Jüdisches Leben

Einst in Ober-Rosbach

An das jüdische Leben in Ober-Rosbach erinnert der Heimat- und Geschichtsverein des Ortes mit Führungen. Der Verein hat die Stammmbäume von fest 100 Menschen jüdischen Glaubens ermittelt, die in drei Jahrhunderten in Ober-Rosbach lebten.

Reges Interesse an den Führungen

Die Führungen von Dr. Michael Limlei, Vorsitzender des Rosbacher Heimat- und Geschichtsvereins, und seinem Team beginnen auf den Kirschenberg, auf dem sich der jüdische Friedhof befindet. Der ist allerdings nur noch an einem kleinen Gedenkstein erkennbar, der sich auf einer umzäunten Wiese direkt unter der Johannishecken-Brücke an der A5 befindet.

Der eingezäunte Gedenkstein für den jüdischen Friedhof in Ober-Rosbach.

Auf dem Kirschenberg ist außer dem Gedenkstein nichts mehr zu sehen. Die Grabsteine der mindestens acht Bürger jüdischen Glaubens, die dort bestattet wurden, sind verschollen. Aber die umfangreichen Untersuchungen des Geschichtsvereins haben überraschende Fakten eröffnet. „In drei Jahrhunderten haben fast 100 Menschen jüdischen Glaubens in Ober-Rosbach gelebt, deren Abstammung nachvollzogen werden kann. Ausführliche Stammbäume konnten ermittelt werden, die ersten waren nach dem 30jährigen Krieg 1693 aus Frankfurt geflohen und danach kamen Menschen in verschiedenen Wellen bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Damals lebten weit mehr Menschen jüdischen Glaubens in Ober-Rosbach als sonst in der Wetterau. Bestattungen fanden auf dem Friedhof von 1850 bis Ende des 19. Jahrhunderts statt, danach gibt es keine belegbaren Daten mehr“, berichtet Betina Quägber-Zehe vom Vorstand des Heimatvereins..

Der Handelsmann und die Metzger

Vom Friedhof geht es hinab in die Ober-Rosbacher Altstadt. „Dort wurden nacheinander fünf Häuser und Höfe besichtigt, die einstmals in jüdischem Familienbesitz waren und deren heutige Bewohner die Gruppe freundlich empfingen“, berichtet Betina Quägber-Zehe. Gestartet wurde in der Querstraße 19, dort wohnte die Familie Hammel und betrieb eine Metzgerei. Jesaias I. Isaak Hammel (1768-1848) erwirbt 1794 das zweistöckige Wohnhaus mit Scheuer, Stall und Abort und legt hier die Grundlage für eine herausragend erfolgreiche Familiengeschichte. Erfolgreich im Sinne von kinderreich. Reich an Geld und Vermögen ist er nicht geworden. Die Familie wird bis 1941 in Ober-Rosbach bleiben und verschiedene Handelsgeschäfte betreiben. Das Haus wird 1871 an die Familie Grünewald aus Okarben verkauft, Samuel Grünewald ist Handelsmann und Ahne der letzten nach Ober-Rosbach zugezogenen Juden aus der Wetterau. In seiner Zeit in Ober-Rosbach war Samuel Grünewald gut in das Gemeindeleben Ober-Rosbachs integriert. Er zählte zu den Gründungsvätern der Freiwilligen Feuerwehr, die Rosbacher Bürger nach dem großen Brand in der Hintergasse vom 13.09.1888 gründeten. Als Samuel Grünewald 1893 stirbt, wird er in allen Ehren auf dem jüdischen Begräbnisplatz beigesetzt, wahrscheinlich die letzte Bestattung.

Danach ging es zum Haus Nr. 28 in der Homburger Strasse, in der dem um 1880 Jesaias Hammel einen kleinen Handel mit Kleiderstoffen betrieb. Die Familie lebte dort bis 1920 und war in Vereinen und der Rosbacher Gesellschaft gut vernetzt. Die Kinder sind verstorben oder durch Heirat verzogen.

In der Hintergasse 5 wohnten ab etwa 1780 die Familien Haas und Levi, die dort eine Metzgerei betrieben. Im Jahr 1880 erlischt die Familienlinie, aber Haas hatte großen Einfluß auf die Anerkennung und Gleichberechtigung der Juden in Rosbach.

Der Frucht- und der Kleiderhändler

In der Friedberger Strasse 5 war der Wohnort der Familie Markus Hammel aus der Tradition der Rosbacher Hammels. Er war ein erfolgreicher Fruchthändler, der sich großer Beliebtheit auch als Geldverleiher erfreute. Seine Söhne Sally und Gustav zogen in den 1. Weltkrieg, zum ersten Mal konnten jüdische Mitbürger zur Waffe greifen. Sally überlebte den Krieg nicht, Gustav wurde erfolgreicher Bankier und Handelsmann.

In die Friedberger Strasse 3 zog Anfang 1800 aus Münzenberg die Fam. Bing und betrieb dort erfolgreich einen Handel mit Kleiderstoffen, wie eine Werbeanzeige aus 1842 bezeugt. Die Fam. Bing zieht Ende 1800 nach Friedberg und Nathan Hammel kauft die große Hofreite, um dort seine Metzgerei zu eröffnen. Diese Familie war nun Anfang 1900 komplett vernetzt in Ober-Rosbach, im Obst- und Gartenbauverein, im Motorsportclub durch den Schwiegersohn Strauss. Aber in den 1930er Jahren wurden die Anfeindungen zu groß, die Familie wanderte nach Buenos Aires in Argentinien aus, grade zur rechten Zeit.

„Viele der vorher aus Rosbach verzogenen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sind ermordet worden, von vielen verliert sich einfach die Spur. Deswegen ist es wichtig, die auf dem jüdischen Friedhof in Ober-Rosbach bestatteten Menschen nicht zu vergessen“, mahnt Betina Quägber-Zehe.

Das Interesse an den Führungen war laut Betina Quägber-Zehe recht groß. „Wegen der großen Nachfrage wurde die für den 13.11. geplante Führung zum jüdischen Leben in Ober-Rosbach noch ein zweites Mal angeboten, an der ersten nahmen 35, an der zweiten 25 interessierte Bürgerinnen und Bürger nicht nur aus Rosbach teil“, berichtet sie.

Titelbild: Der Gedenkstein auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof auf dem Kirschenberg in Ober-Rosbach.

Ein Gedanke zu „Jüdisches Leben“

  1. Der Verein hat die Stammbäume usw. nicht ermittelt, sondern sie einer 71-seitigen Dokumentation über 350 Jahre jüdisches Leben in Ober-Rosbach von mir entnommen, die ich 2021 dem Bürgermeister Maar zu Weihnachten übergeben habe, der sie dann, vermutlich ungelesen, an den HGV weitergegeben hat.
    Der Bericht im Landbote enthält einige Ungenauigkeiten.

    Was den jüdsichen Friedhof betrifft, bin ich einer deutlich abweichenderen Meinung. Zum Friedhof habe ich auch eine Dok erstellt, ebenso zu manchen Ober-Rosbacher Juden, die ich gerne zur Verfügung stelle.

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