Baustopp für Logistikzentrum bei Echzell
Von Klaus Nissen
Die Bauarbeiten für die Amazonhalle bei Echzell im Wetteraukreis müssen wieder ruhen. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel hat am 12. Mai 2021 auf Beschwerde des hessischen Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) einen zweiten Baustopp angeordnet, gegen den kein Rechtsmittel mehr möglich ist. „Die Entscheidung ist ein wichtiger Erfolg für den Naturschutz“, sagt Werner Neumann vom BUND-Landesvorstand. „Nun ist das ausgewiesene Vogelschutzgebiet wieder für die Vögel sicher und die rücksichtslose Bebauung für die riesige Logistikhalle unmittelbar am Rand des Schutzgebietes darf nicht fortgesetzt werden.“Amazon muss Bauantrag neu einreichen
Gestritten wird über die Auswirkungen einer Logistikhalle, die seit Anfang 2020 auf dem Limes am Rande von Grund-Schwalheim an der B455 gebaut wird. Die im Rohbau schon fast fertige Halle soll laut BUND 128 Metern Länge, hundert Meter breit und 12,5 Meter hoch werden.
Das Gericht stellte fest, dass die Baugenehmigung für das 3,4 Hektar große Areal sich als offensichtlich rechtswidrig erwiesen habe, weil keine ausreichende Prüfung der hinsichtlich des Naturschutzes zu erwartenden Auswirkungen auf das nebenan liegende Naturschutzgebiet Horloffaue stattgefunden habe. Da die von der Naturschutzbehörde des Wetteraukreises durchgeführte FFH-Vorprüfung nicht den erforderlichen Standards entsprochen habe, muss die Fortführung des Bauvorhabens gestoppt werden.
Die Umweltverträglichkeitsprüfung fand nicht statt
Unter anderem beanstandete der VGH, dass die Verträglichkeitsprüfung des Wetteraukreises ohne Besichtigung des Gebiets vor Ort vorgenommen wurde. Ein Vorhaben kann jedoch, so der VGH, ausschließlich naturschutzfachlich beurteilt werden, wenn zuvor Bestandsaufnahmen vor Ort durchgeführt wurden. Dieses Vorgehen ist standardmäßig bei einer Verträglichkeitsprüfung.
Die vor Gericht erfolgreichen Naturschützer kritisieren, dass die Logistikhalle weite Teile des benachbarten EU-Vogelschutzgebiets in der Horloffaue als Lebensraum für bedrohte Vögel entwerte. Sie würde einen wichtigen Rastplatz von Kranichen zerstören und die Vorkommen weiterer seltener Vogelarten wie Grauammer und Bekassine gefährden. Das Bauvorhaben gefährde darüber hinaus auch die geschützte Fischart Schlammpeizger.
Der BUND Hessen hatte in Kooperation mit der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) im November 2020 einen Baustopp für die Amazon-Logistikhalle erreicht. Er wurde im Februar 2021 aber durch das Verwaltungsgericht Gießen wieder aufgehoben. Nun ist der Baustopp wieder in Kraft. Weitergehen kann der Bau nur, wenn eine neues Baugenehmigungsverfahren mitsamt einer Umweltverträglichkeitsprüfung angefangen und abgeschlossen wird. Laut Amazon-Sprecherin Nadya Lubnina sollte das Verteilzentrum spätestens zum Weihnachtsgeschäft 2021 in Betrieb gehen. Das wird nun wohl nicht klappen.
Die Firma von Jeff Bezos, dem reichsten Menschen der Welt, plant am Abzweig von der B455 nach Ober-Widdersheim ihre 176. deutsche Niederlassung. Die Logistikhalle soll 8500 Quadratmeter umfassen. Daneben entsteht ein Parkhaus für maximal 171 Personenwagen und 282 Lieferwagen. Falls das Verteilzentrum eines Tages in Betrieb geht, werden sie laut Amazon täglich etwa 300mal von Grund-Schwalheim aus die von den Kunden bestellten Waren an die Haustüren bringen.
Die Sprinter-Armada soll nach Abebben des Berufsverkehrs ab neun Uhr morgens in kleineren Schwärmen zu den Kunden geschickt werden. Die Frühschicht der im Verteilzentrum arbeitenden Amazon-Leute rechnet den selbstständigen Fahrern die jeweils schnellste Auslieferungsroute aus. Das neue Verteilzentrum beschleunige noch die Auslieferung der online bestellten Waren, so Nadya Lubnina von Amazon. „Zum anderen sollen mehr Bestellungen bereits beim ersten Versuch zugestellt werden. Amazon arbeitet mit lernender Routenplanung, die sich beispielsweise bei erfolgreichen Zustellungen an ein Geschäft die Öffnungszeiten merkt, und mit Fahrern, die immer in den selben Gebieten ausliefern.“
Genehmigungsverfahren muss neu beginnen
Das Verteilzentrum soll zum Arbeitsplatz von etwa 120 Amazon-Beschäftigten werden, die dort im Drei-Schicht-System arbeiten. In der knapp einen Hektar großen Halle verwalten sie kein Lager, sondern sortieren die zur Auslieferung bestellten Warten in Säcke und Gitterwagen, die die Frühschicht für die Sprinter bereitstellt. Der Nachschub kommt laut Amazon nachts mit etwa 30 Lastzügen aus größeren Niederlassungen des Konzerns.
Das umstrittene Verteilzentrum will Amazon für zehn Jahre von der Hamburger Immobiliengesellschaft Garbe mieten. Von besonderen Öko-Merkmalen wie einem begrünten Dach oder Solarpaneelen ist an diesem Standort bislang keine Rede. Amazon hat angekündet, man wolle künftig mehr elektrische Auslieferungsfahrzeuge einsetzen.