Massenmord an Mäusen

Ausstellung über Mäuse und MausefallenAmerikanische Mausefalle Foto Nissen - Kopie

Von Klaus Nissen

Die Maus (lateinisch: Mus musculus) ist niedlich und eklig zugleich. Wir machen sie zum Star einer Trickfilmserie – gleichzeitig schreien auch mal gestandene Männer, wenn sie eine leibhaftige Maus erblicken. Wir denken uns extrem hinterhältige Tötungsmethoden aus, um sie loszuwerden.  Einige der Mausefallen zeigt eine Ausstellung im Butzbacher Museum an der Färbgasse. Bis zum 4. September 2016 kann man dort eine Menge über die beiden Säugetierarten und ihren seit Jahrtausenden währenden Krieg gegeneinander erfahren.

Massenmord an Mäusen

Schon die Ägypter verehrten sie: In Bildnissen wird die Maus in aufrecht stehend dargestellt, mit Symbolen des Sonnengottes auf dem Körper. Doch bereits vor 4000 Jahren fing man sie mit Köderfallen aus Ton. Eine Nachbildung präsentiert der Grünberger Sammler Reinhard Ewert in einer Vitrine. Auf zwei Etagen des Museums sind etwa 180 Mausefallen und viele Informationen über das ambivalente Verhältnis der Menschen zum winzigen Nagetier Mus musculus zugänglich. Wer sich dort umschaut, bleibt länger, als er eigentlich wollte.

Reinhard Ewert Foto Klaus Nissen - Kopie
Reinhard Ewert erklärt eine Turmfalle: Die Maus klettert auf der Suche nach dem Köder das gelochte Rohr hinauf und fällt dann in die Wasserkammer am hinteren Ende. Foto: Nissen

Auf Flohmärkten, per Inserat und Internet-Recherche hat der pensionierte Deutschlehrer seine Fallen erstanden. Warum er so was sammelt? „Weiß ich nicht“, gesteht der humorvolle Mann und erzählt dann, dass es immer schwieriger wird, originelle Mausefallen zu finden. Für seine Ausstellung hätte er auch gerne den nach dem Menschen größten Feind der Mäuse präsentiert. Aber nirgendwo sei eine ausgestopfte Katze zu bekommen. Es scheint tabu zu sein, Katzen zu präparieren.

Doch es geht um die Maus. Zahlreiche Klotzfallen aus früheren Jahrhunderten zeigt Reinhard Ewert in den Vitrinen. Das Prinzip: ein Holzklotz wird in einer Führung hochgezogen und per Bindfaden und Köder-Stange so fragil befestigt, dass eine leichte Berührung den Klotz herabsausen lässt. Der erschlägt die Maus. Der mit Reinhard Ewert befreundete Jochen Koenig ließ sich von diesem Prinzip dazu anregen, eine Mäuse-Guillotine zu basteln. „Das ist ein Unikat“, sagte der Erbauer bei der Vernissage. „Es hat mir großen Spaß gemacht, diesen Unsinn herzustellen.“ Allerdings sei damit noch nie eine Maus getötet worden.

Mause-Klotzfalle Foto Nissen - Kopie
Ein Drechsler fertigte diese Klotzfalle im 19. Jahrhundert für den gehobenen bürgerlichen Haushalt mit lästigen Mäusen an. Das Exponat stammt aus dem Schottener Heimatmuseum. Foto: Nissen

Es geht auch anders. In vielen Varianten kommt die Turmfalle vor: Auf der Suche nach dem lecker riechenden Köder kriecht die Maus eine Röhre hinauf und fällt dann in einen Wasserbehälter. Kriegsgefangene in Russland nahmen einen leeren Marmeladeneimer, schnitzten eine Mäusetreppe und legten Getreide auf die Papierbespannung des Eimers. Sobald sich die Mäuse an diese Futterquelle gewöhnt hatten, schlitzte man das Papier kreuzweise auf, und die Mäuse fielen herab und ersoffen jämmerlich. Als Student habe er ein Lineal mit dem Köder am Ende aufs Bücherregal gelegt, erinnerte sich der Ausstellungs-Besucher Bashir Molly – „und darunter stellte ich einen Wassereimer.“

Die Mäusefang-Moderne begann 1897, als der Amerikaner James Henry Atkinson die heute übliche Schlagbügelfalle „The little Nipper“  entwickelte. Sie tötet – meistens – die Maus sofort und ohne Quälerei, weil der gespannte Bügeldraht das Rückgrat des höchstens 20 Gramm schweren Nagers zertrümmert. Eine moderne Tötungsmethode ist die Beigabe gerinnungshemmender Mittel in den Köder. Die Maus verblutet innerlich und bleibt irgendwo liegen. Der Nachteil: Ein paar Tage lang stinkt es fürchterlich aus irgendeiner Ecke. Für  Großbäckereien ist so eine Tötungsform aus hygienischen Gründen inakzeptabel. So werden lieber Dutzende Schlagbügelfallen ausgelegt. Allerdings müssen die auch nach dem deutschen Tierschutzgesetz mindestens einmal täglich kontrolliert werden. Neuerdings, so Reinhard Ewert, kann man sich per Mail oder SMS informieren lassen, wenn so eine Mausefalle zuschlägt. Aus die Maus.

Die Sonderausstellung „Von Menschen und Mäusen“ ist bis zum 4. September im Butzbacher Museum an der Färbgasse 16 zu sehen. Der Eintritt kostet drei, für Kinder ab sechs Jahre einen Euro. Die Öffnungszeiten: täglich 14 bis 17 Uhr, samstags und sonntags auch von 10 bis 12 Uhr. Mehr zum Thema Mausefallen auf der Webseite www.mausefallen.info.

Das Museum im Solms-Braunfelser Hof hat noch mehr zu bieten. Informationen darüber gibt es hier.

 

Hintergrund: Die Hausmaus

Wippfalle Foto Nissen - Kopie
Der leere Marmeladeneimer wurde mit Sackleinen bespannt, damit die Maus hinaufklettern konnte. Sobald sie auf die Pappe trat, kippte die das Tier in den Eimer. Foto: Nissen

Wahrscheinlich war Indien der ursprüngliche Lebensraum der Hausmaus. Sie gehört zu einer Familie mit etwa 300 Arten. Weil der Allesfresser in der Nachbarschaft der Menschen immer Futter findet, breitete sich die östliche und die mit ihr verwandte westliche Hausmaus seit der Steinzeit in unserem Gefolge auf fast alle Kontinente aus. Möglicherweise lebt sie auch schon in den Antarktis-Forschungsstationen. Nur die Internationale Raumstation ist garantiert mäusefrei.

Das Nagetier mit den nackten Ohren und dem unbehaarten Schwanz wird höchstens zehn Zentimeter lang. Die Hausmaus hat vorne vier und hinten fünf Zehen am Pfötchen und wird maximal drei Jahre alt. Außer dem Menschen hat die Maus zahlreiche Todfeinde – trotzdem überlebt sie dank ihrer sagenhaften Fruchtbarkeit. Binnen dreier Wochen trägt ein Mäuseweibchen bis zu zehn Junge aus. Innerhalb eines Jahres kann eine Familie theoretisch auf 781 250 Köpfe anwachsen.

Dieser Umstand, ihre Ängstlichkeit und der häufige Kontakt zwischen Menschen und Mäusen drückt sich auch in diversen Mäuse-Sprichwörtern aus. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Der wohl intelligenteste Spruch stammt von Franz Kafka: Die Maus beklagte sich, weil im letzten Winkel, den sie finde, stets die Falle steht. „Du musst nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß sie.

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