Jeder 20. braucht Geld vom Staat
Im reichsten Landkreis Deutschlands leben 5,4 Prozent der Einwohner von staatlichen Leistungen. Das sind 12 400 Menschen. Zwischen 2011 und 2014 hat sich der Anteil der Armen im Hochtaunus um zehn Prozent erhöht. Die Evangelische Kirche und und die Kulturloge Hochtaunus legten ihren vierten Armuts- und Reichtumsbericht vor.
Arme im Hochtaunus
Im Hochtaunuskreis leben viele vermögende Personen. Statistisch gesehen war im Jahr 2014 die Kaufkraft der privaten Haushalten in der Bundesrepublik nirgendwo höher als hier. Vielen, die in diesem Kreis leben, geht es finanziell sehr gut.
Aber es gibt auch eine andere Seite: Rund 12 500 Personen waren im Jahr 2014 im Hochtaunuskreis auf Unterstützung in Form von staatlichen Leistungen angewiesen. Ohne diese wären sie mittellos. Gemessen an der Einwohnerzahl des reichsten Landkreises Deutschlands betrug die Armutsquote damit 5,4 Prozent.
Diese Menschen fallen im wohlhabenden Bad Homburg kaum auf – nur die Bettler in der Einkaufszone Louisenstraße. Man findet die am Existenzminimum stehenden Menschen vor allem in den Tafeln, die gespendete Lebensmittel ausgeben. Die Tafel in der Bad Homburger Wallstraße ist dermaßen ausgelastet, dass ihre Betreiber jetzt größere Räume suchen – 646 Menschen ernähren sie, darunter 166 Kinder unter 14 Jahren.
Zehn Prozent mehr Arme
„Es ist wichtig, die Personen wahrzunehmen, die in unserer reichen Region von Armut betroffen sind“, bemerkt Tobias Krohmer, Referent für Gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Dekanat Hochtaunus. Felix Blaser, der Initiator des Berichts und Vorsitzender der Kulturloge Hochtaunus, betont: „Wer von Armut betroffen ist, hat im Hochtaunuskreis mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen: Hohe Lebenshaltungskosten, fast kein bezahlbarer Wohnraum und Ausschluss von gesellschaftlicher und kultureller Teilhabe.“ Die Autoren des Berichts sind sich einig: Die Armut im reichen Hochtaunuskreis ist größer geworden.
Die im Bericht enthaltenen Interviews mit von sozialer Benachteiligung Betroffenen dokumentieren deren Wut auf die bürokratischen Hürden bei der Beantragung von Sozialleistungen und die hierbei erlebte Ohnmacht. Anerkennung und Achtung scheinen mit den finanziellen Möglichkeiten zu schwinden. Der gesellschaftliche und kulturelle Ausschluss wird als konkrete Belastung erlebt.
Felix Blaser und Tobias Krohmer rufen dazu auf, „den Menschen neben Dir zu sehen, dem es nicht so gut geht wie Dir, ihn zu sehen und sich aufzumachen, ihn zu unterstützen.“
Insbesondere die Kreisverwaltung habe bei dieser Wahrnehmung noch Nachholbedarf. Neben finanzieller Unterstützung bedürfe es hier zuvörderst der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Die Kreis-Sozaldezernentin Katrin Hechler backt derweil deutlich kleinere Brötchen. Sie verkündete, dass der Kreis im Dezember all jenen Kindern bis zum 16. Lebensjahr eine Weihnachtsbeihilfe in Höhe von 25 Euro zukommen lässt, die Sozialhilfe erhalten. Das betreffe 2800 Kinder und Jugendliche und belaste den Kreisetat mit 70 800 Euro.