Baumhäuser auf Autobahn-Trasse
Von Ursula Wöll
Etwa 110 Hektar mit gesundem alten Buchenmischwald sollen bei Dannenrod nordöstlich von Homberg/Ohm gerodet werden. Man fragt sich: Warum das trotz der Diskussionen um den Klimawandel? Die Antwort: Um Platz zu schaffen für ein Stück Trasse der A49 zwischen Stadtallendorf und Gemünden. Die A 49 soll nämlich bald durchgängig als Autobahn von Kassel nach Süden laufen, und das westlich der A 5, die ja bereits existiert. Nachdem der hessische Verkehrsminister Al Wazir (Grüne) nun den Appell des BUND ablehnte, die ab dem 1. Oktober geplanten Rodungen zumindest aufzuschieben, sahen Umweltschützer eine Besetzung des Dannenröder Waldes als letztes Mittel, um die bis zu 300 Jahre alten Buchen und Eichen zu retten. Am Montag, dem 30. September 2019 bauten sie ihr Protestcamp an der A49 auf – zunächst drei Baumhäuser. Zudem richteten sie eine ständige Mahnwache am Sportplatz von Dannenrod ein.
Protestcamp im Wald
Seit Jahren wehren sich etliche Bürgerinitiativen gegen die geplante Abholzung dieses FFH-Schutzgebietes (Flora-Fauna-Habitat). Ihre Petitionen blieben unerhört, und ihre Klagen wurden abgeschmettert. Zuletzt gab es am Samstag, dem 28. September 2019 eine erneute Demonstration, an der sich auch Traktoren beteiligten. Danach wurde der Wald als letztes Mittel gegen seine unwiderrufliche Zerstörung am Montag, 30. September 2019 besetzt. Die Polizei erschien, auch zu Pferde. Bislang stellte sie im Protestcamp an der A49 aber „nur“ Personalien der BaumhausbewohnerInnen fest.
In ihren Texten für die Presse begründen die UmweltschützerInnen auch schriftlich ihr Handeln, das wegen des sintflutartigen Regens sicher kein Zuckerschlecken ist. Sie nennen die unverändert weitergeführte Verkehrspolitik beim richtigen Namen. Sie ist klimaschädigende, menschenfeindliche Umweltzerstörung, weil sie nach wie vor auf den Individualverkehr per Auto setzt. Business as usual. Man findet jetzt endlich zwar anerkennende Worte für die Fridays for Future-Bewegung und kritisiert den brasilianischen Präsidenten Bolsonaro, der den Amazonas-Regenwald zugrunde richtet. Aber Taten folgen diesen Lippenbekenntnissen nicht. Während die Bevölkerung des betroffenen Gebietes am Rand des Vogelsberges ihren Wald bewahren will, scheinen einige ihrer städtischen VertreterInnen das vor Jahren angestoßene Bauvorhaben zu akzeptieren. Wenn gar der grüne Verkehrsminister keinen Lernprozess zeigt, obwohl jetzt das Thema Klimawandel in aller Munde ist, möchte man heulen. Danke an die Naturschützer im regennassen Wald und danke an die Mahnwachen am Sportplatz von Dannenrod! Der Ort liegt übrigens unweit von Obergleen, wohin einst der Pfarrer und Lehrer Friedrich Ludwig Weidig, Mitautor des historischen Hessischen Landboten, strafversetzt wurde. Schon damals gingen die Bewohner der Gegend einen aufrechten Gang, so dass die Behörden nachts kamen und die Pferdehufe umwickelten, als sie Weidig verhafteten.
Das ist die erste Anlaufstelle für Presse und Support. Auch die dortige Mahnwache freut sich über weitere UnterstützerInnen. Die Waldbesetzung findet in Absprache mit der auch von anderen Protestaktionen bekannten Projektwerkstaat Saasen bei Reiskirchen statt. Die beteiligten Bürgerinitiativen zeigen, ebenso auch der Naturschutzbund Nabu und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), wie eine zeitgemäße Verkehrspolitik für die Region aussehen muss: Statt einer überflüssigen Autobahn-Trasse zusätzlich zur A 5 soll etwa die stillgelegte Bahnstrecke zwischen Kirchhain und Homberg (Ohm) reaktiviert werden. Ihre Vorstellungen sind nachlesbar unter
https://de.indymedia.org/node/38211 oder
www.schutzgemeinschaft-gleental.de oder
Ursula Wöll:
Nachtrag:
Die BI Schutzgemeinschaft-Gleental eV. teilt mir mit, dass die WaldbesetzerInnen und die verschiedenen BIs für die Rettung des Waldes zu einem „Solidarischen Waldspaziergang“ einladen, und zwar für kommenden Sonntag, 6. Oktober, um 14 Uhr. Treffpunkt ist der Sportplatz von Dannenrod, einem Ortsteil von Homberg (Ohm)). Ab der schönen Fachwerkkirche des kleinen Dorfes ist der Sportplatz am Waldrand ausgeschildert.