altstadt keine Laufkundschaft gibt, gibt es keinen Spielraum.“

1937 vom Großvater gegründet

Und doch: verbittert wirken beide nicht. Sie hätten immer wieder viel Zuspruch und Anerkennung für ihre Backkunst von ihren Kunden bekommen. Das sei gut für die Seele gewesen und habe sie auch lange durchhalten lassen, aber es schlug sich immer weniger in den Verkaufszahlen nieder.

So geht jetzt Ende Oktober nicht nur eine Familientradition zu Ende, sondern auch eine Geschichte eines Geschäftshauses. Bereits 1607 wurde das Haus in der Usagasse 14 erstmalig urkundlich erwähnt. Seit dieser Zeit war das Bäckerhandwerk hier zuhause. Anfang des 20. Jahrhunderts sogar für den großherzoglich hessischen Hof, wenn der Großherzog im Schloss – seiner Sommerresidenz – weilte, und auch für den kaiserlich russischen Hof, als die Zarenfamilie im Jahre 1910 zur Kur in Bad Nauheim im Schloss wohnte.

1937 übernahm dann der Großvater von Steffen Mörler die Bäckerei, der zuvor in einer Frankfurter Konditorei arbeitete. Im Gepäck hatte er von einem Gesandten aus der Dresdner Stollenhochburg die meisterliche Zubereitung des Weihnachtskuchens – dem Dresdner Stollen. Und das ist die gute Nachricht am Schluss. Auf den dürfen sich die Kunden auch in diesem Jahr noch einmal freuen.

Titelbild: Steffen Schill (links) und Stefffen Mörler vor ihrer Bäckerei in der Friedberger Altstadt.  (Foto: Jutta Himmighofen-Strack)

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