Architekturmuseum

Ausstellung „Salons der Republik“

von Ursula Wöll

Die Architekten besinnen sich auf die gesellschaftliche Bedeutung ihres Tuns. Sie achten immer öfter auf umweltverträgliches Bauen. Sie erkennen auch den Einfluss der gebauten Umwelt auf unser Befinden. Architektur ist soziale Infrastruktur. Die Studierenden der Hochschule RheinMain entwarfen „Räume“, die unsere Dialogfähigkeit fördern sollen. Ihnen schwebten Orte vor, die öffentlich und privat zugleich sind. Dabei waren die historischen „Salons“ um 1800 Leitbilder. In ihnen trafen sich Männer und Frauen aus dem adligen und bürgerlichen Milieu, um miteinander zu debattieren. Das Architekturmuseum Frankfurt stellt die  studentischen Entwürfe daher unter dem Titel „Salons der Republik“ aus.

Demokratie ist ohne Debatten nicht möglich

Das Projekt „Salons der Republik“ der Hochschule RheinMain in Wiesbaden wurde von Professor Holger Kleine betreut. Er betont im Katalogbuch, wie wichtig Gespräche für das Funktionieren einer Demokratie sind. Meinung trifft auf Gegenmeinung, nur so kann sie sich überprüfen, also bestätigen  oder korrigieren. Eine solche Debattenkultur kann sich natürlich nur bei gegenseitiger Wertschätzung entwickeln. Kleine meint, dass unser heutiges politisches Klima geprägt ist vom Schwinden der Dialogfähigkeit. Wenn ich mir ansehe, wie selten die LeserInnen des Landboten die Möglichkeit nutzen, einen Artikel zu kommentieren, so hat diese These etwas für sich. Kleine will die schwächelnde Debattenkultur stärken, indem er sie architektonisch unterstützt. Aber kann Architektur eine derart wichtige Rolle für das Lernen von Dialogfähigkeit spielen? Sie soll Orte schaffen, die atmosphärisch zwischen Privatheit und Öffentlichkeit changieren, um überhaupt eine milieuübergreifende Kommunikation zu ermöglichen. Zwei Modelle werden im Architekturmuseum vorgestellt, die von den StudentInnen für Berlin und für Frankfurt entworfen wurden. In den Entwürfen stecken viele hundert Gesprächsstunden, sie praktizierten daher bereits das, wofür sie gut sein sollen, eine produktive, respektvolle, lustvolle Debatte.

Die Treppenskulptur der Paulskirche

Hier soll nur auf das Modell für Frankfurt eingegangen werden. Weil uns der Ort besser bekannt ist als derjenige vor dem Berliner Bundestag. Und weil die Paulskirche geradezu ein Symbol für eine republikanische Demokratie ist. „Die Wiege der deutschen Demokratie“, nannte sie Kennedy 1963 bei seinem Besuch. Hier versammelte sich 1848 die Nationalversammlung, um eine Verfassung zu diskutieren. Die historische Paulskirche brannte 1944 nach Bombenangriffen aus. Die heutige Paulskirche ist eine nach dem Krieg authentisch wieder aufgebaute, das schmälert aber ihren Symbolwert nicht. Das gilt auch für den Misserfolg der Nationalversammlung, die 1849 auseinandergetrieben wurde. Die Studierenden bezogen also dieses Gebäude nahe dem Römerberg in ihren Entwurf eines Salons der Republik ein. Direkt daneben entwarfen sie eine riesige Treppe. Sie ist für alle zugänglich und könnte in ihrer Öffentlichkeit eine Ergänzung zu dem Parlamentssaal im Kircheninneren bilden. Ein Salon unter freiem Himmel sozusagen, der keine Schwellenangst erzeugt. Die Treppenskulptur „lädt ein auf den ersten Blick, nicht erst nach Öffnen einer Eingangstür“, heißt es im Katalogbuch.

Kritik der Treppenskulptur

Im Jahr 2023 wird die 175. Wiederkehr von 1848 groß gefeiert werden. Dafür plant man sicher irgendwelche baulichen Sanierungen oder Ergänzungen. Warum also finde ich bei der studentischen Treppenskulptur ein Haar in der Suppe? Weil für sie offenbar der kleine Platanenhain geopfert werden soll. Es gibt doch sicher eine Möglichkeit, diesen in den Ort für Debatten einzubeziehen?

Im Katalogbuch wird die Treppe zum Erkennungszeichen Frankfurts hochstilisiert: „Was die Spanische Treppe für Rom ist, könnte die Republikanische Treppe für Frankfurt sein“. Auch mir fiel spontan Italien ein: Kürzlich las ich den Roman „Der Baron auf den Bäumen“ von Italo Calvino. Der berühmte Schriftsteller lässt den Baron ausschließlich auf Bäumen wohnen und von dort aus auch debattieren. Man denkt dabei sofort an unsere historischen Tanzlinden mit einem Bretterboden auf ihren waagrecht gezogenen Ästen, auf dem kräftig getanzt, musiziert und geredet wurde. Mit etwas Phantasie könnte man mit Platanen etwas ähnliches anstellen und deren Leben dadurch retten. Und sicher gewinnen die Argumente in den Debatten an Qualität, wenn sie von angenehmem Grün rundum beflügelt werden.

Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt Schaumainkai vom 17. Juni bis 15. Juli (Galerie im EG). Virtuelle Vernissage Donnerstag 17. Juni 19 Uhr. Dialog im Museum Dienstag 22. Juni 19 Uhr. ‚Straße, Internet, Salon – (k)ein Raum für Debatten?‘ Podiumsdiskussion 13. Juli 19 Uhr. Anmeldung für alle Veranstaltungen unter hs-rm.de/dialog-im-museum

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