Aktivistin klagte beim VG
Noch immer beschäftigt die Justiz Zusammenhänge hinsichtlich des Protestes gegen die Rodungsarbeiten im Rahmen des Ausbaus der A49 im Dannenröder Forst. Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Gießen berichtet jetzt „über eine rechtswidrige Durchsuchung eines Rucksacks“. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.
Hintergrund Protest gegen Rodung
In der Pressemitteilung wird geschildert, dass die polizeiliche Identitätsfeststellung einer Klägerin und die damit einhergehende Durchsuchung ihres mitgeführten Rucksacks nicht in Ordnung waren.
Am 3. Dezember 2020 befand sich eine Frau, also die Klägerin in diesem Verfahre, im Zug auf der Reise von Ihrem Wohnort nach Darmstadt. Während des Halts am Frankfurter Hauptbahnhof stellten Beamte der Bundespolizei nach Anforderung durch das Polizeipräsidium Mittelhessen im Zug die Personalien der Klägerin fest, führten eine Durchsuchung des Rucksacks der Klägerin durch und stellten einige Kletterutensilien sicher. Hintergrund der Maßnahmen war, wie eingangs berichtet, das Geschehen in Bezug auf die damals andauernden Protestaktionen gegen die Rodungsarbeiten im Rahmen des Ausbaus der A49 im Dannenröder Forst, an denen die Klägerin selbst in Form von Kletter- und Abseilaktionen mehrfach beteiligt war.
Klägerin sieht Eingriff in Grundrecht
Die betroffene Frau machte im Klageverfahren geltend, dass die ihr gegenüber erfolgten Maßnahmen rechtswidrig gewesen seien. Es habe sich bei den angegriffenen Maßnahmen um schwerwiegende Grundrechtseingriffe gehandelt, da die Personalienfeststellung und Durchsuchung innerhalb eines vollen Zugwaggons vor zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauern durchgeführt worden seien. Es sei von den Beamten nicht dargelegt worden, inwiefern die Klägerin eine Gefahr darstelle, zumal die Klägerin das zuvor gebuchte Hin- und Rückfahrticket von ihrem Wohnort nach Darmstadt mit einem sechstägigen Aufenthalt in Darmstadt mit sich geführt habe.
Argumentation der Polizei
Bei der Polizei wird argumentiert, dass Erkenntnisse vorgelegen hätten, dass sich die Klägerin in dem ICE in Richtung Hessen aufhalte und sich in den Dannenröder Forst begeben wolle, um dortige Proteste zu unterstützen. Seit Beginn der Rodungsarbeiten ab Oktober 2020 sei es zu acht verschiedenen „Abseilaktionen“ über Autobahnbrücken gekommen, die aufgrund der medialen Verbreitung und der Plakate in einen direkten politischen Bezug zu den Arbeiten im Dannenröder Forst gebrachten werden könnten. Die Klägerin selbst sei ausweislich ihres Wikipedia-Eintrags als erfahrene Kletterin bereits an zahlreichen Baumbesetzungen und ähnlichen Aktionen beteiligt gewesen. Unter anderem am 5. Oktober 2020 habe sich die Klägerin von einer Autobahnbrücke auf der BAB1 bei Münster abgeseilt und auf ihrem Twitter-Account Fotos mit dem Untertitel „#dannibleibt“ veröffentlicht.
Privatsphäre der Klägerin betroffen
Das Verwaltungsgericht Gießen führt in seiner Entscheidung aus, dass hinsichtlich der Durchsuchung des Rucksacks ein qualifizierter Grundrechtseingriff anzunehmen sei. Zwar sei davon auszugehen, dass die Durchsuchung nicht allzu lange gedauert habe und zielgerichtet auf das Auffinden von Kletterausrüstung gerichtet gewesen sei. Diese Maßnahme habe jedoch die Privatsphäre der Klägerin betroffen, was sich insbesondere daraus ergebe, dass in dem durchsuchten Rucksack neben Kletterutensilien auch diverse persönliche Gegenstände aufgefunden worden seien. Mit der Durchsuchung des Rucksacks sei daher nicht nur unerheblich in die Privatsphäre der Klägerin eingegriffen worden. Dies sei auch hinsichtlich der durchgeführten Identitätsfeststellung anzunehmen, da insoweit von einem „Gesamteingriffsszenario“ auszugehen sei.
Entscheidung noch nicht rechtskräftig
Für die Identitätsfeststellung habe auch in Anbetracht der Aktivitäten der Klägerin in der Vergangenheit kein hinreichend konkreter Gefahrenverdacht vorgelegen. Insbesondere habe ein örtlicher Bezug nicht mehr vorgelegen, da die Klägerin auf Ihrer ICE-Fahrt nach Darmstadt, die Haltestelle zum Dannenröder Forst, also Marburg, mit dem Halt am Frankfurter Hauptbahnhof bereits hinter sich gelassen habe. Aus diesem Grund könne auch für die Durchsuchung des Rucksacks das Erreichen der erforderlichen Gefahrenschwelle nicht angenommen werden.
Die Entscheidung (Urteil vom 4. April 2025, Az.: 4 K 1898/21.GI) ist, wie erwähnt, noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe die Zulassung der Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel beantragen.
Titelbild: Protest im Jahr 2020. (Quelle: Wikpedia, Leonhard Lenz).