Bis Silvester kommen 2800 Flüchtlinge
Um etwa 2800 Flüchtlinge wächst bis Jahresende 2015 die Bevölkerung des Wetteraukreises. Bislang hatte Landrat Joachim Arnold (SPD) bis zu 2000 Menschen erwartet. Dringend gesucht werden weitere Unterkünfte. In Friedberg leben Flüchtlinge schon im Zelt.
Albaner unerwünscht
In der ersten Jahreshälfte kamen knapp 700 Flüchtlinge in die Wetterau, teilte Arnold am 20. August mit. „Das erfordert von allen Beteiligten eine gewaltige Anstrengung sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht“ – so Arnold in Vertretung des urlaubenden Ersten Kreisbeigeordneten Helmut Betschel.
Der Landrat forderte vom Land Hessen, „Asylbewerber aus den Westbalkanländern wie Albanien und Kosovo gar nicht mehr an uns weiter zu leiten. Die Anerkennungsquote bei diesem Personenkreis liegt bei nahezu null. Das deutsche Asylrecht ist uns wegen Gräueltaten während der Nazi-Barbarei sehr wichtig, war aber nie als freie Eintrittskarte nach Deutschland gedacht.“

Für Arnold ist es unverständlich, dass abgelehnte Asylbewerber trotz des großen Drucks nicht sofort vom Land Hessen in deren Heimat zurückgeführt würden. „Wir brauchen die vorhandenen Plätze dringend für Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Gewalt, aus Angst um ihr Leben und das ihrer Kinder fliehen und in unserem Land zu Recht Asyl gewährt bekommen.“
Aktuell kommen die meisten Flüchtlinge nicht aus dem Bürgerkriegsland Syrien, sondern aus den Balkanländern Albanien und der Republik Kosovo. Erst an dritter Stelle folgen die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien. Von den 678 in der Wetterau aufgenommenen Flüchtlingen im ersten Halbjahr 2015 kam gut die Hälfte aus Südosteuropa.
„Brauchen mehr Geld für Wohnungen“
Wichtig findet der SPD-Politiker ein Sonderbauprogramm für Flüchtlingsunterkünfte“: „Wir können Flüchtlinge mit anerkanntem Bleiberecht nicht dauerhaft in Heimen oder Containern und erst recht nicht in Zelten unterbringen.“ Der Staat müsse dringend mehr Geld bereitstellen, anheben, damit vor Ort schnell Wohnungen gebaut werden können. Kreis und Gemeinden könnten nicht alles allein schultern: „Uns entstehen Kosten von 740 Euro für Sozialleistungen, Krankenkosten und Unterbringung pro Monat und Flüchtling. Das Land Hessen erstattet nur 652 Euro pauschal, und das noch nicht mal in allen Fällen.“

Die Zahl der vom Kreis aufgenommen Flüchtlinge ist seit 2007 gestiegen. Damals waren es nur 17 Menschen, dann 48, 149, 159, im Jahr 2013 schließlich 534 und im vergangenen Jahr waren 898 Menschen, die erstmals einen Asylantrag stellten. Im laufenden Jahr dürfte sich ihre Zahl verdreifachen. Trotzdem wären auch 3000 neue Flüchtlinge weniger als ein Prozent der gesamten Wetterauer Bevölkerung.
Wer neu in den Kreis geschickt wird, muss vor seiner Verteilung auf eine der Städte oder Gemeinden etwa zwei Wochen lang im Friedberger Industriegebiet Süd leben. Die dafür aufgebauten Container reichen nicht mehr aus. Deshalb stellte der Kreis Etagenbetten in die früheren Büros der ehemaligen Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle. Das brachte 15 zusätzliche Plätze. Zusätzlich wurde ein Zelt aufgebaut, um hier 20 Menschen vorübergehend unterzubringen. “ Das Zelt ist sicherlich keine optimale Lösung“, räumte der Erste Kreisbeigeordnete Helmut Betschel (Grüne) bei der Präsentation Mitte August ein.

Um dauerhaft mehr Unterkunftsmöglichkeiten für Flüchtlinge zu bekommen, hat der Wetteraukreis ein Wohn- und Geschäftshaus in Echzell gekauft. Bis Dezember 2015 sollen dort 35 Menschen einziehen, bis Jahresbeginn 2017 weitere 20.
Verzögert hatte sich der Kauf eines Kasernengebäudes in Friedberg. Der Bauantrag für den Umbau soll Ende August/Anfang September eingereicht werden. Der Baubeginn ist allerdings erst nach dem Besitzwechsel möglich. „Ich hoffe, dass wir die Einrichtung mit 120 bis 130 Plätzen im Februar 2016 fertig stellen können“, so Betschel.
Weiter ist man mit der Anmietung eines Kasernengebäudes in Büdingen, wo eine Zweigstelle der Erstaufnahmeeinrichtung Gießen entsteht. Die Umbauplanung ist mit Vermieter und Architekt abgestimmt. Derzeit wird an Bauantrag und Kostenkalkulation gearbeitet. Bis Februar 2016 sollen hier 70 Plätze für die Erstaufnahme entstehen.