Neues wagen
Von Dietrich Jörn Weder
Klimaschutz verlangt von uns, Neues zu wagen: Wir werden das erderwärmende Kohlendioxyd in großem Stil aus Verbrennungsgasen herausfiltern so ähnlich, wie wir schon lange die Verursacherstoffe des Sauren Regens aus den Rauchfahnen großer Schornsteine herauswaschen. Den derart abgeschiedenen Klimakiller Kohlendioxyd werden wir in ausgebeutete Erdgaslagerstätten versenken, wo er auf Dauer in der Tiefe verbleiben wird, wenn wir ihn nicht noch einmal für nützliche Verwendungen heraufholen.Norwegische Nachhilfe
Aber ist das nicht in Deutschland faktisch verboten? Und haben uns nicht Grüne und Umweltverbände seit Jahr und Tag gepredigt, wir bräuchten das Verfahren nicht, es sei außerdem gefährlich und zu teuer? – Ja! Diese Meinung haben sie mit dem Erfolg verbreitet, dass wir für die notwendige Vorarbeit zwei Jahrzehnte verloren haben.
Nun heißt es, die Technik sei „nötig, ausgereift und sicher“. Und wer sagt das? Ausgerechnet unser grüner, aber lernfähiger Wirtschaftsminister, der sich das Verfahren in Norwegen jüngst anschaulich nahebringen ließ (siehe oben). Über die frühere, kurzsichtige Ablehnung urteilt Robert Habeck nunmehr unmissverständlich: „Wie haben viel Zeit verplempert. Jetzt nehmen wir das, was verfügbar ist. Wenn uns später etwas Besseres einfällt, dann nehmen wir eben das Bessere.“
Klima-Schwergewicht Zement
Für die Entlastung des Klimas ist Zement eine ganz große Herausforderung und Möglichkeit. Die Herstellung des universalen Baustoffs belastet die Atmosphäre mit weltweit acht Prozent aller Treibhausgas-Emissionen, nahezu halb so stark wie der weltweite Verkehr. Ohne Abscheidung und Versenkung des temperaturtreibenden Kohlendioxyds ist diese Industrie niemals klima-schonend zu betreiben. Der deutsche Baustoffkonzern Heidelberg Materials macht im norwegischen Brevik gerade einen Anfang damit. Und wenn die dortige Anlage im nächsten Jahr in Betrieb geht, soll die Hälfte des bisherigen Ausstoßes – immerhin 400.000 Tonnen – eingespart werden.
Von Vorreitern und Vordenkern lernen!
Die Norweger praktizieren die Versenkung des Kohlendioxyds in ausgepumpte Öl- und Erdgas-Lagerstätten vor der Küste bereits seit zwei Jahrzehnten, und sie behaupten, den gesamten CO2-Ausstoß der EU auf Jahre hinaus unterseeisch versenken zu können. Der Weltklimarat ist schon lange überzeugt davon, dass der menschengemachte Klimawandel ohne diese in der Fachsprache kurz CCS (Carbon Capture and Storage) genannte Vorgehensweise nicht aufzuhalten ist.
– Das sind für den Insider und den wissbegierigen Zeitgenossen keine neuen Einsichten. Nur unsere Radikal-Ökologen wollten sich dieses Wissen nicht zu eigen machen. Vor allem dem eigenen Anhang, aber auch dem breiten Publikum wurde vielmehr eingeredet, mit Sonne und Wind sei unser gesamter Energiebedarf klimasauber zu stemmen. Das war nicht mehr als eine Fata Morgana. Noch auf Jahre hinaus werden wir nicht ohne die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas über die Runden kommen, und das nicht nur, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.
Grüner Glaubenssatz landet im Schuttgraben
Nicht immer sind die organisierten Freunde der Umwelt Pioniere, wo es um praktischen, tatsächlichen Umweltschutz geht. Liebgewordene Anschauungen ihrer Mitglieder stellen sie leider das eine oder andere Mal als wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis hin. – Zu unserem Beispiel: Klimatologen reden von „Kipp-Punkten“ im Klimawandel. Die Ablehnung der CO2-Versenkung „kippt“ gerade in den Schuttgraben überholter grüner Glaubenssätze. Endlich, und gut so!
Dr. rer. pol. Dietrich Jörn Weder war Jahrzehnte lang leitender Umweltredakteur und Fernsehkommentator des Hessischen Rundfunks. Seit seiner Pensionierung arbeitet er als freier Autor für Print- und Audiomedien. Er betreibt den Blog Wachposten Frankfurt, auf dem er Kommentare zu aktuellen Themen veröffentlicht. Wachposten
Titelbild: Die Abfolge der Kohledioxyd-Abscheidung im Post-Combustion-Verfahren (einschließlich CO2-Transport und -Speicherung). Quelle/ Wikipedia/Wilfried Cordes – Eigenes Werk (OOo-Draw, Inkscape), CC BY-SA 2.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27077624