Dokumentarfilm

Der Krieg in mir

Von Bruno Rieb

Sebastian Heinzel träumt schlecht. Schweißgebadet wacht er auf, weil er in einem Panzer saß und auf Menschen schoss, die russisch sprachen. Heinzel ist Dokumentarfilmer. Über die Suche nach der Ursache seiner Albträume hat er den Film „Der Krieg in mir“ gedreht. Der war vorab am Hessischen Dokumentarfilmtag, 26. Januar 2020, in Lich im Kino zu sehen. Seine Recherchen führen ihn tief in die Gräuel des Zweiten Weltkrieges.

Film über die Generation der Kriegsenkel

Das Kino in Lich heißt Traumstern, es ist aber eher zufällig der Ort der Vorpremiere des Films über traumatische Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg. Weniger zufällig ist das Lichtspieltheater voll besetzt: es ist nicht nur die Vorpremiere des interessanten Streifens, auch der Regisseur ist anwesend, um nach der Aufführung mit dem Publikum zu sprechen. Und die Ankündigung im Traumstern-Programm ist vielversprechend: „So erzählt der Film über die deutschen Grenzen hinaus von der Generation der heute 35- bis 50-jährigen Kriegsenkel aus Ost und West, deren Leben auf besondere Weise von der europäischen Kriegsgeschichte und den traumatischen Erfahrungen ihrer Eltern und Großeltern geprägt zu sein scheint.“

Beide Großväter des Regisseurs waren im Zweiten Weltkrieg als Soldaten in Russland. Heinzel spürt der Geschichte seiner Opas nach, weil er deren traumatische Kriegserfahrungen für die Ursache seiner schweißtreibenden Träume hält. Seine Spurensuche führt ihn von Nordhessen nach Weißrussland, mit Abstecher nach Frankreich, weil dort eine Wissenschaftlerin festgestellt haben will, dass traumatische Ereignisse Markierungen im Erbgut hinterlassen.

Dem Vater so nah wie nie

In Weißrussland sucht Heinzel nach den Orten, die von der Deutschen Wehrmacht zerstört wurden und von denen er weiß, dass einer seiner Großväter als Soldat dort gewesen ist. Er findet Überlebende der Massaker, die ihm von den Gräueltaten der deutschen Soldaten berichten. Sein Vater begleitet ihn auf dieser Reise. Durch die Recherchen seines Sohnes ist er neugierig geworden. Er sei seinem Vater dabei so nahe gekommen wie noch nie, sagte Heinzel nach der Vorstellung im Gespräch mit dem Publikum.

„Der Krieg in mir“ ist ein reiner Männerfilm. Weder die Großmütter, noch die Mutter noch Heinzels Frau tauchen auf. Aus dem Publikum danach gefragt, sagte Heinzel, er habe sich thematisch beschränken müssen. Die Großmütter seien ein eigenes Thema. Er habe ein Buch zum Film geschrieben, in dem er auch auf seine Omas eingehe.

Zuschauer berichteten von ähnlichen traumatischen Erfahrungen wie Heinzel. Eine Frau erzählte, sie habe eine ungeheure Furcht vor Wasser. Von ihrem Großvater habe sie erfahren, dass er im Zweiten Weltkrieg zur Besatzung eines U-Bootes gehört hatte. Das U-Boot sei zerstört worden und er habe zwei Tage lang im Meer getrieben.

Kriegsspiele und eine Maus flieht

Ein anderer Zuschauer dagegen wunderte sich. Er sei genauso alt wie Heinzel, träume aber nicht vom Krieg. Heinzel entgegnete, er kenne viele, die ähnliche Träume hätten wie er. Im Film spielt Heinzel Krieg. In einer Art Abenteuerpark in Weißrussland werden die Schlachten im Zweiten Weltkrieg nachgespielt. Heinzel spielt in deutscher Uniform mit.

Die skurrilste Szene des Films spielt sich bei Heinzels Besuch im Labor der französischen Genforscherin ab. Die holt eine ihrer Labormäuse aus ihrem Käfig. Das gewitzte Tier nutzt die Chance und flieht. Man sieht nun die Wissenschaftlerin und Heinzel auf dem Laborboden kriechen und die Maus suchen. Ob der Nager wieder eingefangen wurde oder ob ihm die Flucht gelungen ist, erzählt der Film leider nicht.

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