Ausländerbehörde


Neue Regeln im Ausländeramt

Von Klaus Nissen

Warteschlangen, Personalmangel, Stress bei Antragstellern und Sachbearbeitern – sogar Demonstrationen gab es im vorigen Jahrzehnt vor der Ausländerbehörde in Friedberg. Ihr wurde Ausländerfeindlichkeit unterstellt – und sie war sichtlich überfordert. Nun hat sich viel geändert.

Ausländerbehörde arbeitet nun schneller

Ab sechs Uhr früh fröstelten einst die ersten Menschen vor dem Haus A des Landratsamtes an der Kaiserstraße. Sie hofften auf Vorsprache, um die Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis, einen Ausweis beantragen zu können. Oft vergeblich. Es dauerte drei Monate und mehr bis zum Erstkontakt.

Als er 2023 seinen Job antrat, arbeitetete der Migrations-Fachstellenleiter Peter Müller noch vor und mit Papierakten. Diese Zeiten sind vorbei. Repro: Nissen

Das sorgte für Frust. „Es geht für die Kunden ja um viel“, sagt Peter Müller. Der 41-Jährige kam 2023 als Fachstellenleiter für allgemeine Aufenthaltsangelegenheiten in die kriselnde Behörde. Und nahm Platz vor einer deckenhohen Regalwand voller Akten. Jedes Büro im ersten Stock war mit Papier vollgestellt, berichtet auch Christian Keim (44), der seit 2020 als Fachdienstleiter alle drei Fachstellen der Behörde führt. Und wenn mal eine Akte nicht am richtigen Platz stand – dann gab es ein Problem.

In der Corona-Zeit kam es zum Generationswechsel in der Führungsebene der Problem-Behörde. Die ebenfalls neue Dezernentin und Kreisbeigeordnete Marion Götz gab den jüngeren Chefs und Chefinnen Raum für Reformen. Und die waren drastisch.

So wurden die damals 37 000 Papierakten der Wetterauer ohne deutschen Pass in Lastwagen verladen. Ein Dienstleister scannte alle Schreiben, Fotos, Bescheinigungen und Dokument-Kopien – nun sind sie im Server des Landratsamtes abrufbar. Seit 2020 kamen mehr als 10 000 Akten hinzu, die gar nicht mehr auf Papier angelegt wurden.

Erst ein Antrag, dann ein Termin

Noch wichtiger ist eine andere Reform. Marion Götz, Christian Keim und ihr Team änderten unter dem Motto „Valesko“ (lateinisch für „ich erstarke“) seit Jahresbeginn die Arbeitsweise des Amtes. Bisher mussten die Kunden einen Termin ergattern. Das dauerte lange, war wegen der schwierigen Anreise aus Büdingen oder Gedern oft umständlich und frustrierend. Weil es keine Sprechzeit gab, die Kommunikation stockte oder Dokumente fehlten.

Auch per Videokonferenz über Webex ist die Ausländerbehörde neuerdings erreichbar. Hier in Gestalt von Antje Seidl. Foto: Nissen

Jetzt ist zunächst ein Antrag einzureichen. Das Formular kann man im Kreishaus abholen oder aus dem Netz laden. Dann gibt es eine Rückmeldung und einen Terminvorschlag aus der Behörde. Beides kommt fortan schneller und präziser als bisher, meint Peter Müller. Seine Leute können die Digitalakten flott finden, scrollen, bearbeiten und Bescheide erteilen.

Die Sachbearbeiter erkennen laut Müller und Keim leichter, welcher Fall dringend ist und können ihn vorziehen. Jetzt hat die Behörde auch einen KI-gestützten Scanner. Der prüft, ob der Pass eines Antragstellers, ob ein Stempel echt oder gefälscht ist. Bisher erfolgte diese Prüfung extern – und brauchte mehr Zeit.

Weniger Stress für Kunden und Belegschaft

Der Anlauf des neuen Systems seit dieser Woche macht außerdem Homeoffice für die Bediensteten möglich, sagt Christian Keim. „Dadurch steigt auch die Attraktivität des Wetteraukreises als Arbeitgeber.“ Das Team konnte auf 50 Leute aufgestockt werden – auch wenn man weiter Personal sucht.

eter Müller zeigt, wie die Identitäts-Aufnahmestation in der Empfangshalle der Ausländerbehörde funktioniert. Das System macht Passfotos, nimmt Fingerabdrücke und digitale Unterschriften auf. Anleitungen dazu gibt es auch in arabisch, russisch, persisch und türkisch. Foto: Nissen

Wer zur Ausländerbehörde muss, findet am Eingang einen mannshohen Check In-Computer. Wer sich da registriert hat, bekommt einen QR-Code und wird dann dem richtigen Ansprechpartner im richtigen Zimmer zugewiesen. Wenn ein anderer Termin ausfällt, wird man vorgezogen. Ein weiteres Gerät macht digitale Passfotos und gibt Anweisungen, wie und in welche Richtung man zu gucken hat. Auf dem Touchpad kann man seine Unterschrift zum digitalen Antrag in der E-Akte hinterlassen. Und bei Bedarf speichert das Gerät künftig auch die Fingerabdrücke.

Von den Kommunikationsgewohnheiten seiner Kinder inspiriert, führte Christian Keim eine weitere Neuerung ein. Seit Montag gibt es vormittags eine virtuelle Sprechstunde. Über die Migrationsseiten der Kreis-Webseite (www.wetteraukreis.de) kann man einen grünen Knopf anklicken und per Videokonferenz mit dem Amt kommunizieren. Voraussetzung ist eine Webex-App auf dem Smartphone. Die Kunden können Fragen stellen, ein Dokument in die Kamera halten. Oder einfach mit dem Amt chatten.

Götz: Es geht um die Einstellung zu diesem Job

In Summe sind die Vorteile der Digitalisierung groß, sagt die Kreisbeigeordnete Marion Götz. „Aber das ist kein Allheilmittel.“ Wichtig sei, dass das Personal die richtige Arbeitseinstellung habe.

Die gibt es inzwischen, bescheinigt Johannes Hartmann von der Arbeitsgemeinschaft Flüchtlingshilfe: „Die Behörde versteht sich jetzt als Kundenservice und nicht als Torwächter vor fremden Horden, die Deutschland fluten wollen, wie man früher den Eindruck hatte.“ Trotzdem müsse man möglichst früh aktiv werden, wenn man etwas von der Ausländerbehörde braucht.

Wichtige Behörde für 54 000 Menschen

Ob französischer Geschäftsmann oder Flüchtling aus Afghanistan – wer in der Wetterau lebt und keinen deutschen Pass hat, bekommt es mit der Ausländerbehörde zu tun. Sie lädt jedem zum Gespräch, der hier landet. Und prüft, ob er legal hier ist. Bei EU-Bürgern wird der Status laut Peter Müller alle zehn Jahre überprüft, bei anderen nicht-deutschen Wetterauern alle drei Jahre. Asylantragsteller und andere Leute mit schwachem Aufenthaltsrecht müssen häufiger kommen. Aktuell bilden sie aber mit etwa 1200 Personen eine relativ kleine Gruppe. Insgesamt kümmert sich die Behörde um rund 54 000 Menschen. Vor fünf Jahren waren es 10 000 weniger.

Fachdienstleiter Christian Keim hat mit seinemTeam die Arbeitsweise der Ausländerbehörde grundlegend verändert. Foto: Nissen

Die Zahl neuer Asylbewerber ist stark zurückgegangen. Momentan werden dem Kreis weniger als zehn pro Woche zugewiesen, so dessen Pressesprecherin Deliah Werkmeister. Aus der Ukraine nahm der Kreis seit Kriegsbeginn rund 7000 Menschen auf, von denen noch 4300 in der Wetterau leben. Für die Unterbringung von Neuankömmlingen und für Sozialleistungen sind andere als die Ausländerbehörde zuständig. Das Amt prüft Visa und Verpflichtungserklärungen, erlaubt die Ansiedlung und Arbeitsaufnahme, verfügt Abschiebungen – die dann aber das Land Hessen vollziehen muss.

Erst nachträglich wurde bekannt, dass die hessischen Ausländerbehörden seit Ende März keine Aufenthaltstitel mehr ausstellen konnten. Denn die Abfrage sicherheitsrelevanter Daten beim Landeskriminalamt funktionierte nicht. Deshalb konnten Antragsteller nur vorläufige „Fiktionsbescheinigungen“ bekommen. Das bringe den Antragstellern aber keine weiteren Nachteile, so Christian Keim vom Fachdienst Migration. Pro Jahr stelle die Ausländerbehörde 10000 bis 12 000 Aufenthaltstitel aus, also knapp tausend pro Monat. Seit dem 29. Mai funktioniere die Sicherheits-Datenabfrage wieder.

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