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Verteilzentrum bleibt Bauruine

Von Klaus Nissen

Die teuerste Bauruine der Region steht an der Bundesstraße 455 bei Grund-Schwalheim: Der 14 Meter hohe und 8500 Quadratmeter umfassende Logistikhallen-Rohbau für den amerikanischen Versandhändler Amazon. Seit Mai 2021 tut sich dort nichts mehr. Nun wird klar: Amazon will schon länger aus dem Projekt aussteigen. Und streitet sich mit dem Bauträger vor Gericht, wer die Kosten trägt.

Amazon will nicht nach Echzell

Schon seit Jahren sollten täglich tausende Pakete im neuen Logistikzentrum angeliefert und verteilt werden. Hunderte Fahrer sollten die Amazon-Sendungen von Grund-Schwalheim aus zu den Kunden bringen. Die Gemeinde Echzell hätte viel Gewerbesteuer einstreichen können. Und die Vögel in der nebenan liegenden Horloffaue hätten sich daran gewöhnen müssen, dass auch nachts ein leuchtender, vor Betriebsamkeit brummender Klotz in ihrem Brut- und Rastgebiet liegt. Doch daraus wird nichts.

So hätte das Verteilzentrum ausgesehen, wenn es fertig geworden wäre. Doch nach dem offenen Rohbau der Halle und des Parkhaus-Treppenturms wurden die Arbeien eingestellt. Foto: Nissen

Schon 2023 wollte Amazon das Multi-Millionenprojekt hinter sich lassen, ohne es öffentlich zu bekunden. Stattdessen schickte der Logistikriese drei „Beendigungsschreiben“ an den Bauträger, referierte der Landgerichts-Vizepräsident Dietrich Claus Becker bei einer Zivilverhandlung am 24. März 2025 in Saal 107 des Gießener Justizzentrums.

„Die Halle passt nicht mehr“

„Die Halle passt nicht mehr zu einem Verteilzentrum für Amazon“, sagte bei diesem Termin Johann von Pachelbel von der Frankfurter Anwaltssozietät K&L Gates, die den Versandriesen rechtlich vertritt. Außerdem könne man nach fast vierjährigem Baustopp nicht mehr damit rechnen, dass die Anlage noch fertig wird.

Im Oktober 2020 hatten Amazon und der Hamburger Projektentwickler Garbe Industrial Real Estate den Bau des Logistikzentrums vereinbart. Amazon sollte als Mieter einziehen, sobald die Garbe-Tochterfirma Logimac die Halle durch das Bauunternehmen Goldbeck errichtet hat. Doch als die Anlage zu 70 Prozent fertig war und Garbe nach eigenen Angaben 23 Millionen Euro ausgegeben hatte, stoppte ein Gericht im Mai 2021 den Weiterbau.

Nun versucht die Natur, das 8500 Quadratmeter große Gewerbeareal zurück zu erobern. Foto: Nissen

Denn der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) klagte gegen die Baugenehmigung – die Auswirkungen des Riesengebäudes auf die Umwelt seien nicht genug geprüft worden. Inzwischen wurde die Umweltverträglichkeitsprüfung wiederholt. Auch die befand der BUND als unzureichend und legte Beschwerde ein. Seit einem Jahr hätte die Logimac Grundbesitz GmbH trotzdem weiterbauen können, so BUND-Sprecher Werner Neumann auf Anfrage. Doch die Arbeiten ruhen bis heute.

Der Bauträger will von Amazon eine Entschädigung

Jetzt ist auch klar, warum. Amazon hat das Projekt längst beerdigt. Vor dem Landgericht fordert der Bauherr nun Geld. Wenn Amazon nicht einziehen wolle, so solle das Gericht eine Entschädigungspflicht feststellen.

Richter Becker empfahl: Die Kontrahenten mögen sich doch lieber direkt einigen. Auch wenn es juristisch interessant sei zu klären, wer das Risiko für ein gescheitertes Bauprojekt trägt.

In der 70minütigen Verhandlung wurde klar, dass Garbe und Amazon eigentlich gute Partner sind. Mehr als ein Dutzend Logistikzentren im Wert von einer Milliarde Euro habe man zusammen entwickelt, so der Vertreter von Amazon.

Als die Pfeiler der Halle im Februar 2021 in die Höhe wuchsen, pflanzte der BUND ein Protestschild an derBaustelle auf: Die Halle werde den Anflug der Kraniche auf ihren Rastplatz an der Horloff behindern. Der Umweltverband klagte gegen das Projekt. Der liegt jetzt beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Foto: Werner Neumann

Man habe auch schon über die Kostenverteilung des Grund-Schwalheimer Projekts verhandelt. Das scheiterte aber, weil Amazon laut Richter Becker nicht mehr als 7,8 Millionen tragen wollte, während Garbe 14 Millionen forderte. Weil die Differenz so hoch ist, landete man vor Gericht. Man habe sich sonst immer gut bei Problemen geeinigt, so der aus Hamburg angereiste Garbe-Geschäftsführer Jan Dietrich Hempel. Doch für die Grund-Schwalheimer Probleme habe man keinen rechten Ansprechpartner in der Münchner Amazon-Zentrale gefunden. Das lag an einem Personalwechsel, entgegnete einer der vier Amazon-Juristen im Gerichtssaal.

Alternativer Nutzer ist nicht in Sicht

Nun wird weiter verhandelt. Wenn man sich nicht über die Aufteilung des Millionenschadens einigt, regelt das Landgericht die Sache am 23. Mai 2025. Der Rohbau an der der B455 mit der Landstraße von Bisses nach Unter-Widdersheim bleibt wohl ungenutzt, vermutete am Montag der Landgerichts-Vizepräsident. Selbst wenn er noch fertiggestellt würde: „Wer soll denn dort einziehen? Das ist ein Riesenzentrum!“

Ob irgendwann ein Rückbau verfügt werden kann und wer ihn bezahlt, ist noch garnicht angedacht. Vielleicht verfällt die Logistikhalle über mehrere Jahrhunderte, so wie einst das gut 200 Meter entfernt auf dem Alte-Burg-Plateau liegende Limes-Kleinkastell der Römer.

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