Konradsdorf


Wormser Krallen schützen die Stille

Von Klaus Nissen

Über die ungewisse touristische Nutzung des früheren Nonnenklosters und des aktuellen Hofgutes Konradsdorf bei Ortenberg hat der Neue Landbote schon im September 2025 berichtet. Im zweiten Teil der dreiteiligen Serie geht es um bauhistorische Details in der mit Millionenaufwand restaurierten Klosterkirche.

Ein Mühlstein trägt in Konradsdorf das Kapitell

Man braucht kein Auto, um die restaurierte Klosterkirche und Propstei in Konradsdorf zu besuchen. Von Ortenberg her gibt es schon einen komfortablen Radweg. Und von Ranstadt her baut Hessen mobil bis zum Sommer 2027 einen Fahrrad-Zubringer abseits der Bundesstraße 275. Vor der Konradsdorfer Klosterkirche wartet bereits eine Ladestation auf die E-Bikes der Besucher.

Links die uralte Klosterkirche, rechts der Wohnsitz des Propstes – diese beiden Gebäude sind vom 1581 aufgelösten Prämonstratenserinnen-Kloster noch erhalten. Sie sind nun aufwändig restauriert.Foto: Nissen

Ein neues, massives Eichenportal lässt sie in die Kirche eintreten. Die steinernen Einfassung des Portals ist gut 800 Jahre alt. Sie läuft am Fuß spitz aus, wie die Krallen eines Drachens. Dieses Ornament kennt man aus dem Dom zu Worms – Bauhistoriker nennen es „Wormser Kralle“.

Gebetet wurde hier schon vor über tausend Jahren

Das Innere der Klosterkirche wirkt nach der Restaurierung still und erhaben. Ein rötliches Licht fällt durch die Fenster im Obergaden herein. Der Innenraum ist frei von hölzernem Mobiliar. Auch die Empore auf der Portalseite des Mittelschiffs wurde nicht rekonstruiert.

Schräger Blick durchs Kirchenschiff: Vom südlichen Obergaden fällt warmes Licht herein. Nach der Restaurierung hat das jahrhundertelang als Lager und Werkstatt missbrauchte Gotteshaus seine spirituelle Athmosphäre zurück. Foto: Nissen

Den Boden bilden neu verlegte Sandsteinplatten. Farblich abgesetzt ist darauf der Umriss der kleineren Vorgängerkirche zu ahnen. Die Herren von Büdingen hatten sie wohl schon vor dem Jahr 1000 bauen lassen, damit die Bewohner von Konradsdorf hier beten konnten. Im neunten und zehnten Jahrhundert beerdigten sie ihre Toten im Winkel zwischen der Kirche und der späteren Propstei. Bei der Restaurierung wurden diese in Ost-West-Richtung liegenden Gräber wieder entdeckt.

Die Mauersteine kamen vom Main

„Man hat sich viel Mühe beim Bau der Klosterkirche gegeben“, sagt die Kunsthistorikerin Susanne Gerschlauer. Die Mauersteine für den halbrunden Chor sind zum Beispiel aus Main-Sandstein gefertigt, der damals mühsam über Land herbei geschafft werden musste. Hochwertig sind auch die „Kämpfer“ – die Zwischenträger der zweiteiligen romanischen Fensterwölbungen.

Der Blick auf das Säulenfundament im Kirchenschiff zeigt: Hier hat man vor 830 Jahren Material gespart und einen ausgedienten Mühlstein eingemauert. Foto: Nissen

Eine Seitentür im Mittelschiff führt auf den dreieckigen ehemaligen Friedhof. Sie war bis 1581 der separate Zugang für den Propst oder den diensttuenden Priester bei den Gottesdiensten im Chordamen-Stift Konradsdorf. Wenige Schritte weiter liegt der neue angelegte Zugang zur zweistöckigen Propstei. In der Außenwand sind noch die Umrisse des Scheunentores zu erkennen, die nach dem Ende der Klosterverwaltung auf die neue Nutzung hinweisen.

Wandverputz aus romanischer Zeit

Bis etwa 1910 diente die Propstei als Scheune und Viehstall. Durch den Mist war der Fußboden und das Gemäuer des Erdgeschosses versalzen; die Restaurateure mussten bei der groß angelegten Gebäuderettung viel entfernen. „Unter dem Gipsputz kamen die ganzen romanischen Putze zutage“, berichtet die Denkmalpflegerin Anja Dötsch. Und „unglaublich tolle Kapitelle“, aus der Kloster-Zeit, die irgendwann beim Umbauten der Scheune eingemauert wurden.

Was ist eine Wormser Kralle? Und warum trägt ein Mühlstein die Säule im Innenraum der vor etwa 830 Jahre erbauten Klosterkirche in Konradsdorf?
Den Wetterauer Landvogt Gerlach von Breuberg zeigt diese Grabplatte im südlichen Seitenschiff der Klosterkirche. Sein aus dem Odenwald stammender Vater Eberhard hatte um 1240 Mechthild geheiratet – eine von vier Töchtern des reichen Gerlach II. von Büdingen. Die Breuberger besaßen damals auch den Frankfurter Salhof und die Dörfer Oberrad, Köppern und Bergen. Foto: Nissen

Bei der Restaurierung fand man auch das Kellergeschoss. Es war nach der Reformation mit Schutt aufgefüllt worden. Bei der Freilegung eines kleinen Teils davon fand man Ofenkacheln. Und zur Nidder hin stieß man auf zugemauerte Fensternischen aus romanischer Zeit, in denen noch die seitlichen „Minnesitze“ erhalten sind. Die von weither angereisten Mittelalter-Bauexperten seien ganz begeistert gewesen, erinnert sich Anja Dötsch. Heutige Besucher können sich in Ruhe ausmalen, wer hier einst gesessen hat.

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